Fertige Tesla vom Typ Model Y stehen auf dem Werksgelände in Grünheide.
Fertige Tesla vom Typ Model Y stehen auf dem Werksgelände in Grünheide. Eckel/imago

Seit einem Jahr läuft die Produktion von Tesla in Brandenburg, aus den Schlagzeilen ist das Werk in Grünheide aber bis heute nicht gekommen. Erst ging es um das für die Gigafactory benötigte Wasser, das in Brandenburg knapp ist, später um ungerechte Bezahlung der Mitarbeiter, schlechte Arbeitsbedingungen, Lieferkettenprobleme, einen Großbrand auf dem Gelände. Vor einem Jahr war nicht nur Tesla-Chef Elon Musk bei der Eröffnung der Fabrik in Grünheide bei Berlin, auch Kanzler Olaf Scholz kam. Das Werk des Autobauers hat viele Fans, aber auch viele Kritiker.

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Die Fabrik wirkt wie ein Raumschiff, das mitten im Grünen gelandet ist. Ein Jahr ist es her, dass Tesla sein E-Auto-Werk im Wald von Grünheide eröffnet hat, gut 30 Kilometer östlich von Berlins Mitte. Heute ist Tesla mit rund 10.000 Mitarbeitern Brandenburgs größter Industriearbeitgeber – damit hat das Unternehmen sein Ziel der ersten Ausbaustufe von 12.000 Mitarbeitern fast erreicht. Doch die Produktion fährt erst hoch.

Tesla in Grünheide: „King Kong“ hilft bei der Montage der Autos

Über 500 Roboter helfen im Werk, darunter „King Kong“: Die große Maschine hebt die Karosserie auf ein Förderband. Über 4000 Autos rollen pro Woche vom Band – etwa 200.000 Fahrzeuge im Jahr. Die Zielmarke der ersten Ausbaustufe von 500.000 Autos im Jahr ist damit noch nicht mal zur Hälfte erreicht. Tesla-Chef Elon Musk hat jedoch noch mehr vor.

Musk blickt bereits in die weitere Zukunft: Nicht weniger als eine Million Autos im Jahr sollen künftig in Brandenburg hergestellt werden. Der erste Antrag für den Ausbau der Produktion ist beim Land Brandenburg bereits gestellt, weitere Anträge – zum Beispiel für zusätzliche Gebäude – sollen folgen. Die Batteriefabrik in Grünheide liefert bisher nur zu, der Schwerpunkt liegt wegen der hohen Förderungen erst mal in den USA. Für den Ausbau des Werks braucht der Tesla-Chef auch genügend Arbeitskräfte.

Das war Auto Nummer eins im März vor einem Jahr: Ein  Model Y von Tesla läuft in Grünheide vom Band.
Das war Auto Nummer eins im März vor einem Jahr: Ein Model Y von Tesla läuft in Grünheide vom Band. Pleul/AFP

Nach Angaben der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder) hat Tesla zunehmend Probleme, Mitarbeiter zu finden. Gesucht werden Instandhalter, Elektriker, Maschinen- und Anlagenführer, Schichtleiter und Meister. „Wir haben gut 1400 Arbeitslose zu Tesla vermittelt“, sagt Agenturchef Jochem Freyer. „Etwa die Hälfte war zuvor langzeitarbeitslos und hat Leistungen vom Jobcenter bezogen.“

Die Mängelliste ist lang: So liegen die Löhne bei Tesla im Schnitt etwa zehn bis 15 Prozent unter Tarif

In etwas mehr als zwei Jahren hat Tesla sein Werk – Gigafactory genannt – hochgezogen, bis die Genehmigung des Landes Brandenburg kam. Kanzler Olaf Scholz (SPD) könnte vom „neuen Deutschland-Tempo“ sprechen, wie beim Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven. Mit seinem straffen Zeitplan sorgt das Unternehmen für Druck innerhalb der Autoindustrie, steht aber auch im Zentrum von Kritik.

