Karriere an der Tonne

Top-Job an der Tonne: Franziska ist jetzt Müllwerkerin

Sie ist Müllwerkerin und findet das sinnstiftend. Franziska Schmidt ist eine von 26 Frauen, die für die Berliner Stadtreinigung (BSR) im Dienst sind.

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Taff und tatkräftig: Franziska Schmidt (35) von der Berliner Stadtreinigung wuppt die Tonnen mit links.
Taff und tatkräftig: Franziska Schmidt (35) von der Berliner Stadtreinigung wuppt die Tonnen mit links.Volkmar Otto

Wer sind eigentlich die Girls bei der Berliner Stadtreinigung (BSR)? Wer geht da hin, verzichtet auf die Model-Karriere und wird stattdessen zum flotten Feger? Die Berliner Zeitung (BLZ) hat eine von ihnen porträtiert.

Franziska Schmidt hat eine außergewöhnliche Nase für die Lage. Seit fünf Jahren ist sie als Müllwerkerin bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) tätig, schreibt die BLZ. Müll ist für sie kein Fremdwort. „Der Geruch von Ratten ist besonders intensiv, bei Windeln kann ich zwischen denen für Erwachsene und Babys unterscheiden.“ Wie bitte? „Nun, die Windeln für Erwachsene haben einen stärkeren Geruch“, meint sie schmunzelnd zu der Zeitung

Inzwischen stehen 26 Frauen ganz vorne an der schmutzigen Front, so die BLZ – als Müllwerkerinnen, wie der Beruf korrekt heißt, gemeinsam mit knapp 1300 Männern. BSR-Sprecherin Susanne Jagenburg betont ihre Zufriedenheit und erklärt: „Wir möchten unbedingt noch mehr Frauen einstellen“. Aus diesem Grund wurde ein Schnuppertag auf dem BSR-Betriebshof in Schmargendorf organisiert, wo es keineswegs unangenehm riecht.

Franziska kümmert sich um 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll

Dutzende von Frauen sind erschienen, um sich zu informieren. Ohne in Stereotypen zu verfallen, kann man sagen: Sie alle könnten problemlos als Models arbeiten. Ausgesprochen attraktiv, gut gekleidet und im Alter von etwa 30 bis 40 Jahren. Gemeinsam mit ihren Kollegen teilt Franziska Schmidt ihr Wissen darüber, wie sie die jährlich anfallenden 1,3 Millionen Tonnen Hausmüll in Berlin bewältigen.

„Wie sehen denn Ihre Hände aus?“, fragt eine der interessierten Frauen. Franziska Schmidt zeigt ihre Hände zur Begutachtung: gut gepflegt, unlackierte Nägel in normaler Länge. „Das sieht gut aus“, stellt die Fragestellerin zufrieden fest. Angelique Baumer, eine weitere Interessentin, lässt sich angeblich nicht vom Geruch des Mülls abschrecken. „Ich wechsele ständig die Windeln eines Kindes“, sagt die 35-Jährige zur BLZ und zuckt lässig mit den Schultern.

Arbeitsbeginn für Franziska ist montags bis freitags um 5.30 Uhr, dann rollt ihr Brummi vom Hof.
Arbeitsbeginn für Franziska ist montags bis freitags um 5.30 Uhr, dann rollt ihr Brummi vom Hof.Volkmar Otto

Derzeit arbeitet sie im Supermarkt, zuvor war sie in der Gastronomie tätig. „Mit Arbeitszeiten, die nicht mit dem Familienleben vereinbar sind.“ Deshalb möchte sie diesen Job endlich hinter sich lassen. Tatsächlich, selbst im Supermarkt gibt es diesen unangenehmen Geruch. „Die Abfälle“, fügt Angelique Baumer nüchtern hinzu, „die Maden.“

Erneut zeigt sie ihr gleichgültiges Schulterzucken. Franziska Schmidt bestätigt wissend: „Ja, das ist so eine Mischung. Gärung eben.“ Dabei zieht sie ihre robusten Lederhandschuhe entschlossen noch höher und richtet ihre schützende Lederschürze sorgfältig aus. Vor nicht allzu langer Zeit entschied die BSR, auch Frauen in die Besatzungen der Müllwagen aufzunehmen. 

