Wie Berliner in Corona-Zeiten ihr Glück suchen – und finden
Es regnet oder schneit, die Stadt ist grau, es ist Januar. Und dazu kommen Ängste und Sorgen aufgrund der Corona-Pandemie. Wie kann man dem entkommen? Berliner erzählen.

Foto: Volkmar Otto
Es heißt, es gibt viele Wege zum Glück. Und dazu gehört, nicht unentwegt zu Jammern. Gabi Maaß nickt, fügt nachdenklich hinzu: „Aber das ist zurzeit gar nicht so einfach.“ 65 Jahre alt ist die Berlinerin, die in Prenzlauer Berg wohnt. Mit ihrem Mann betreibt sie seit 22 Jahren eine Imbissbude.
Ab acht Uhr steht sie jeden Sonnabend und Mittwoch in ihrem Imbiss in Charlottenburg auf dem Markt am Karl-August-Platz und verkauft Kaffee und Currywurst. „Es ist nicht einfach, sich in diesen Zeiten Auszeiten zu nehmen“, sagt sie. „Aber ich versuche, alles Schlimme so fern wie möglich von mir weg zu halten. Ich mache das Beste daraus, und lasse mich nicht mehr von anderen so runterziehen.“
Auszeit von Corona: In den sozialen Medien helfen sich Menschen gegenseitig
Hat sie einen Tipp an andere? „Ich kann nur raten, alles mal hinter sich zu lassen. Sich ein Projekt zu suchen. Unseres ist, sonntags mit dem Auto durch Berlin zu fahren. Jeden Stadtteil abzuklappern und damit die Stadt neu kennenzulernen. Dabei habe ich wieder mal festgestellt, wie schön es hier ist. Manche Stadtteile sind wie Dörfer, man fühlt sich wie auf dem Land.“
Auszeit von Corona. Für viele ist das längst ein Thema - auch, um nicht ganz durchzudrehen. Corona trifft die Menschen beim zweiten Lockdown gefühlt noch härter, sagen Psychologen. Und viele haben keine Lust mehr auf den Lockdown, wollen endlich wieder zu einem normalen Leben zurück. Zu dem Blues der Pandemie, die nicht in den Griff zu bekommen scheint, gesellt sich neben der Angst, krank zu werden, noch das Grau des Januars.
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In den sozialen Netzwerken bauen sich die Menschen täglich gegenseitig auf. Erzählen, wie sie sich das Leben versüßen. Sei es, einmal am Tag wenigstens zehn Minuten spazieren zu gehen. Mit dem Stricken anzufangen oder zum Serienjunkie zu werden. Andere schreiben Tagebuch, backen Brot oder kneten Nudelteig selbst. Es gibt viele Möglichkeiten abzuschalten.

Foto: Volkmar Otto
Wie halten das die Berliner? „Ich fahre ganz oft Rad, mal nach Spandau oder in den Tegeler Forst“, sagt Peter Vieroth: „Das lenkt mich ab und gibt mir ein gutes Gefühl.“ 62 ist der Vorruheständler. Er steht vor uns in Regenjacke, mit Maske und einem Regenschirm. „Ich würde gerne verreisen, doch leider geht das nicht. Also mache ich Urlaub in meiner Stadt – das baut mich auf. Man denkt weniger über diese Zeiten nach.“ Wo wollte er hinreisen? „Nach Bayern. Doch dort ist die Lage auch nicht besser. Und zurzeit ist es eben auch nicht ratsam, die Stadt zu verlassen.“
Ortrud Prawda (72) ist Käsehändlerin. Sie sagt: „Ich reise gedanklich jeden Abend an die schönsten Strände der Welt. Ich mache mir eine Kerze an, schließe die Augen und stelle mir vor, wie mich die Sonne wärmt und ich meine Füße in den Sand eingrabe. Das hilft mir, das alles durchzustehen.“ Wenn sie Zeit hat, geht sie spazieren. „Sonst drehe ich durch“, sagt sie. Corona mache etwas mit uns, ist sie sicher. „Die Menschen reagieren darauf. Es ist sehr schwierig oft, gelassen zu bleiben.“

Foto: Volkmar Otto
Aber das müsse sie. Denn sonst habe sie Angst, dass diese Zeit ihr körperlich und seelisch schade. „Es ist ganz wichtig, sich selbst Halt zu geben und dafür zu sorgen, dass man sich nicht runterziehen lässt“, sagt sie. Ihre kleine Schippe Glück sei, wenn alle in ihrem Umfeld gesund blieben.
„Man muss einfach sein Leben aufrecht erhalten, auch wenn es nicht so einfach ist“, sagt Thomas Mennich. Der 65-Jährige: „Es ist schon bitter, wenn plötzlich alle sozialen Kontakte wegbrechen.“ Doch es sei auch eine Zeit, mal wieder in sich zu gehen. „Die Gedanken im Kopf sind ausschlaggebend. Wer alles negativ sieht, der wird auch schlechtes erleben.“
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Anja Kranjcevic aus der Nähe von Oranienburg ist glücklich, auf dem Land zu wohnen. Die 24-Jährige: „Ich mache Yoga und bin, wenn ich Zeit habe, viel, viel draußen. Außerdem puzzele ich, das habe ich neu entdeckt.“ Sie versuche ferner, schlechte Nachrichten auszublenden. „Ein Freund von mir hat sich inzwischen von allem verabschiedet. Den sozialen Medien, dem Fernsehen – nur, um wieder an schöne Dinge im Leben zu denken.“ Und das helfe. Da ist sie sicher.