Die IG Metall sorgt sich um die Arbeitsbedingungen. Das hohe Tempo dürfe nicht zulasten der Mitarbeiter gehen, warnt IG-Metall-Bezirksleiterin Irene Schulz. Die Mängelliste sei lang: So lägen die Löhne bei Tesla im Schnitt etwa zehn bis 15 Prozent unter Tarif. Für Unmut sorgten auch belastende Schichtsysteme, häufige Mehrarbeit am Wochenende und hohe Arbeitsbelastung durch Personalmangel und viele Ausfälle wegen Krankheit. Tesla unternehme nicht genug, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Unternehmen weist Kritik zurück. Tesla halte sich an Gesetze, die betrieblichen Regeln seien in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat abgestimmt.

Mehr als 500 Roboter helfen im Werk bei der Montage, darunter auch „King Kong“.
Mehr als 500 Roboter helfen im Werk bei der Montage, darunter auch „King Kong“. Pleul/dpa

Nach Ansicht von Umweltverbänden kollidieren Gigafactory, Schutzgebiete und Grundwasser. Seitdem Musk seine Pläne angekündigt hat, befürchten sie Risiken, denn ein Teil des Werksgeländes liegt in einem Wasserschutzgebiet. Das Industrieunternehmen hantiere dort mit gefährlichen und wassergefährdenden Stoffen „nach Gutdünken“, heißt es von der Grünen Liga Brandenburg.

Die Alleingänge von Elon Musk: Schon mehrmals führte Tesla Arbeiten ohne Genehmigung durch

Das Wasser ist ein großer Streitpunkt im vergleichsweise trockenen Brandenburg. Gegen die Vorgabe, dass der lokale Wasserverband Strausberg-Erkner in alle grundwasserrelevanten Fragestellungen einbezogen werden muss, legte das Unternehmen erfolgreich Widerspruch ein. Das ist umstritten, doch die Behörden in Brandenburg versichern, es gebe genug Kontrollen. Nach mehreren Vorfällen ohne Genehmigung – etwa beim Einbringen von Pfählen – hat Tesla zugesagt, verstärkt darauf zu achten.

Für den Ausbau braucht Tesla mehr Wasser und Strom. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Musk in einem Brief Unterstützung zugesagt und will noch vor dem Sommer eine passende Lösung für die Probleme bei der Versorgung mit Wasser und Strom finden. Der Naturschutzbund Nabu, die Grüne Liga und der Verein für Natur und Landschaft reagierten darauf mit großem Unverständnis. Eine Bewilligung der vom Wasserverband beantragten erhöhten Wassermengen steht wegen einer Klage der Verbände noch aus.

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Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der kürzlich Teslas Werk in Austin (Texas/USA) besuchte, betont: „Es geht nicht darum, bis zum Sommer alle Probleme gelöst zu haben, sondern dabei zu unterstützen, dass es für einen Investor zeitnah belastbare Zeitpläne für die Lösung anstehender Aufgaben gibt.“ Tesla ist aus seiner Sicht ein Zugpferd für weitere Investoren: „Nach wie vor spüren wir den Sog bei den Ansiedlungsanfragen.“

Das Werk der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin. Die wenigsten Mitarbeiter können sich selbst einen Tesla leisten.
Das Werk der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin. Die wenigsten Mitarbeiter können sich selbst einen Tesla leisten. Pleul/dpa

Die Grünen sehen das Projekt als Chance, warnen aber vor Risiken. Die Ansiedlung von Tesla habe Brandenburg erst auf den Schirm internationaler Investoren gerückt, sagt Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Doch: „Die Debatte um den Wasserverbrauch hat uns aber zugleich vor Augen geführt, wie begrenzt die natürlichen Ressourcen gerade angesichts der Klimakrise sind.“

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Tesla hat zugesichert, für den weiteren Ausbau kein neues Frischwasser zu benötigen. Das Unternehmen will das Abwasser aus der Produktion komplett wiederverwerten. Damit würde es bei der vertraglichen Maximalmenge von 1,4 Millionen Kubikmetern Wasser bleiben. Und beim Wasser erkundet Tesla selbst weitere Vorkommen.

Der Autobauer will auch transparenter werden: So sollen in den Anträgen für den Ausbau die Eckpfeiler der weiteren Pläne stehen. Weitere Infoveranstaltungen für Interessenten sind geplant. Ob es mal Werksführungen geben wird, um unter anderem „King Kong“ zu besichtigen, ist allerdings noch offen.