260 Parzellen in der „Alten Baumschule“ in Gefahr

Erste Kleingartenanlage in Pankow bekommt Kündigung

Im Pankower Veruntreuungsskandal gibt es erste Opfer. Doch in der Anlage „Alte Baumschule“ wollen die Kleingärtner alles tun, um ihre Idylle doch noch zu retten.

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Gerhard Schmidt (74) pflegt seinen Garten in der Kleingartenanlage „Alte Baumschule“ in Pankow seit über 30 Jahren. Er möchte noch viele weitere Jahre hier bleiben.
Gerhard Schmidt (74) pflegt seinen Garten in der Kleingartenanlage „Alte Baumschule“ in Pankow seit über 30 Jahren. Er möchte noch viele weitere Jahre hier bleiben.Volkmar Otto

In der Laubenkolonie „Alte Baumschule“ herrscht Aufregung. Vor dem Kasten für Informationsaushänge am Eingang bleiben Kleingärtner immer wieder stehen, lesen und wenden sich dann mit enttäuschten Mienen ab. An diesem Samstag soll eine außerordentliche Mitgliederversammlung stattfinden. Denn die Kleingartenanlage an der Pankower Hermann-Hesse-Straße, eine der größten Pankows und die älteste, könnte nun die erste sein, die wegen des riesigen Veruntreuungsskandals im Pankower Bezirksverband über die Klippe geht. Der Eigentümer des Grundstücks hat bereits eine Kündigung ausgesprochen.

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Im Skandal um den Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow ist es ein wenig so wie mit einem jahrelang zugewucherten Garten. Es braucht viel Geduld und Kraft, um das eingewachsen Dickicht zu durchdringen.

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Die Kurzfassung dessen, was bisher bekannt ist, geht so: Wohl jahrelang hat die Vereinsvorsitzende des Bezirksverbandes Pachten der Kleingärtner nicht korrekt überwiesen, eine hohe sechsstellige Summe fehlt. Die Vorständin mit dem blumigen Namen und den fragwürdigen Methoden soll, nachdem erste Vorwürfe laut wurden, den Inhalt ganzer Aktenschränke weggeschafft und die frisierte Buchhaltung der letzten Jahre geschreddert haben. In einem übrig gelassenen Ordner tauchten Belege darüber auf, dass jeden Monat 54.000 Euro Gehalt an die eigene Familie überwiesen wurden, heißt es in der Kleingartenanlage „Alte Baumschule“. Das sei nur die Spitze des Eisbergs.

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Pankow: Kleinkrieg unter Kleingärtnern

In der Folge entbrannte ein Kleinkrieg unter den Pankower Kleingärtnern, es soll Todeslisten und sogar Drohbriefe mit Rasierklingen gegeben haben. Wer wann was wusste, müssen nun Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln, mittlerweile ist ein Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Erst im kommenden März soll ein neuer Vorstand im Pankower Bezirksverband gewählt werden. Mindestens bis dahin brodelt es hinter den Hecken in 54 Kleingartenanlagen und bei über 5000 Kleingärtnern.

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Wolfgang Baum will den Kopf nicht in den Sand stecken. Der Veruntreuungsskandal in Pankow könnte ihn auch ganz persönlich treffen. 
Wolfgang Baum will den Kopf nicht in den Sand stecken. Der Veruntreuungsskandal in Pankow könnte ihn auch ganz persönlich treffen. Volkmar Otto

Bei den 600 Laubenpiepern in der „Alten Baumschule“ ist die Lage noch verzwickter: Denn während die Politik zusichert, dass Kleingarten-Parzellen auf senatseigenem Land zunächst sicher sind, ist die Situation in der Anlage „Alte Baumschule“ mit ihre 315 Parzellen komplizierter. Große Teile der Anlage befinden sich auf Privateigentum.

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Privater Eigentümer kündigt Kleingärtnern

Der Bezirksverband Pankow hat in der „Alten Baumschule“ etwa 87 Prozent der Flächen von der Spree Bridge GmbH gepachtet, und sie an die einzelnen Kleingärtner als Unterpächter weiter verpachtet. Doch ohne dass die Kleingärtner davon wussten, fand zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Bezirksverband Pankow schon seit längerem ein Gerichtsverfahren statt.

