UPDATE +++ Bis zu 100 Tonnen Fisch an der Oder verendet +++ 300 Substanzen stehen in Verdacht, den Fluss vergiftet zu haben
In den deutschen und polnischen Laboren wird mit Hochdruck nach dem Verursacherstoff gesucht.

Was hat die Oder vergiftet? Mit Hochdruck wird derzeit in deutschen und polnischen Laboren untersucht, warum Zehntausende von Hechten, Welsen, Zander, Barschen oder Plötzen in dem Grenzfluss sterben mussten. Bis zu 100 Tonnen Fisch seien verendet, so Experten. Das Fahnden nach der Ursache ihres Sterbens gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Bis zu 300 toxische Substanzen stehen mittlerweile in Verdacht, sagt Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne).
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Noch immer treiben neue Tierkadaver im Wasser. Der BUND-Gewässerexperte Sascha Maier schätzt die Menge der in den vergangenen Tagen verendeten Fische in der Oder auf bis zu 100 Tonnen. Das sei eine Hochrechnung auf Grundlage der Meldungen über einzelne Sammelaktionen, so der Experte der Umweltorganisation.
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Das Massensterben der Fische in dem Fluss sei eine absolute Katastrophe, erklärte Umweltminister Vogel im RBB. „Wir reden hier nicht von einer Katastrophe, die innerhalb von einem halben Jahr durch Wiederbesiedelung von Tieren gelöst werden kann“, sagt er.
Der Minister geht davon aus, dass die Oder durch die aktuelle Situation auf Jahre geschädigt sein kann. Nicht nur die Fische, das gesamte Ökosystem des Flusses ist betroffen. „Wir haben wirklich lange Zeiträume, wo insbesondere Muscheln, Mollusken, Insekten dann Zeit benötigen, um sich wieder aufzubauen“, sagt Vogel.
Obwohl in den Laboren fieberhaft nach der konkreten Substanz gesucht wird, die die Oder vergiftete, gibt es noch keine heiße Spur. „Die Polen fahnden jetzt nach insgesamt 300 Stoffen, sie haben angegeben, dass sie jetzt auch gezielt nach Insektiziden im Wasser und in den Fischen suchen“, sagt Vogel. Wie viele giftige Stoffe in die Oder gelangten, sei unklar.
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Fischsterben an der Oder: Das Ökosystem ist auf Jahre geschädigt
Der Minister spricht von einer „absoluten Anomalie“ des Wassers. Man habe einen hohen Sauerstoffgehalt, einen hohen PH-Wert und eine hohe Salzfracht festgestellt. Auch dies könne eine konkrete Ursache für das massenhafte Fischsterben sein. Bewiesen ist nichts. „Es kann noch mehrere Tage dauern, bis wir alle Stoffe, die wir für möglich halten, dann auch durchgecheckt haben“, sagt der Minister.
Der BUND geht davon aus, dass es auf polnischer Seite „eine illegale Einleitung von Chemikalien“ in die Oder gegeben habe. „Wir können davon ausgehen, dass es eine Verunreinigungswelle gab, die durch die Oder geflossen ist.“ Hinzu kämen Faktoren wie Niedrigwasser oder Arbeiten am Oder-Ausbau, die Fische und das Ökosystem schon vorher in Stress versetzt hätten.
Mit einer gemeinsamen Taskforce wollen Deutschland und Polen dem massiven Fischsterben im Grenzfluss Oder entgegentreten. Experten beider Länder sollen in einem engen Austausch Ursachen ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen erarbeiten, wie das Bundesumweltministerium nach einem Treffen von Regierungsvertretern am Montag mitteilte.
Der Behördensprecher geht, anders als der Brandenburger Umweltminister, davon aus, dass es noch am Dienstag erste konkretere Ergebnisse geben könnte, die die Ursache des Fischsterbens klären. „Quecksilber scheint nicht Auslöser für das Fischsterben zu sein“, so das Ministerium.
An den Beratungen in Stettin hatten am Sonntagabend auf deutscher Seite Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Brandenburgs Umweltminister Vogel und sein Amtskollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), teilgenommen. Sie trafen sich mit der polnischen Umweltministerin Anna Moskwa und dem polnischen Infrastrukturminister Andrzej Adamczyk.

Fischsterben: „Auch auf deutscher Seite ist nicht alles glatt gelaufen“
Die Zusammenarbeit beider Länder sei wichtig, um schnellstens die Verursacher der Katastrophe zu ermitteln, so das Bundesumweltministerium. Aber das Treffen hatte auch einen diplomatischen Grund.
Denn es wächst der Unmut, dass die polnische Seite erst sehr spät beziehungsweise sehr spärlich die deutschen Behörden über das Fischsterben informiert hat. „Das lief nicht, wie es sein müsste“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der am Montag in Lebus bei Frankfurt/Oder sich ein Bild über die Umweltkatastrophe machte.
BUND-Experte Maier sagt, dass auch auf deutscher Seite nicht alles glatt gelaufen sei. Es hätten sofort mehr Labore für Analysen einbezogen werden müssen, sagte Maier. „Es ist zu viel Zeit verstrichen.“
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