Karstadt-Kaufhof: Sechs von elf Berliner Warenhäusern machen dicht
850 Arbeitsplätze sind in Berlin und Brandenburg in Gefahr

Das ist ein schwerer Schlag für Berlin: Der finanziell angeschlagene Kaufhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof schließt nach KURIER-Informationen in der Hauptstadt sechs seiner 13 Niederlassungen. Es sind die Warenhäuser in den Neuköllner Gropiuspassagen, an der Weddinger Müllerstraße, im Linden-Center Hohenschönhausen, im Ring-Center Lichtenberg, am Tempelhofer Damm und in der Wilmersdorfer Straße (Charlottenburg). Ungewiss ist noch, ob Karstadt Sports an der Joachimsthaler Straße ebenfalls schließt. In Brandenburg soll es die Filiale in Potsdam an der Brandenburger Straße und Karstadt Sports in Wildau treffen.
Die für den Handel in Berlin und Brandenburg zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin Erika Ritter nannte die Schließungen einen „tiefen Schlag in die Magengrube“ der rund 2400 Mitarbeiter in der Region. Bestätigten sich die bislang vorläufigen Meldungen, wäre laut Ritter der Arbeitsplatz von 850 Menschen verloren.
Bundesweit werden „zunächst“ 62 der 172 Warenhäuser und zwei sogenannte Schnäppchen-Center dicht gemacht. Der Zeitpunkt ist noch ungewiss.
Das trifft rund 6000 der 28.000 Arbeitsplätze im letzten großen deutschen Warenhauskonzern, wegen Teilzeitverträgen zieht das laut Süddeutscher Zeitung die Entlassung von rund 7500 Menschen nach sich. Schließen sollen weiterhin rund 20 Karstadt-Sport-Häuser und 100 der 130 Reisebüros.
„Wir wissen, was dies für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet. Aber dieser Schritt ist ohne Alternative, weil diese Filialen den Gesamtbestand des Unternehmens gefährden“, sagte der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Arndt Geiwitz.
Umsatzverlust in Milliardenhöhe durch Corona und die Folgen
Er erwartet, dass Corona und die Folgen dem Konzern bis Ende 2022 einen Umsatzverlust von 1,4 Milliarden Euro bringt. Ohnehin war das Kaufhaus-Geschäft schon vor Corona schlecht gelaufen. Karstadt und Galeria Kaufhof suchten deshalb im Jahr 2019 in einer Fusion die Rettung. Danach machten sie einen kleinen Gewinn. Jetzt gehe es darum, das Unternehmen und damit viele tausend Arbeitsplätze zu sichern, versicherte Geiwitz.
Der Wirtschaftsprüfer und Insolvenzspezialist, von der österreichischen Eigentümer-Holding Signa des Unternehmers René Benko eingesetzt, führt das Unternehmen seit Anfang April an der Seite des Insolvenzverwalters Frank Kebekus. Der Konzern hatte nach dem Corona-bedingten Umsatzeinbruchs ein sogenanntes Schutzschirmverfahren beantragt, um sich mit einem Insolvenzplan sanieren zu können. Unter dem „Schutzschirm“ ruhen Forderungen von Gläubigern.
Das wurde nötig, weil die Kaufhäuser seit dem 18. März weitestgehend geschlossen waren. Seit 21. April wurden sie schrittweise und zunächst nur teilweise wieder geöffnet.
Deckelung von Abfindungen auf 2,5 Bruttogehälter
Der Gewerkschaft ist es im Rahmen von Verhandlungen zu einem Sozialplan und einem Interessenausgleich zumindest gelungen, die Zahl der Schließungen von ursprünglich erwarteten 80 auf 62 zu verringern. Um über die Schließungen hinausgehende Härten zu vermeiden, soll es die ursprüngliche Personalkürzung von zehn Prozent in den verbleibenden Häusern nicht geben, sagte Erika Ritter. Die Warenservice-Teams, die die Produkte in den Filialen einräumen und präsentieren, werden nicht aus dem Unternehmen ausgegliedert.
Angesichts der Deckelung von Abfindungen auf 2,5 Bruttogehälter sei es gelungen, eine Beschäftigungs- und Fortbildungsgesellschaft zu erstreiten, in der die Entlassenen für sechs Monate unterkommen können. Schließlich werde auch der sogenannte Integrationstarifvertrag, der die Eingliederung der Kaufhof-Mitarbeiter in den Karstadt-Konzern regelte, nicht über 2024 hinaus verlängert, was weitere Härten verhindere.
Hinsichtlich der Zukunft der verbleibenden Häuser verwies Ritter auf die laufende Einbeziehung der Mitarbeiter in die Zukunftsplanung, was Arbeitsbedingungen, Warenbeschaffung, bedarfsgerechte Lieferung und Qualität angehe. „Sparen ist kein Konzept“, erklärte die Gewerkschaftssekretärin. Man brauche moderne Warenhäuser. „Der Duft der 70er und 80er Jahre wird sie nicht nach vorne bringen.“
Bezirk Lichtenberg kündigt Widerstand an
All diese Pläne stehen allerdings noch unter einem Vorbehalt: Die Vermieter der verbleibenden Filialen müssten einer Mietminderung zustimmen. Tun sie es nicht, trifft die Schließung weitere Häuser, heißt es in der Vereinbarung zwischen ver.di und Gesamtbetriebsrat auf der einen, Kebekus und Geiwitz auf der anderen Seite. Am kommenden Montag soll der Gläubigerausschuss über die Pläne beraten. Senken seine Mitglieder den Daumen, muss das Unternehmen in ein normales Insolvenzverfahren.
Der doppelt betroffene Bezirk Lichtenberg kündigte Widerstand an. Bürgermeister Michael Grunst (Linke): „Das können wir nicht hinnehmen.“ Die Warenhäuser seien für Anwohner und Gäste ein „integrationsprägender Bestandteil“ beider Center.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigte sich betroffen: „Die angekündigte Schließung der Filialen ist ein schwerer Schlag, vor allem für die Beschäftigten - aber auch für die Kieze. Die Filialen sind von zentraler Bedeutung für die Nahversorgung und sind oftmals Lebensmittelpunkt der Stadtquartiere. Ich werde mich in meinen weiteren Gesprächen für die Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze und für den Warenhaus-Standort Berlin einsetzen.“
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) erklärte entsprechend: „Das sind dramatische Entscheidungen – für Deutschland, aber insbesondere auch für Berlin und für die Beschäftigten. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen treibt die Sorge um ihre Zukunft um, wir werden mit dem Insolvenzverwalter und den Beschäftigten das Gespräch suchen, um Wege zur Rettung von Standorten und Arbeitsplätzen auszuloten." Der Senat biete dabei seine Unterstützung an.
Stefanie Nutzenberger aus dem ver.di-Bundesvorstand kündigte weitere Anstrengungen an: „Wir werden mit aller Kraft für die Erhaltung der Standorte und die Zukunft der Beschäftigten kämpfen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ Hier sei auch die Politik gefordert.
Jenseits der drohenden Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter sei für die jeweilige Umgebung der betroffenen Häuser durch die Schließung eine Katastrophe zu erwarten, meint die Berliner Gewerkschafterin Erika Ritter. Der benachbarte Einzelhandel dort habe von den Warenhäusern bislang gut profitiert, das falle weg.
Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund warnte schon bei Bekanntwerden der ersten Schließungspläne im Mai vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädte. „Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant. Gerade für viele strukturschwächere Innenstädte sei ein Verlust der Warenhäuser nach seiner Einschätzung kaum auszugleichen.