Sebastian Herges gießt am Rand vom Park am Buschkrug einen Baum. 
Sebastian Herges gießt am Rand vom Park am Buschkrug einen Baum.  dpa/Fabian Sommer

Unter den enormen Hitzetagen in diesem Sommer leidet die Natur. Selbst die Geschöpfe, die groß und stark erscheinen, müssen gegen die Trockenheit ankämpfen und wären über jeden Regentropfen dankbar. Die Straßenbäume in Berlin drohen zu verdursten, wenn wir Menschen sie nicht retten. Und es gibt Berliner, die dies zu ihrer Mission gemacht haben – wie Sebastian Herges (43) aus Neukölln.

Drei Mal pro Woche schnappt er sich mehrere Gießkannen. Damit will Herges aber keine Blumen im Garten versorgen - sondern vertrocknete Stadtbäumen in Berlin. „Ich kümmere mich als Anwohner ehrenamtlich um die Bäume im Viertel“, erzählt er. Die Gießkannen füllt er dafür an öffentlichen Pumpen auf, packt sie auf seinen Fahrradanhänger und zieht los. Als Gründer der Initiative „BerlinerBäumeWässerer“ will er Stadtbäume vor der Trockenheit bewahren. Auch über die Berliner Plattform „giessdenkiez“ vernetzen sich dafür Hunderte Bürger.

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Die lange Trockenphase der vergangenen Wochen hat nicht nur die Wälder in Deutschland mitgenommen. Warum der Einsatz vieler Gießhelfer, wie Sebastian Herges, wichtig ist?  „Stadtbäume können mit der Trockenheit noch viel schwerer umgehen, als die Bäume im Wald“, erklärt Christian Ammer, Professor für Forstwissenschaften und Waldökologie an der Universität Göttingen.

Der Grund: In den Städten haben die Bäume oft weniger Platz für ihre Wurzeln. Im Boden können sie deswegen Wasser schlechter aufnehmen als im Wald. Gleichzeitig bekommen sie zu viel Sonne ab, da sie häufig isoliert an den Straßen stehen. „Je stärker ein Baum von allen Seiten besonnt wird, desto mehr Wasser verliert er auch“, sagt Ammer.

Stadtbäume leiden noch mehr unter der Trockenheit als ihre Artgenossen in den Wäldern

Für junge Bäume in der Stadt ist die Trockenheit besonders herausfordernd. „Sie haben noch keine großen Wurzeln und können nur wenig Wasser nachschaffen“, so Ammer. Gleichzeitig sind sie in Bodennähe besonders starker Hitze ausgesetzt. Um gegen den Trockenstress anzukämpfen, rollen viele Bäume deswegen ihre Blätter ein. Manche werfen sie sogar ganz ab - und das mitten im Hochsommer. In der Folge spenden diese Bäume weniger Schatten. Die Strategien helfen auch nur kurzfristig. „Die Bäume sind dann geschwächt und können sich schlechter gegen Schädlinge wehren“, erklärt der Professor. In den Städten habe dieses Problem aktuell vor allem die Kastanie mit der Miniermotte, einem winzigen Schmetterling.

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Vertrocknete Zweige von einem Kugelahornbaum sind auf dem Gendarmenmarkt vor der Kuppel des französischen Doms zu sehen. Ein Zeichen, wie Bäume unter der Hitze leiden.
Vertrocknete Zweige von einem Kugelahornbaum sind auf dem Gendarmenmarkt vor der Kuppel des französischen Doms zu sehen. Ein Zeichen, wie Bäume unter der Hitze leiden. dpa/Jens Kaläne

Berlin verliert jährlich 1100 Straßenbäume

Laut einem Baumreport des Umweltverbandes BUND aus 2021 werden in Berlin jährlich mehr Stadtbäume gefällt als nachgepflanzt. Im Schnitt verliert die Hauptstadt dadurch rund 1100 Bäume pro Jahr, sagt BUND-Referentin Afra Heil. Viele Bäume würden wegen Bauprojekten gefällt. Aber auch Sturm- und Trockenschäden zählten zu den Gründen. Für ausreichende Neupflanzungen fehle den Kommunen oft der Wille oder das Fachpersonal zur anschließenden Pflege, so Heil.

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Auch die Baumschulen, in denen die Stadtbäume heranwachsen, müssen Strategien finden, um mit dem Klimawandel umzugehen, sagt Bernhard von Ehren, Vizepräsident des Bundes deutscher Baumschulen (BdB). Da weitere trockene Sommer erwartet würden, müsse man nach neuen Baumarten aus anderen Teilen der Welt suchen. Zu solchen robusteren „Klimabäumen“ zählen etwa die Hopfenbuche, der persische Eisenholzbaum sowie der Amberbaum und die Gleditschie aus Nordamerika. Auch die Zelkove aus Asien könnte in deutschen Städten künftig häufiger gepflanzt werden. „Diese Bäume leben jetzt in einem Klima, dass wir auch zukünftig hier erwarten müssen“, so von Ehren.

Sebastian Herges ist mit seiner Gießkanne im Bäume-Rettungseinsatz. „Wenn ich mal nicht kann oder nicht da bin, macht das hier auch leider keiner“, sagt er.
Sebastian Herges ist mit seiner Gießkanne im Bäume-Rettungseinsatz. „Wenn ich mal nicht kann oder nicht da bin, macht das hier auch leider keiner“, sagt er. dpa/Fabian Sommer

Der Neuköllner Sebastian Herges ist nicht allein auf Rettungsmission.  Um die Bäume in Zeiten der Trockenheit zu schützen, riefen mehrere Bezirksämter in den vergangenen Wochen ihre Bürger auf, selbst zur Gießkanne zu greifen. Auch Umweltverbände appellierten zum Bäumegießen.

Retter der Straßenbäume hofft auf mehr Mitstreiter

Die Verantwortung sieht der BdB-Vizepräsident jedoch nicht nur bei einzelnen Bürgern, sondern vor allem bei den Städten und Kommunen selbst. „Vor allem junge Stadtbäume bräuchten eine professionelle, dokumentierte Begleitung. Daran wird leider häufig gespart“, so von Ehren. Nötig seien auch größere Pflanzengruben mit sauerstoffhaltiger Erde sowie weniger Versiegelungen durch Beton, Pflastersteine und Asphalt. „Wenn ab und zu mal jemand mit einer kleinen Gießkanne vorgeht, ist das gut gemeint“, so von Ehren. Es reiche jedoch nicht.

Ein Stadtbaum verträgt laut BUND-Referentin Heil auch mehr als eine Gießkanne, nämlich wöchentlich etwa 80 bis 100 Liter. Damit die Flüssigkeit an heißen Tagen nicht so schnell verdunstet, sollte am besten frühmorgens oder am Abend gegossen werden.

Auch Ehrenamtler Sebastian Herges füllt für jeden Baum mehrere Gießkannen. Der 43-Jährige weiß, dass er die Bäume in seinem Viertel nicht ganz alleine retten kann und hofft auf noch mehr Mitstreiter. „Wenn ich mal nicht kann oder nicht da bin, macht das hier auch leider keiner“, so Herges. Von Gegenstimmen lässt er sich jedoch nicht aufhalten. „Mir kann keiner verbieten, einen trockenen Baum im Park zu gießen. Ich will mich als Anwohner mitkümmern.“