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Schon vor einem Jahr hatte es Mahnungen wegen ausstehender Pachtzahlungen an die nun abgetauchte Vorsitzende gegeben. Der Eigentümer, die Spree Bridge GmbH, kündigte schließlich den Pachtvertrag. Vor wenigen Tagen entschied das Landgericht  Berlin, dass die Kündigung auch rechtens ist. Von all dem wussten die Kleingärtner nichts.

Inga Uhlmann ist 85 Jahre alt, ihr Garten hält sie jung.
Inga Uhlmann ist 85 Jahre alt, ihr Garten hält sie jung.Volkmar Otto

„Der geschäftsführende Vorstand unserer Anlage, hatte über den gesamten Vorgang keine Kenntnis“, schreibt Janine Sommer. Sommer ist Illustratorin und Gartenbuchautorin, sie bangt um ihren idyllischen Garten und versucht, gemeinsam mit Mitstreitern doch noch etwas zu retten.

„Erst am 10. Mai 2023 haben wir erstmals in einer E-Mail von der Anwältin des Bezirksverbandes an uns erfahren, dass Pachten überfällig sind und wir in Vorleistung gehen sollen“, schreibt sie.

Wird die älteste Kleingartenanlage Berlins zerschlagen?

Es drohe eine Zersplitterung und als Folge davon vielleicht sogar das Ende der größten und einer der ältesten Kleingartenanlagen Berlins, so Sommer.

Die Autorin und Illustratorin Janine Sommer arbeitet auch in ihrem Garten.
Die Autorin und Illustratorin Janine Sommer arbeitet auch in ihrem Garten.Privat

Von „unserer Misere“ spricht Wolfgang Baum, wenn er an diesem Dienstagvormittag durch die Anlage geht und über die Zäune hinweg mit anderen Kleingärtnern ins Reden kommt. Wegen krimineller Machenschaften einzelner sollen sie nun ihre teils jahrzehntelang gepflegten Gärten aufgeben? Das kann hier keiner so recht verstehen.

Wolfgang Baum hat seine Töchter hier groß werden sehen, seine Bienen fliegen über die 13 Hektar, Schulkinder kommen zu ihm und staunen über die kleinen Wunder der Natur. Gleich nebenan hat eine Kita ihren Garten, fast täglich gießen sie die Beete.

Janine Sommer in ihrem Garten. 
Janine Sommer in ihrem Garten. Privat

„Es wäre dramatisch, wenn all die Geschichten hier zerstört würden“, sagt Baum. Aber den Kopf in den Sand stecken, das geht gar nicht. Es macht ihm Hoffnung, dass die Anlage als Grünfläche ausgewiesen ist und der Bebauungsplan erst geändert werden müsste, um hier zu bauen. Doch was, wenn die Gärten ihren Status als Kleingärten unter dem Dach des zerzausten Bezirksverbandes verlören und fortan als Erholungsgärten geführt würden. Allein so könnte sich die Pacht schon verdreifachen.

Wolfgang Baum hält in Pankow Bienen. Kleingärten sind wichtig für das Klima der Stadt, sagt er. 
Wolfgang Baum hält in Pankow Bienen. Kleingärten sind wichtig für das Klima der Stadt, sagt er. Volkmar Otto

Es sei also wichtig, dass der Bezirksverband, der nun mit der Aufräumarbeit betraut ist, bestehen bleibe, so Baum. Wie auch Janine Sommer wünscht er sich in dieser verfahrenen Situation die Unterstützung der Politik. „Was aus den zahlreichen Anlagen auf privatem Land wird, scheint aktuell niemanden zu interessieren“, glauben die Kleingärtner in der „Alten Baumschule“.

Ja, der Bezirk Pankow habe ein großes Interesse am Erhalt der Kleingärten, schreibt die Stadträtin für Ordnung und Öffentlichen Raum Manuela Anders-Granitzki. „Soweit sich Kleingärten allerdings auf Flächen in Privateigentum befinden, hat der Bezirk jedoch keine Eingriffsmöglichkeit.“ Auch auf die Gefahr, dass die privaten Verpächter die Zahlungsrückstände zur Kündigung nutzen können, habe Anders-Granitzki im März 2023 ausdrücklich hingewiesen, aber auch darauf, dass seitens des Bezirkes gegenüber den Privateigentümern keine Eingriffsmöglichkeit bestehe.

Die Kleingärtner hoffen nun, dass der Bezirksverband Widerspruch gegen das Urteil einlegt und dass endlich gegen die Verursacher des finanziellen Schadens Anklage erhoben wird.