Ein Leben für das Bauen: Die schönsten Geschichten des Bundes-Bau-Bosses a. D.
Der frühere Präsident des Bundesamts für Bauwesen plaudert Witziges, Peinliches und Erhellendes aus.

Es bleibt ein Rätsel, warum ein unterhaltsames Buch mit so einem Titel gestraft wird: „Bauten, die Staat machen“ von Florian Mausbach lädt nicht gerade zum Kauf ein. Die knapp 20 Euro aber sind gut angelegt. Denn der 2009 in Pension gegangene Präsident des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) schildert auf 250 Seiten gut gelaunt und mit bewundernswerter Gedächtnisleistung Bauprojekte des Bundes in Deutschland und der Welt, aufgelockert mit (nicht immer komischen) Anekdoten.

Mausbach präsentiert sich zunächst als aufbegehrenden Studenten, der mit seiner „Basisgruppe“ von Architektur-Kommilitonen im aufrührerischen West-Berlin ein Büro für Stadtsanierung und soziale Arbeit gründet, 1970 erfolgreich gegen den Abriss des aufgegebenen Bethanien-Krankenhauses am Kreuzberger Mariannenplatz kämpft und für die Erhaltung der alten Bauten.
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Man muss die unter seiner Ägide entstandenen oder angestoßenen Bundesbauten nicht mögen, als Beispiel mag die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes an der Chausseestraße dienen. Viele sehen sie als öde Masse, gesichtslos und überwältigend.

Gleichzeitig ist es komisch zu lesen, dass ein Grüner 1982 bei einer US-Besichtigungstour Mausbach, dem während eines zweijährigen China-Aufenthalts zum Hochhaus-Fan mutierten damaligen Bau-Verantwortlichen von Frankfurt/Main, ins Ohr flüsterte: „Ich darf es ja nicht laut sagen, aber ich finde Hochhäuser toll!“
Warum das Bundespräsidialamt „hellschwarz“ wurde
Gar nicht toll fanden Bundespräsident Roman Herzog und besonders seine Frau Christiane, was die Architekten sich für das neue Bundespräsidialamt neben dem Schloss Bellevue ausgedacht hatten: Eine kohlpechrabenschwarze, polierte Marmorfassade.
Mausbach, 1996 gerade ein Jahr als BBR-Präsident im Amt, sollte für helleren, graugrünen Granit sorgen. Mausbach: „,Nur für das Badezimmer‘, murmelten die Architekten.“ Mit Mühe wurde ein Kompromiss gefunden: Anthrazitfarbiger Stein, in dessen nicht ganz schwarzer, polierter Oberfläche sich das Grün der Bäume spiegele.

Deutsche Vorschriften sind nicht immer die richtige Lösung
Aus dem Norden Italiens schwappte auch Ärger ins BBR. Am Comer See hatte die Bundesrepublik das Anwesen Villa Vigoni geerbt, und ein Journalist deckte den „Badezimmer-Skandal“ auf: In hochherrschaftliche Räume, die zu Gästezimmern für das heutige „Deutsch-Italienische Zentrum für den Europäischen Dialog“ umgebaut wurden, sollten „Nasszellen“ gepfropft werden. Das wurde abgebogen, man muss jetzt über den Flur ins historische, wenn auch modernisierte Badezimmer …

Wenig komisch waren die Erfahrungen beim Bau der 2002 fertiggestellten deutschen Botschaft in Kiew und der Sanierung eines Gebäudes für das dortige Goethe-Instituts. Mausbach zitiert seinen Bauleiter, der von vielerlei „Gebühren“ berichtete, in einer „Vielfalt, der nur zu begegnen war, wenn man sich dumm oder taub stellte“.
Skandale in Kiew und eine empörte Chefin des Goethe-Instituts
Am Goethe-Institut gab es einen Unfall mit zwei toten Bauarbeitern, Erpressung durch und Rausschmiss des Bauunternehmens. Fakten, die Mausbach bei der Eröffnung in seiner Rede erwähnte. Mausbach: „Dies war der Leiterin des Goethe-Instituts zu viel. Sie stürzte auf die Bühne, um mir das Mikrofon zu entreißen. Vergeblich.“

