Früher herrschte in Tegel Gedränge, jetzt Endzeitstimmung. Auch am Tag ist alles ruhig.
Früher herrschte in Tegel Gedränge, jetzt Endzeitstimmung. Auch am Tag ist alles ruhig. Foto: dpa/Fabian Sommer

Der Flughafen Tegel soll wegen der Corona-Krise vorübergehend geschlossen werden. Das sieht ein Antrag vor, den die Flughafengesellschaft FBB am Mittwoch an die oberste Luftfahrtbehörde in Berlin abgeschickt hat. Danach soll der Betrieb spätestens zum 1. Juni für zwei Monate eingestellt werden. Es wurde aber nicht ausgeschlossen, dass Tegel „final“ vom Netz genommen wird.

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„Ich habe einen klaren Auftrag vom Aufsichtsrat bekommen. Deshalb werden wir noch heute den Antrag stellen“, sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup am Abend nach der Sitzung des Gremiums. Der Aufsichtsrat habe sich ohne Gegenstimmen dafür ausgesprochen, dass die vorübergehende Entbindung von der Betriebspflicht beantragt wird. Die Gesellschafterversammlung, die danach tagte, habe die Möglichkeit einzugreifen, nicht wahrgenommen.

„Mir geht es nicht darum, Tegel zu schließen, sondern den Steuerzahlern Kosten zu ersparen“, so der Flughafenchef. Ihm sei es in seiner Position schwer gefallen, die Schließung eines Flughafens anzustreben. Doch in seiner Verantwortung als Geschäftsführer sehe er keinen anderen Weg, sagte Lütke Daldrup.

Während der Corona-Krise seien auch in Tegel die Passagierzahlen stark gesunken.  Zuvor hatte die Flughafengesellschaft mitgeteilt, dass während der ersten drei April-Wochen in Tegel und Schönefeld nur noch insgesamt rund 17.000 Passagiere abgefertigt wurden– im Vergleich zu zwei Millionen im selben Zeitraum des Vorjahres. Inzwischen werden beide Flughäfen täglich von weniger als tausend Fluggästen genutzt statt wie früher von rund 100.000.

Besserung der Lage ist nicht absehbar

In jedem Monat müsse die FBB rund zehn Millionen Euro dafür aufwenden, Tegel offen zu halten. Wenn der Betrieb eingestellt würde, Tegel dennoch die ganze Zeit über funktionsfähig gehalten würde, ließen sich sieben Millionen Euro einsparen. Ursprünglich war geplant, Tegel erst am 8. November 2020 vom Netz zu nehmen – wenige Tage nach der Inbetriebnahme des neuen Hauptstadt-Flughafens BER, die unverändert am 31. Oktober beginnen soll. Doch die Pandemie zwinge dazu, den Zeitplan für Tegel zu ändern, hieß es.

Ob Tegel nach der temporären Betriebseinstellung noch einmal öffnen wird, blieb unklar. „Wenn im Juni der Flugverkehr wieder zunimmt und der Flughafen gebraucht wird, gibt es natürlich keine Schließung“, sagte Lütke Daldrup am Mittwochabend.

Doch zuvor hatte er bereits mehrmals deutlich gemacht, dass die Luftfahrt weltweit noch längere Zeit am Boden bleiben wird – im Wortsinn. „Im Sommer wird die Zahl der Reisenden deutlich unter dem Aufkommen vergangener Jahre bleiben“, so die FBB. Die Nachfrage werde frühestens 2021 wieder steigen. Pessimisten erwarten dies erst für 2023, hieß es.

Ein einsamer Fluggast läuft vom Terminal C, der als einziger noch in Betrieb ist, zum Bus.
Ein einsamer Fluggast läuft vom Terminal C, der als einziger noch in Betrieb ist, zum Bus. Foto: dpa/Fabian Sommer

Ende März war die Umsetzung des Schließungsplans zunächst am Widerstand des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur gescheitert. Die Behörde von Minister Andreas Scheuer (CSU) legte ihr Veto ein. Flughäfen gehörten zur kritischen Infrastruktur, die in einer Pandemie nicht geschlossen werden dürften, hieß es. Doch wie berichtet hatte das Ministerium zuletzt klar gemacht, dass es eine temporäre Schließung nicht mehr konsequent ablehnen werde.

Zwar kommt die Gesellschafterversammlung in 14 Tagen erneut zusammen, um die Lage zu bewerten. Für das jetzige Vorgehen der FBB ist ein Aufsichtsratsvotum erforderlich, mehr nicht, betonte Lütke Daldrup.

SPD-Fraktionsvize Jörg Stroedter bekräftigte seine Forderung, dass Tegel „gleich ganz geschlossen werden sollte“. Angesichts der Finanzprobleme der FBB wäre ein Weiterbetrieb unverantwortlich. Sein Fraktionskollege Daniel Buchholz lobte Schönefeld, wo der Flugverkehr konzentriert wird: „24-Stunden-Betrieb, separate Behandlungsräume für medizinische Krisenfälle und ein eigenes Frachtzentrum.“ Für die rund 300.000 Tegel-Anlieger gäbe es „endlich Ruhe“.

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Lufthansa gegen vorzeitige Stilllegung

Leer sehe es derzeit auf den meisten Flughäfen der Welt aus, gab der Berliner Flugkapitän Thomas Kärger zu bedenken. „Doch würde man deswegen nicht auf die Idee kommen, wertvolle Infrastruktureinrichtungen zu schließen. So dumm und dämlich kann man nur im Berliner Senat sein. Die Airlines pochen zu Recht auf eine Offenhaltung von TXL.“ Kärger bezog sich auf die Lufthansa, den Bundesverband Deutscher Fluggesellschaften und den Verband Barig, die sich gegen den Schließungsplan gewandt hatten.

Der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa hält dagegen den Flughafen im Nordwesten Berlins angesichts der Flaute im Luftverkehr für überflüssig. „Tegel wird bis zur Inbetriebnahme des T1 am BER nicht mehr benötigt“, sagte er. Denkbar wäre aber auch ein beschränkter Weiterbetrieb nach dem Verfahren Prior Permission Required, kurz PPR. „Man schließt, lässt aber noch Flüge nach Voranmeldung zu“, so Faulenbach da Costa. „Der FBB fehlt es offensichtlich an Kreativität.“