Frank Schöbel (79): „Ich will nicht auf der Bühne sterben!“ Der Schlagerstar denkt an Karriere-Ende
Kurz vor seinem 80. Geburtstag erzählt er, warum er nie die DDR verließ, er redet über „Ostdödel“ und Erich Mielke.

Mehr Zeit im Garten, weniger auf der Bühne. Mehr Zeit für tiefe Gespräche mit Freunden, weniger für unwichtiges Business-Gequatsche: Schlagersänger Frank Schöbel sehnt sich wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag nach einem Leben mit weniger Berufsstress – und denkt über ein Karriere-Ende nach. In seinem Leben sei er durch die Arbeit kaum zum Nachdenken gekommen, schreibt er im Nachwort seiner Autobiografie „Danke, liebe Freunde!“, die an diesem Donnerstag erscheint.
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„Singen und mit freundlichen Menschen zusammenzukommen, hat mich mein ganzes Leben lang begleitet“, so Schöbel. Irgendwann wird er aber das Handtuch werfen. „Ich werde mich dann ganz leise und herzlich verabschieden, weil ich nicht auf der Bühne sterben will, auch wenn ich das mal gesagt habe.“ Er wolle einfach nur zu Hause sein und das Leben genießen.
Und jetzt blickt Frank Schöbel noch einmal zurück. Auf eine lange Karriere voller großer Erfolge und erzählenswerter Begegnungen. Auch über ein Treffen mit Erich Mielke, das eher wie ein Loriot-Sketch ablief, berichtet er.
Surreales Treffen mit Stasi-Chef Erich Mielke
Denn einmal saß der sozialistische Schlagerstar ganz allein mit dem Chef der DDR-Staatssicherheit an einem großen runden Tisch. Plötzlich sagte Erich Mielke zu Frank Schöbel: „Na?“ Und Schöbel zu ihm: „Na?“ Und Mielke noch mal: „Na?“ Und Schöbel auch noch mal: „Na?“
„Und damit war das Gespräch beendet. Keiner hat zu viel verraten.“ So beschreibt der Sänger das Aufeinandertreffen Jahrzehnte später in seiner Autobiografie. Sie heißt „Danke, liebe Freunde!“ und erscheint jetzt beim Verlag Bild und Heimat in Berlin – 60 Jahre nach dem Start von Schöbels Karriere.

Es ist bereits die zweite Autobiografie des inzwischen 79-Jährigen. Diesmal beantwortet der Sänger 366 Fragen. „Hatʼs die Stasi bei dir versucht?“, lautet Frage Nummer 89 im Buch. Die Antwort: „Das Verhör fand in einem hohen, schmalen Raum statt, so wie man das aus schlechten Filmen kennt.“ Er sei von einem Herrn befragt worden, weil nach einer West-Tournee zwei seiner Musiker „drüben“ geblieben waren.
„Das wäre für mich das Allerletzte, jemanden zu verpfeifen und zu verraten, das ist nicht mein Ding“
Am nächsten Tag sei er wieder vorgeladen worden. Nun nahmen ihn der Schilderung zufolge zwei Herren in die Mangel: „Sie sind sehr beliebt, Sie kennen viele Musiker und wir möchten Ihre Kenntnis ausnutzen, uns dann und wann treffen, und Sie erzählen ein bisschen.“ „Nee“, antwortete Frank Schöbel damals und ist heute stolz, dass er das so sagen konnte. „Ein paar Jahre zuvor hätte ich vielleicht, vor lauter Angst, einfach nur den Kopf runter gemacht“, erzählt er im Buch. Seine Antwort damals: „Das wäre für mich das Allerletzte, jemanden zu verpfeifen und zu verraten, das ist nicht mein Ding. Ich will Musik machen.“
Frank Schöbel, Sohn einer Opernsängerin aus Leipzig, hatte schon als Jugendlicher gern gesungen und Gitarre gespielt. Sein erstes eigenes Lied hieß „Zwei Ähren im Wind“. Als 19-Jähriger wurde er Sänger und Gitarrist beim Leipziger „Tanzorchester der Sonderklasse Heinz Müller“. Doch zwei Jahre später schon stand er allein im Rampenlicht.
Und die Karriere startete gleich mit mehreren Hits: Der erste Song „Looky, Looky“ sprang auf den 1. Platz der tip-Parade, die Nachfolger „Blonder Stern“ und „Party-Twist“ ebenso. Die tip-Parade war eine Musikwertungssendung auf Radio DDR.