Die offiziellen Besucher applaudierten Mausbach begrenzt, aber am Ausgang wurde ihm von zwei Ukrainerinnen für seine offenen Worte gedankt.
Wie der Architekt David Chipperfield eine Peinlichkeit im Neuen Museum entschärfte
Geradezu irrwitzig gestaltete sich 2009, kurz vor Ende von Mausbachs Tätigkeit als BBR-Präsident, eine protokollarische Verwirrung zwischen Bauministerium, BBR und Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es ging um die Übergabe des symbolischen Schlüssels für das wieder hergestellte Neue Museum an den Stiftungspräsidenten Hermann Parzinger. Erst sollte Mausbach diese Aufgabe übernehmen, dann nicht, dann doch, und da wollte er nicht mehr.

Das führte zu einer peinlichen Pause, nachdem alle Reden geredet waren, denn es gab niemanden, der den überdimensionierten Schlüssel hätte übergeben können. Wenn der denn überhaupt da gewesen wäre.
Der Architekt, der die Wiederherstellung der einstigen Kriegsruine geplant hatte, rettete die Situation. Mausbach: „Da springt David Chipperfield ein, nestelt an seinem Schlüsselbund und überreicht dem Präsidenten der Stiftung – seinen Kellerschlüssel.“
Warum werden Bundesbauten fast immer teurer als geplant? Darum:
Wenigstens sei der Bau billiger geworden als geplant, was wohl eher die Ausnahme ist. Mausbach erklärt es en passant mit der Steigerung der Kosten für die BND-Zentrale von 720 Millionen auf eine Milliarde Euro: „Dazu muss man wissen, dass das Bundesfinanzministerium stets ein möglichst enges Kostenkorsett schnürt. (…) Selbst die jährlich zu erwartenden Baupreissteigerungen dürfen im Budget nicht berücksichtigt werden.“
Am Ende sei es immer die Bauverwaltung, die „mit dem Schaden auch den Spott hat“.

Mausbach schildert die Umgestaltung des 1997 aufgegebenen „Regierungsbunkers“ im Ahrtal in ein Museum, die Einrichtung einer Jugendherberge im Prora-Komplex, spottet über den Sesselstoff-Streit mit der Botschafter-Gattin bei der Sanierung der deutschen Botschafterresidenz „Palais Beauharnais“ in Paris. Er legt dar, wie es zu bienenfreundlichen Beeten im Hof des Arbeitsministeriums kam, in dem mal Goebbels‘ Propagandaministerium saß, und wechselt dann in die Gegenwart: Ein typischer Rentner, hat er keine Zeit, weil er so viel zu tun hat.
Typisch Rentner: Keine Zeit!
Nicht nur, dass er (wie vom KURIER berichtet) den Wiederaufbau einer kriegszerstörten Villa Ludwig Mies van der Rohes in Gubin an der Neiße anstrebt: Sein Sohn, der in Warschau lebt, hatte ihn auf die Idee gebracht, 2017 ein Denkmal an die Millionen Polen vorzuschlagen, die im 2. Weltkrieg während der Kämpfe und der deutschen Besatzung getötet wurden. Auf dem Askanischen Platz an der Ruine des Anhalter Bahnhofs.

Damit wäre das Vermächtnis eines 2015 verstorbenen Mannes erfüllt, der in Auschwitz gesessen und 1944 am Warschauer Aufstand teilgenommen hatte. Und dennoch nach dem Krieg unter anderem als polnischer Außenminister für eine Aussöhnung mit Deutschland eintrat: Wladyslaw Bartoszewski.
Seit 2017 setzt sich Mausbach für ein Denkmal ein, das die Millionen polnischer Kriegsopfer ehrt
2020 griff der Bundestag die Forderung auf. Man darf gespannt sein, wann das Denkmal fertig ist.
Florian Mausbach: Bauten, die Staat machen. Erinnerungen und Geschichten von den Baustellen der Berliner Republik. Berlin Story Verlag, 19,95 Euro.