Fahrgäste fordern hartes Vorgehen gegen Maskenverweigerer
Sicherheitskräfte haben seit Juli in rund 500 Fällen Geldbußen verhängt, teilte das Unternehmen mit. Es könnten viel mehr Strafen sein, sagen Kritiker

Maskenpflicht in engen Einkaufsstraßen, Maskenpflicht auf Wochenmärkten: Während sich die Coronakrise weiter verschärft, denken Politiker über immer neue Vorschriften zur Eindämmung der Seuche nach. Aber werden die bereits bestehenden Regeln überhaupt durchgesetzt? Am Beispiel der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zieht der Fahrgastverband IGEB jetzt eine kritische Zwischenbilanz. „Sicherlich nicht alle, aber die große Mehrheit der Fahrgäste will, dass die Maskenpflicht kontrolliert und konsequent durchgesetzt wird. Doch das tut die BVG ganz offensichtlich nicht“, sagte der Verbandsvorsitzende Christfried Tschepe der Berliner Zeitung. Seit Ende August hat die BVG lediglich rund 30 Maskenmuffel mit Geldbußen belegt.
So viel steht fest: Wer Mund und Nase bedeckt, schützt nicht nur andere, sondern vor allem auch sich selbst vor Ansteckungen. „Tragen 90 Prozent der Passagiere Stoffmasken, so reduziert sich das Risiko um etwa 70 Prozent“, sagt Kai Nagel, Professor an der Technischen Universität Berlin. Anders als befürchtet seien Bahnen und Busse keine Corona-Hotspots – wenn sich alle oder fast alle an die Regel halten und die Fahrzeuge belüftet werden. Schon aus eigenem wirtschaftlichen Interesse müssten die Verkehrsbetriebe darauf achten, dass die Regelung durchgesetzt wird, sagen Experten.
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Seit dem 27. April gilt im Berliner Nahverkehr die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken. Am 7. Juli teilte die BVG mit, dass ihre Sicherheitskräfte Maskenmuffel ab sofort mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 50 Euro belegen dürfen. Täglich seien im Schnitt rund 220 Beschäftigte dieser Art im Einsatz, hieß es. Inzwischen hätten sie rund 120.000 Fahrgäste angesprochen, die sich nicht an die Regeln hielten, berichtete BVG-Sprecherin Petra Nelken. „Ungefähr 2500 Mund-Nase-Bedeckungen wurden verteilt. In zirka 1100 Fällen wurden Bahnhofsverweise ausgesprochen.“
„Bei der S-Bahn sieht es nicht besser aus“
Außerdem wurden rund 500 Vertragsstrafen á 50 Euro verhängt. Rechtliche Grundlage ist der Paragraf 5 der BVG-Nutzungsordnung. „In mehr als 100 Fällen wurde bereits gezahlt. Es gab aber auch rund 20 Widersprüche, allerdings keine Klage“, teilte Nelken mit. Rund 500 Vertragsstrafen – diese Zahl erscheint Beobachtern allerdings als sehr niedrig. Zumal sie seit Ende August kaum gestiegen sei: Vor anderthalb Monaten hatte das Landesunternehmen von 470 Vertragsstrafen gesprochen.
„Die Daten sind nicht geeignet, das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu verbessern“, kommentierte der Fahrgastverband. „Und so könnten mit weiter steigenden Infektionszahlen noch mehr Fahrgäste die BVG meiden.“ Dabei sei die Nutzung bereits stark gesunken, weil Angst vor Ansteckung grassiert. „Bei der S-Bahn sieht es nicht besser aus, weil dort ähnlich wenig kontrolliert wird“, bemängelte Tschepe.
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„Wenn ich von jedem Maskenmuffel, den ich täglich im Nahverkehr antreffe, 50 Euro kassieren dürfte, hätte ich nach einer halben Woche meine Jahreskarte raus“, schrieb ein Fahrgast dem Verband. Er kritisierte auch viele BVG-Mitarbeiter: „Die tragen keine Maske oder ihre Maske unterhalb der Nase. Nur wenige verhalten sich korrekt.“ Kaum jemand spräche Maskenverweigerer an. So werde falsches Verhalten legitimiert.
Es gebe kaum Kontrollen, und wenn es sie gibt, seien sie zu lasch, bemängelte Stefan Lehmann aus Steglitz. Die Beobachtung des langjährigen BVG-Kunden: „Nicht einmal fünf Prozent der Fahrgäste, die sich nicht an die Regel halten, bekommen die eigentlich vorgesehene Vertragsstrafe.“ Allein im U-Bahnhof Hermannplatz, den Lehmann bis vor Kurzem fast täglich frequentierte, könnte die BVG ein Vermögen machen. Doch er habe dort fast nie BVG-Mitarbeiter gesehen. „Nun fahre ich nicht mehr mit der U8.“
Keine zusätzlichen Kontrollen
Der Pendler hat nicht den Eindruck, dass es zusätzliche Kontrollen gibt, um Maskenverweigerer aufzuspüren. Die Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zum Thema Mund-Nase-Bedeckung, kurz MNB, bestätigt seine Einschätzung. „Es werden keine speziellen Kontrollen zur Umsetzung der MNB-Pflicht durchgeführt, sondern alle Sicherheitsbeschäftigte inklusive der Fremddienstleister setzen diese im Rahmen ihrer Streifentätigkeit um“, teilte Verkehrs-Staatssekretär Ingmar Streese (Grüne) mit.
Derzeit würden rund 95 Prozent der Fahrgäste mit korrekter Mund-Nase-Bedeckung angetroffen, entgegnete BVG-Sprecherin Petra Nelken. „Es gibt Tage, da sind es sogar 98 Prozent. Unsere Leute berichten, dass sich die Disziplin verbessert hat.“ Deshalb mussten in jüngster Zeit auch kaum noch Vertragsstrafen verhängt werden. Während bundesweit darüber gestritten wird, ob Bußgelder steigen sollten, plane die BVG keine höhere Vertragsstrafe. „Für die meisten Berliner gehört das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung zum Alltag“, sagte Petra Nelken: „Die Botschaft ist angekommen.“