Kay Fischer (50) mit Erpel Adalbert (5).
Kay Fischer (50) mit Erpel Adalbert (5). Fotos: Berliner KURIER / Sabine Gudath

Viele Berliner sehen sie in den Parks der Stadt – und ignorieren sie weitestgehend: Die Enten, die in den Grünanlagen Berlins leben. Für Kay Fischer ist die Welt der Wasservögel eine ganz eigene, faszinierende. Seit mehr als 15 Jahren beobachtet der 50-Jährige die Enten im Steglitzer Stadtpark. Er gibt ihnen Namen, freundet sich mit ihnen an, erlebt mit ihnen sogar kleine Abenteuer – und hat nun ein Buch darüber geschrieben.

Schon 2003 begann der Berliner, die Vögel im Park zu beobachten. Die Leidenschaft dafür wurde Fischer in die Wiege gelegt, erzählt er. „Mein Vater war Hobby-Vogelkundler, er beschäftigte sich aber vor allem mit Meeresvögeln“, sagt der Steglitzer. Ihn selbst faszinierten die Enten schon, als er noch ein kleiner Steppke war. „Wenn Kinder nicht einen Hund oder eine Katze haben, sind die Enten im Park die ersten Tiere, die ihnen begegnen. Und auch ich kam schon als kleiner Junge mit ihnen in Kontakt, als ich hier spielte. Ich fand die Tiere sofort spannend – als wir in der Schule töpferten, bastelte ich keine Schale und keinen Krug, sondern eine Ente aus Ton.“

Erst später begann er, sich intensiver mit den Enten zu beschäftigen. Der Knoten sei geplatzt, als die erste „Enten-Freundschaft“ entstand, erzählt er. „Es war ein heißer Tag, ich saß am Wasser“, sagt er. Eine der Enten, die er am Tag zuvor beobachtet hatte, schwamm zu ihm, ließ sich am Ufer neben ihm nieder. Sie schmiegte sich mit dem nassen Gefieder an sein Bein. „Diesen Moment, dieses vertrauensvolle Gefühl wollte ich immer wieder erleben.“

Kay Fischer ist täglich zwei Stunden im Park, kommt den Enten ganz nah.
Kay Fischer ist täglich zwei Stunden im Park, kommt den Enten ganz nah. Foto: Berliner KURIER/Sabine Gudath

Täglich ist Fischer, der als Buchhalter arbeitet, zwei Stunden im Park, meist in den Abendstunden. Im Laufe der Zeit lernte er so zahlreiche Enten kennen, gab ihnen Namen: Nach Elfriede kamen unter anderem Adele, Siegfried, Stürmi, Niedlichguck und Radieschen. Drei Enten habe er durch ihr ganzes Leben begleitet. Wer Fischer durch den Park folgt, lernt einige kennen. Zum Beispiel Adalbert, Fischers Liebling. Zwischen allen Erpeln erkennt er ihn sofort – woran, das verrät er nicht. Doch sie kennen sich länger: Adalbert  lässt sich sogar auf Fischers Hand nieder.

Fischer hat immer Haferflocken dabei. Er sei kein großer Fan des Fütterns, „denn viele Parkbesucher übertreiben es, obwohl die Vögel alles finden, was sie zum Überleben brauchen“. Aber auch für einen Enten-Flüsterer gilt: „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, sagt er und lächelt. Dass die Tiere ihm vertrauen und ihm so nahe kommen, liege vor allem daran, dass er für sie ein Ruhepol ist. „Enten sind eigentlich Fluchttiere. Aber wenn ich mich ans Ufer setze, strahle ich Ruhe aus, was für sie sehr wichtig ist. Denn die Parks werden leider mehr und mehr zur Event-Fläche. Die Besucher feiern, trinken, hören Musik.“ 

Wenn er am Ufer sitzt, strahlt er Ruhe aus – wichtig für die Vögel, sagt Fischer.
Wenn er am Ufer sitzt, strahlt er Ruhe aus – wichtig für die Vögel, sagt Fischer. Foto: Berliner KURIER/Sabine Gudath

Welche der Wasservögel er beobachtet, protokolliert er – außerdem die Anzahl der Küken im Frühjahr. Und auch ihr Verhalten erforscht er. Einmal sei ihm etwa aufgefallen, dass eine Enten-Gruppe immer wieder in eine bestimmte Richtung aus dem Park flog. „Über Tage folgte ich Ihnen, stellte mich immer an einem weiter entfernten Ort in der Flugrichtung auf, um zu beobachten, wohin sie wollten.“ Sogar in der Silvesternacht sei er einmal hier gewesen, erzählt er. Er setzte sich ans Ufer, um zu schauen, was die Böllerei mit den Vögeln machte. „Sie schwammen ganz aufgeregt hin und her – und immer, wenn es knallte, änderten sie ihren Kurs. Für sie muss es sich anfühlen wie ein Weltuntergang.“ Enten seien, das sagt er manchmal, wenn er von ihnen erzählt, letztlich „auch nur Menschen“.

Er füttert nicht viel, nur gelegentlich ein paar Haferflocken. „Denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, sagt Fischer.
Er füttert nicht viel, nur gelegentlich ein paar Haferflocken. „Denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, sagt Fischer. Foto: Berliner KURIER/Sabine Gudath

Auch besondere Geschichten kann Fischer erzählen – etwa jene von der Ente, die er „Maus“ taufte. Er lernte sie kennen, baute eine Verbindung auf – und bewachte sogar ihre kleinen Küken, damit sie ein Schläfchen machen konnte. Doch dann, im nächsten Jahr, der Bruch. „Plötzlich hielt sie mich auf Abstand, kam mir nicht mehr nahe. Vielleicht hatte sie mit einem anderen Menschen etwas Unschönes erlebt“, sagt Fischer. „Als ich Geburtstag hatte, ging ich morgens in den Park und traf sie. Ich sagte: ‚Maus, ich habe heute Geburtstag. Ich gehe jetzt in den Zoo. Und wenn ich heute Abend wiederkomme, würde ich mich freuen, wenn du mir deine Küken vorstellst.‘“. Am Abend kam er zurück. Maus saß mit ihren Küken am Ufer. „Als sie mich sah, hob sie den Kopf – so, als würde sie ihren Küken einen Befehl geben. Die Kleinen standen auf und watschelten zu mir. Das war das schönste Geschenk aller Zeiten.“

Dass ihn für solche Geschichten manche Menschen belächeln, versteht Fischer. Doch: Viele Park-Besucher sprechen ihn an, wenn er am Ufer sitzt und mit den Vögeln auf Tuchfühlung geht. Auch Führungen durch den Park hat er schon angeboten – und nun erzählt er im Buch „Ente Kompetente“ (Mariposa, 14 Euro) seine Enten-Geschichten. „Berlin ist die Stadt der Extreme – da bin ich mit meinem Hobby guter Durchschnitt“, sagt er und lächelt. Zum Glück ist er mit seiner Leidenschaft nicht allein: Auch seine Freundin beobachtet Tiere, bei ihr sind es Eichhörnchen. Haustiere will Fischer trotz allem nicht, auch wenn es nahe liegt. „Denn meine Haustiere leben im Park.“