Mehmet Çamlibel (li.) arbeitet als freiwilliger Helfer bei der Annahme von Spenden in einer Sammelstelle im Konservatorium für türkische Musik in Kreuzberg. 
Mehmet Çamlibel (li.) arbeitet als freiwilliger Helfer bei der Annahme von Spenden in einer Sammelstelle im Konservatorium für türkische Musik in Kreuzberg.  dpa/Julius-Christian Schreiner

Das schwere Erdbeben in der Südtürkei und Nordsyrien: Mittlerweile gibt es mehr als 7000 Todesopfer zu beklagen. Dazu kommen Zehntausende Verletzte und Vermisste. Die Region ist im Ausnahmezustand. Weltweit werden Spenden für die dortigen Menschen gesammelt – auch in Berlin.

Die deutsch-türkische Community in Berlin reagierte mit spontanen Spendenaufrufen. „Ich fange sofort an zu weinen, wenn mich Bilder aus der Türkei erreichen“, sagte Sozialpädagogin Züleyha Kafkas Öztürk am Montag. Gemeinsam mit dem Konservatorium für türkische Musik in Kreuzberg habe sie eine der vielen Spendenaktionen in Berlin gestartet.

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Decken, Jacken, Mützen: Gesammelt wird alles, was gegen die Kälte schützen kann. Denn das Erdbeben traf die Menschen bei Eiseskälte mitten in der Nacht. „Umso glücklicher bin ich, wenn ich sehe, wie viele Menschen hierher kommen, um zu helfen“, sagte Öztürk. Noch am selben Abend sollen mit Hilfe des türkischen Konsulates in Berlin die Spenden in die betroffenen Gebiete versendet werden.

Sie selbst sei Überlebende eines Erdbebens Anfang der 90er Jahre in der Türkei - für Öztürk daher eine Herzenssache. „Ich weiß noch, wie mir damals geholfen wurde. Nachdem ich mein Hab und Gut verloren hatte, waren es auch Spenden anderer, die mich am Leben erhalten hatten“, sagte die Sozialpädagogin. Dass so viele hilfsbereite Menschen, die trotz ihrer Trauer mit Koffern und Kartons voll mit Spenden ankämen, mache sie stolz.

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In einer Sammelstelle im Konservatorium für türkische Musik in  Kreuzberg werden Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt. 
In einer Sammelstelle im Konservatorium für türkische Musik in Kreuzberg werden Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt.  dpa/Julius-Christian Schreiner

Viele Berliner haben Angehörige, die von dem Erdbeben betroffen sind

Bünyamin Bektas ist Bäcker und hat in den frühen Morgenstunden auf dem Weg zur Arbeit von dem Erdbeben mitbekommen. Die Familie seiner Mitarbeiterin sei unter den Verschollenen - bislang noch ohne Lebenszeichen.

Rettungskräfte suchen nach Menschen in den Trümmern eines zerstörten Gebäude in Adana.  
Rettungskräfte suchen nach Menschen in den Trümmern eines zerstörten Gebäude in Adana.   Khalil Hamra/AP/dpa

„Für uns ist es selbstverständlich, dass wir helfen“, sagte der 37-Jährige. Er und seine Frau wohnen in der Nachbarschaft und haben über die sozialen Medien von der Spendenaktion gehört. „So eine Hilfsbereitschaft sollte es überall auf der Welt geben. Egal aus welchem Land man kommt oder welcher Religion man angehört. Die Menschen müssen alle mehr zusammenhalten. Dann kann man auch großes bewirken“, sagte Bektas.

Arbeiter verladen Hilfsgüter der Humanitären Hilfe für die erdbebengeschädigte Türkei in ein Flugzeug am Flughafen Zürich. 
Arbeiter verladen Hilfsgüter der Humanitären Hilfe für die erdbebengeschädigte Türkei in ein Flugzeug am Flughafen Zürich.  dpa/Buholzer

Seit Montagabend werden in Berlin auch andernorts Spenden für die in Not geratenen Menschen im Erdbebengebiet gesammelt. Die Betreiber eines Festsaals in der Oranienstraße in Kreuzberg rief über  Instagram dazu auf, Medikamente, Decken und Kleidung zu spenden. Anschließend folgte ein großer Ansturm auf den Hof des Festsaals.

