Sorry, Puhdys und Karat: Die heißeste Band in der DDR war AC/DC!
Anfang der 80er-Jahre trat im Osten eine West-Band ihren Siegeszug an, obwohl man kaum ihre Songs kannte. Aber ihr Name stand auf fast jeder Schulbank.

Haben Sie es auch in ihrer Schulzeit heimlich getan? Den Zirkel genommen, um damit in die untere Ablage der Schulbank den Namen der Lieblingsband einzuritzen? Klar, das macht man nicht, ist Sachbeschädigung. Und schon meine Oma sagte immer: Narrenhände beschmieren Tisch und Wände. Viel schlimmer war jedoch, dass da in den DDR-Klassenzimmern unter den Schulbänken nicht die Name von Bands aus dem Osten wie Puhdys, Karat oder City eingeritzt waren, sondern die der Rocker vom Klassenfeind – wie AC/DC, natürlich mit dem Starkstrom-Blitz dazwischen!
Wie ich darauf komme? In meinem Urlaub in Dänemark hörte ich bei einem Strand-Konzert auf Langeland eine AC/DC-Coverband. Die Jungs waren echt gut. Und während ich ihnen so zuhörte, fiel mir ein, wie ich zum AC/DC-Fan wurde.
Das war 1980, ich war 14, ging in Adlershof zur Schule. Ich war „Fan“, obwohl ich keinen Song der Band kannte, noch nie ein Foto von den Rockern gesehen hatte, auch nicht wusste, dass in jenem Jahr Sänger Bon Scott gestorben war und durch den neuen Frontmann Brian Johnson ersetzt wurde.
Es war sonderbar: AC/DC hatte mich angemacht, weil unter den Schulbänken immer wieder diese vier Buchstaben wie eine geheimnisvolle Botschaft auftauchten, die mich magisch anzogen.
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Ähnlich war es mit KISS, Pink Floyd, Iron Maiden usw., deren Namen unter den Schulbänken verewigt waren. Platten gab es ja von denen im Osten gar nicht oder kaum, im DDR-Radio vermutete ich die Bands erst gar nicht, was in vielen Fällen ein Fehler war. Und bei den Westsendern, die man konsumierte, gehörten harte Rocksongs nicht zum Standartprogramm.
Vier Buchstaben unter einer Schulbank zogen uns magisch an
Zum Glück hatten wir mit 14 Jugendweihe, bekamen als obligatorisches Geschenk Kassettenrekorder, mit denen wir nicht Puhdys oder Karat aufnahmen. Wer die richtigen Sendungen mit den wirklich heißesten Bands im Westradio (wie „Rias-Treffpunkt“) kannte, nahm mit diesen Geräten die Songs auf, die dann im Freundeskreis vorgespielt und bei Gefallen auf Kassetten überspielt wurden.
Und so wurden die vier Buchstaben für mich lebendig, als ich so zum ersten Mal die „Höllenglocken“ („Hells Bells“) von AC/DC zu hören bekam. Das Fan-Feuer war entfacht. Ähnlich lief es auch bei den anderen Bands, deren Namen auf den Schulbänken standen.

Um bei AC/DC zu bleiben: Der Band-Name muss wohl 1980 auf fast jeder DDR-Schulbank gestanden haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass zu dieser Zeit eine wahre Hysterie im Osten um diese Band aus dem Westen entstand. Scheinbar auch bei den DDR-Kulturfunktionären.
Die DDR im AC/DC-Fieber
Plötzlich wurde die Band im DDR-Radio gespielt, sogar ganze Alben komplett, damit man sie aufnehmen konnte. 1981 erschien sogar eine AC/DC-Schallplatte. Die Pressung von „Highway To Hell“, die mit veränderten Cover beim DDR-Staatslabel Amiga herauskam, ist heute ein begehrtes Sammlerstück.

Ich glaube, keiner von den Karat-Jungs oder den einstigen Puhdys-Mitgliedern wird mir den Kopf abreißen, wenn ich hier etwas flapsig aus meinen Erinnerungen heraus sage, dass AC/DC Anfang der 80er-Jahre die heißeste Band in der DDR war. Da bin ich mir sogar sehr sicher. Denn vom einstigen Puhdys-Frontmann Dieter „Maschine“ Birr weiß ich, dass auch sein Herz für AC/DC schlägt.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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