Mehr als 600 Titel hat Schöbel bis heute gesungen. In der DDR war er der erfolgreichste Schlagersänger – einige Jahre lang im Traum-Duo mit seiner damaligen Frau Chris Doerk.
Später dann gehörte er mit seiner Lebensgefährtin Aurora Lacasa und den Töchtern Odette und Dominique an Heiligabend zum festen Programmpunkt im DDR-Fernsehen. In „Weihnachten in Familie“ sangen die vier in ihrem Wohnzimmer. Das gleichnamige Album gilt als meistverkauftes der DDR-Plattenfirma Amiga. Schöbel und Lacasa trennten sich Mitte der 90er-Jahre.
Frank Schöbel: Der Star, der kein Star sein will
Der nimmermüde Künstler moderierte aber auch die DDR-Rocksendung „Franks Beatkiste“. Er sei wohl „kein reiner Schlagerheinz“, stellt Schöbel daher fest. Er komponierte zudem 365 Lieder, unter anderem für Gisela May, Harald Juhnke, Karel Gott – und Union Berlin. Dennoch sagt er, die Bezeichnung „Star“ möge er nicht. „Das klingt so weit weg von den Menschen, für die ich singe.“ Er ist für seine Fans einfach nur Fränkie, meist in Jeans und Lederjacke.

Nach dem Mauerfall lehnte er mal einen Auftritt in einem Grandhotel ab. Der Grund: Die Schickimicki-Atmosphäre sei nicht seins. „Ehrlich, eine Festzelt-Mugge ist mir lieber. Zu Stadtfesten gehe ich gern, zu den einfachen Menschen. Da fühl’ ich mich wohl.“
Heute sagt Frank Schöbel: „Es tat sehr weh, immer der Ostdödel zu sein!“
Unter anderem aus Treue zu seinem Publikum sei er einst auch in der DDR geblieben. Obwohl er sich dort über so manches ärgerte. „Es tat sehr weh, immer der ‚Ostdödel‘ zu sein und nur hin und wieder zu TV-Sendungen in den Westen fahren zu dürfen“, schreibt er. Besonders ärgerte ihn, dass er Einladungen zur „ZDF-Hitparade“, der wichtigsten Sendung für deutschsprachige Unterhaltungsmusik, ausschlagen musste. Die Polit-Ideologen im Zentralkomitee der SED hätten entschieden: „Da fahren wir nicht hin!“, schildert er.
Sicher frage sich mancher heute, wie er das ertragen habe. Schöbel: „Tja, man ist so aufgewachsen und wusste, dass man reglementiert wird, fand sich zurecht und richtete sein Leben ein.“ Sein Bruder war 1965 in den Westen gegangen, seine Mutter als Rentnerin 1973. „Für mich war klar: Ich bleibe.“ Ihm sei auch ein West-Auto nicht so wichtig gewesen. „Ich bin Wartburg gefahren und fand das in Ordnung.“

Auch nach dem Mauerfall verfiel der Sänger nicht dem Konsumrausch. „Eine Jeans, ʼn Shirt, ein Paar Turnschuhe im Jahr, und die Welt ist in Ordnung“, schreibt der vierfache Vater, der im Osten Berlins in einem eigenen Holzhaus mit Garten lebt. „Geld rauszuschmeißen ist leicht, sparen braucht Disziplin und Köpfchen.“
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Am 11. Dezember wird der Entertainer, dunkelblondes dichtes Haar und ein fast faltenfreies Gesicht, 80 Jahre alt. Er habe vor Corona noch 80 bis 100 Auftritte im Jahr gehabt, erzählt er. In der Pandemie habe er dann gemerkt, „wie schön es sein kann, wenn man nicht mehr den Hit-Paraden nachjagt, wenn man nicht in immer dümmer werdenden, oft hinter den Kulissen verlogenen Sendungen sein muss, wenn man in Ruhe Freunden zuhören kann und nicht schon wieder auf der Jagd zur nächsten Mugge ist“, schreibt Schöbel im Vorwort. Hört sich wirklich an, als ob Frank Schöbel mit dem Karriere-Ende liebäugelt.