Vor der Stadtreinigung arbeitete Franziska als Türsteherin

Immerhin ist die Verantwortung für Sauberkeit im privaten Bereich eindeutig in weiblicher Hand, also ist die Kompetenz zweifellos vorhanden. Der BSR-Personalrat Marcel Jäger ist pragmatisch und bringt die Geschlechterfrage auf den Punkt: „Wer dazu in der Lage ist – warum nicht?“

Anfangs habe es aufgrund der neuen Kolleginnen in den Teams mit älteren Mitarbeitern einige wenige Herausforderungen gegeben. „Aber das betraf nur die Männer untereinander.“ Die Teams wurden neu zusammengestellt und dadurch wurden Unstimmigkeiten schnell ausgeräumt.

Franziska Schmidt war 2018 bei der Einstellung der ersten 15 Müllwerkerinnen dabei. „Ein Kollege hat mir nach einiger Zeit gesagt, er hätte nicht gedacht, dass ich es schaffen würde.“ Jetzt sei er beeindruckt. Über diese offene Anerkennung hat sich Franziska Schmidt gefreut. Heute sagt sie: „Es ist mein Traumberuf. Ich liebe es.“ Sie sei immer an der frischen Luft, viel in Bewegung, und der Umgang miteinander sei freundschaftlich, schreibt die BLZ. „Die Arbeit hat eine großartige Bedeutung, es ist körperliche, ehrliche Arbeit.“

Nun, die Arbeit beginnt an Wochentagen um 5.30 Uhr, wenn der Lastwagen vom Hof rollt. An Bord befinden sich stets ein Fahrer sowie zwei Männer oder Frauen. „Sich daran zu gewöhnen, war herausfordernd; mein Lebensrhythmus war zuvor komplett umgekehrt“, erzählt Franziska Schmidt.

Als Türsteherin in beliebten Clubs wie dem R19 und der Rummelsburger Bucht war sie zu dieser Zeit normalerweise noch nicht einmal schlafen gegangen. „Aber so kann man nicht sein ganzes Leben verbringen.“ Als sie im Radio von der Suche nach Müllwerkerinnen hörte, beschloss sie sofort, sich zu bewerben, so die BLZ.

Franziska läuft täglich zwölf bis fünfzehn Kilometer

Obwohl man es der schlanken Frau mit einer Körpergröße von 1,73 Metern nicht ansieht, verfügt sie über erstaunliche Kraft. Das ist von entscheidender Bedeutung. Marcel Jäger unterstreicht: „Es ist ein anspruchsvoller Beruf.“ Eine Schicht dauert sieben bis acht Stunden. „Dabei heben wir hintereinander 240-Liter-Behälter mit 80 Kilo und 120-Liter-Tonnen mit 50 Kilo die Treppen hinauf und hinunter, ziehen sie zum Lastwagen und wieder zurück zum Gebäude. Täglich laufen wir zwölf bis fünfzehn Kilometer, das ist auf den Touren normal.“ Unabhängig von Wetterbedingungen, sei es Wind, Regen, Hitze oder Kälte.

Eine zusätzliche Belastung stellen die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit Bürgerinnen und Bürgern dar. „Natürlich stehen wir vor parkenden Autos“, erklärt Marcel Jäger. „Wo sollen wir sonst hingehen?“ Doch das gefällt immer mehr ungeduldigen Menschen nicht. „Viele beleidigen uns auf üble Weise. Es ist schwierig, ruhig zu bleiben.“ Einige nutzen den Gehweg, um Platz zum Rangieren zu schaffen, was eine erhebliche Gefahr für Fußgänger darstellt. Jäger wünscht sich von der Öffentlichkeit mehr Verständnis.

Wesentlich häufiger aber, so die BLZ, erfahren die Müllwerkerinnen und Müllwerker Anerkennung, berichtet Franziska Schmidt. „Besonders schön ist die Freude der Kinder und Hunde, wenn wir auftauchen.“ Oft hört man Worte wie „unsere Helden“.

Wer den Aufnahmetest mit Fitnessübungen an Rudergerät, Crosstrainer und Bauchpresse besteht, startet mit einem Bruttogehalt von 3150 Euro. Hinzu kommt gelegentlich Trinkgeld, fünf Euro pro BSR-Mitarbeiterin und -Mitarbeiter sind erlaubt und werden gerne angenommen.