Ein Meteorit im Garten?
Ein Berliner Kleingärtner glaubt, einen Stein aus dem Weltall gefunden zu haben. Im Naturkundemuseum werden Funde wie dieser untersucht.

In einem Berliner Kleingarten liegt jahrelang ein Stein. Hinter einem niedrigen Maschendrahtzaun ruht er auf einem Koniferenstumpf. Jahrelang geht ein Nachbar daran vorbei und beäugt den Stein, der anders aussieht als die anderen. „Nun lass doch“, sagt die Ehefrau. Doch der Nachbar lässt nicht. Was, wenn die Gartennachbar dort, ohne es zu wissen, einen Außerirdischen drapiert hat? Könnte das hier nicht ein Teil eines Meteoriten sein?
Ein Feuerschweif am Himmel, ein Knall. Treten Meteore mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Sekunde in die Erdatmosphäre ein, verglühen sie meist oder fallen unbemerkt irgendwo ins Wasser. Schätzungen von Experten gehen davon aus, dass weltweit im Jahr 19.000 Brocken aus dem All bei uns landen. 14 wären das pro Jahr heruntergerechnet im Bundesgebiet.
Der Entdecker des Kleingarten-Steins will nicht, dass sein Name in der Zeitung steht. Wenn dies wirklich ein Meteorit ist, wie Hans Müller, so nennen wir ihn, glaubt, könnte das Begehrlichkeiten wecken. Nur unter dieser Bedingung erzählt er, wie er sich schließlich doch ein Herz fasste und die Parzellennachbarn auf den Stein ansprach.
„Er war viel schwerer, als man vermuten würde“, erinnert Müller sich. Als er einen Erdbeermagneten vom Kühlschrank an den Stein hielt, erweist er sich als leicht magnetisch. Auf der Seite des Instituts für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ist eine Checkliste für potentielle Meteoriten veröffentlicht. Müller beantwortet alle Fragen mit „Ja“.
Seit die Nachbarn, auf deren Grundstück der Stein lag, im Internet von Meteoritenjägern gelesen haben, die für besonders schöne Stücke hohe Beträge ausgeben, liegt der Stein nicht mehr hinter dem Maschendrahtzaun, sondern in der Laube. „Vielleicht müsst ihr bald einen Tresor kaufen“, scherzt Müller.
Im Naturkundemuseum hat Dr. Ansgar Greshake seit 23 Jahren wöchentlich mehrere solcher Anfragen. Menschen schicken Fotos und Steine und immer schwingt die Hoffnung auf einen Volltreffer mit. Greshake ist der Kurator der Meteoritensammlung im Hause, international gefragter Experte auf dem Gebiet der Klassifikation von Meteoriten.

In seiner gesamten Zeit hat er noch nie einen Meteoritenfund eines Privatmannes auf diesem Wege zu Gesicht bekommen. „Meteoritewrongs, wie sie auch genannt werden, machen die große Masse aller verdächtigen Funde aus“, sagt er. Greshake hat in seinem Büro im Museum eine Sammlung von falschen Meteoriten, der älteste von 1902. Meist werden im Berliner Raum Geschiebe, also in der Eiszeit per Gletscher aus Skandinavien kommende Brocken, verwitterte Sandsteine oder Feuersteine von der Ostsee fälschlich für Meteorite gehalten. Auch technische Produkte aus Stahlwerken und Gießereien, Schlacken, die in Baugruben verfüllt oder im Wald verklappt wurden, sorgen immer wieder für Verwechslungen. Ansgar Greshake kann meist schnell aufklären. „Aber lieber zu viel bringen und untersuchen als zu wenig“, sagt er.
Auch Hans Müllers Stein erweist sich unter den Augen des Experten als technisches Produkt aus einem Hochofen. Um dies zu bestimmen muss Greshake noch nicht einmal die Elektronenstrahlmikrosonde anwerfen, die auf dem Computer Bilder auswirft, die an Hirnscans erinnern. Ein kurzer Blick genügt und der Traum vom Sensationsfund ist ausgeträumt.