Welle der Hilfsbereitschaft: Zum Festsaal an der Oranienstraße bringen Familien in Taschen, Säcken und Koffern Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel für die Erdbeben-Opfer.
Welle der Hilfsbereitschaft: Zum Festsaal an der Oranienstraße bringen Familien in Taschen, Säcken und Koffern Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel für die Erdbeben-Opfer. Pudwell

Autos säumten die Straße, aus allen Ecken kamen Menschen mit Säcken, Kisten und Tüten. Vom Babybett, Windeln, Kindernahrung bis hin zu warmen Socken, Pullover und Hosen war alles dabei. Zeitweise stauten sich die Autos  in der Oranienstraße. Helfer regeltenden Verkehr und teilten Spendern kurzfristig Parkplätze zu, damit die Fahrzeuge so schnell wie möglich entladen werden konnten.

Die Aktion sei mit dem Konsulat der Türkei abgesprochen, erklärten die Organisatoren. Das Konsulat würde Lkw schicken, die anschließend die sortierten Spenden in die Krisenregion transportiert.

Wie schnell Hilfe gehen kann, zeigten auch Berliner Türken in Moabit. Noch am Montagabend wurde an der Turmstraße eine Sammelstelle errichtet, wo Menschen Spenden für die Erdbebenopfer abgegeben konnten. Auch dort kamen die Berliner zahlreich. Die Polizei sperrte die Turmstraße, damit die freiwilligen Helfer zahlreiche Lkw beladen konnten. Ihre Pakete wurden mit Fahrzeugen zum Flughafen gebracht, wo eine Maschine die Hilfsgüter in die Erdbeben-Region flog. 

Hilfsgüter für die Erdbeben-Opfer in der Türkei und Syrien stehen verpackt auf der Turmstraße in Moabit. Mitglieder der türkischen Gemeinschaft sammelten binnen weniger Stunden tonnenweise Kleidung, Medikamente und Lebensmittel. 
Hilfsgüter für die Erdbeben-Opfer in der Türkei und Syrien stehen verpackt auf der Turmstraße in Moabit. Mitglieder der türkischen Gemeinschaft sammelten binnen weniger Stunden tonnenweise Kleidung, Medikamente und Lebensmittel.  dpa/Paul Zinken

Deutsche Hilfsorganisationen auf dem Weg ins Katastrophengebiet

Deutsche Hilfsorganisationen, darunter auch viele Helfer aus Berlin, sind auf den Weg ins Krisengebiet. „Die große Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist, dahin zu kommen, wo wir hin müssen“, sagte der Leiter der Nothilfeabteilung der Malteser International, Oliver Hochedez. Die Flughäfen seien überlastet und viele Straßen zerstört.

Aufgrund der niedrigen Temperaturen hätten die Malteser vor allem Decken, Wärmegeräte und Zelte im Gepäck. Wie lange sie in der Türkei bleiben werden, wissen die Helfer noch nicht. „Wir haben ein One-Way-Ticket“, sagt Hochedez.

Das Technische Hilfswerk (THW) ist am Dienstag in die türkische Erdbeben-Region aufgebrochen, sagt THW-Präsident Gerd Friedsam. „Wir haben unsere Schnelleinsatzeinheit für Bergungseinsätze, die speziell für Erdbebeneinsätze ausgebildet ist, mobilisiert.“ Zurzeit stünden die größeren Städte im Mittelpunkt. Man wolle sich zunächst einen Überblick der Lage verschaffen, um entsprechende Hilfe nachzuliefern, so Friedsam. Dabei ist auch die Bundespolizei. Sie sendet Teams mit Spürhunden in die Region, die bei der Suche von verschütteten Menschen helfen sollen.

Mehr als 30.000 Menschen in Südtürkei und in Nordsyrien verletzt

Die Zahl der Toten liegt nach Angaben vom Dienstagabend inzwischen mittlerweile bei etwa 7200. Bisherigen Informationen zufolge wurden in der Südtürkei und in Nordsyrien mehr als 30.000 Menschen verletzt. Nach Schätzungen des Pacific Disaster Centers, einer US-Organisation für Katastrophenhilfe, sind von den Erdbeben in der Türkei und Syrien insgesamt rund 23 Millionen Menschen betroffen.