Finanzamt Neukölln bringt China-Firmen das Steuerzahlen bei
Steuerschlupflöcher für Online-Händler werden aus der Thiemannstraße gestopft.

Kennen Sie die Neuköllner Thiemannstraße? Nein? In chinesischen Firmen kennt man sie und mag sie nicht. Denn an der Straße sitzt das Finanzamt Neukölln und hält den Klingelbeutel auf, damit Umsatzsteuer für Deutschland hineinfällt. Dabei ist das Amt sehr erfolgreich, weil es der Steuerhinterziehung im Online-Versandhandel den Hahn abdreht.
2018 war davon ausgegangen worden, dass rund 5000 chinesische Händler Elektronik, Schuhe, Kleidung oder Spielzeug in Lager nach Deutschland schickten. Hier bieten Amazon, Ebay oder Alibaba „Rundum-sorglos-Pakete“ an, lagern die Ware, verpacken sie und verschicken sie zum Kunden.
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Dabei wurde häufig „vergessen“, dass auf über diesen Weg vertriebene Waren 19 Prozent Umsatzsteuer zu zahlen sind. Auf den Rechnungen der chinesischen Absender fehlte die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ("USt.-IdNr.").
Das Finanzamt Neukölln, bundesweit für Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China, Hongkong, Macao und Taiwan zuständig, macht deshalb Druck, wenn es durch eigene Ermittlungen oder (erwünschte) Anzeigen von Kunden von der Steuerhinterziehung erfährt. Das Amt pfändet Geld oder Waren, leitet Strafverfahren ein.
Die Konsequenz: Gab es 2019 rund 7800 Registrierungen zur Umsatzbesteuerung aus dem chinesischen Raum, waren es vor einem Jahr 49.000 und jetzt über 100.000. Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) geht von mehreren hundert Millionen Euro aus, die Deutschland deshalb jährlich einnehmen kann.
Amazon & Co waren den Beamten aus der Thiemannstraße mittlerweile behilflich. Denn nachdem die Plattformen sich lange mit dem Argument geweigert hatten, die von ihnen betreuten Händler hätten sich selbst um die Steuer zu kümmern, müssen die Konzerne inzwischen Auskunft über diese Partner erteilen. Sonst drohen ihnen Bußgelder.