Berliner Herr der Ringe hat ein großes Herz für kleine Turmfalken
Stefan Kupko, hauptberuflich in einer Vivantes-Rettungsstelle tätig, beschäftigt sich seit 45 Jahren mit den Greifvögeln. Er beobachtet und beringt Vögel aus etwa 100 Nistkästen, die er zumeist auch selbst gebaut hat.

Sie jagen gern Spatzen, fressen mitunter schon mal Döner-Reste oder nisten in Blumenkästen auf Balkonen: „Die Berliner Turmfalken haben sich an das Leben in der Großstadt gewöhnt“, sagt Hobby-Ornithologe Stefan Kupko. Er und andere Ehrenamtliche haben derzeit viel zu tun: Die Jungvögel müssen beringt werden.
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Kupko, im Hauptberuf Krankenpfleger in einer Vivantes-Rettungsstelle, beschäftigt sich schon seit 45 Jahren mit den Greifvögeln, inspiriert durch seinen damaligen Biologielehrer, einen Falkner. Der 58-Jährige beobachtet und beringt im Westteil der Stadt Vögel aus etwa 100 Nistkästen, die er zumeist auch selbst gebaut hat.
Dönerreste, Kotelettknochen, Reste von Eidechsen, Maulwürfen und Fledermäusen gehören zum Menü der Stadt-Falken
Am Dienstag waren die Jungtiere im Wasserturm auf dem Gelände der Vivantes-Klinik in Berlin-Neukölln an der Reihe - eine schweißtreibende Angelegenheit. Zunächst gilt es, 40 Meter zu erklimmen. Dann wiegt, vermisst und beringt Kupko jeden einzelnen Vogel. Die flauschigen Tierchen, wenige Wochen alt, wiegen weniger als 300 Gramm.

Teilweise untersucht er auch das Innenleben der Nistkästen, bestimmt die Federn der Beutevögel. „Wir haben so bereits 40 verschiedene Vogelarten als Beutetiere festgestellt“, so Kupko. Neben Federn und Dönerresten habe er auch schon Kotelettknochen, Reste von Eidechsen, Maulwürfen und in seltenen Fällen auch von Fledermäusen gefunden - ein bunter Speiseplan der Stadt-Falken. Bei den Artgenossen auf dem Lande stünden vor allem Kleinnager wie Mäuse auf dem Speiseplan.
Ringe geben Auskunft über Lebensdauer und Vogelzug der Falken
Die Ringe sind eine Art Reisepass für die Vögel. Sie geben Auskunft über Lebensdauer oder auch Vogelzug. Seine Daten sendet Kupko regelmäßig nach Halle, wo sie im Projekt Monitoring Greifvögel und Eulen Europas (MEROS) für Deutschland ausgewertet werden.

Laut MEROS-Projektleiter Ubbo Mammen sind die Berliner Daten eine Besonderheit. Es sei die einzige Großstadt bundesweit, aus der solche Datenreihen kämen. „Außerdem ist die Datenreihe mit gut 30 Jahren eine der längsten“, so Mammen. „Hut ab vor dieser Leistung", sagt er mit Blick auf Kupko. Mit etwa 480 Quadratkilometern sei seine Beobachtungsfläche auch sehr groß. Üblich seien eher 50 Quadratkilometer, oder auch 100 bis 200 Quadratkilometer.
„Ich habe ein großes Netzwerk. Umweltschützer vom Nabu, Anwohner oder auch Behörden melden mir immer wieder Brutplätze, da ich gar nicht alles allein überblicken kann“, erzählt Kupko.
2020 gab es mindestens 300 Paare in Berlin.“
MEROS-Projektleiter Ubbo Mammen
Die Greifvögel bauen keine eigenen Nester, sondern suchen sich beispielsweise Nischen in Mauern. Insgesamt gebe es in Berlin zudem mehr als 300 Nistkästen, 70 Prozent der Turmfalken nisten laut Kupko in ihnen. „Weil wir so viele Kästen gebaut haben, entwickelt sich der Bestand so positiv“, sagt er. „2020 gab es mindestens 300 Paare in Berlin.“ Aufgrund des milden Winters seien das Nahrungsangebot gut und die Verluste bei den Jungtieren relativ gering gewesen.

Einige Kästen sind auch mit Kameras ausgestattet. Das Innenleben lässt sich im Internet verfolgen, etwa das der Vivantes-Falken: „Die Falkenkästen beobachten wir seit 2016 mit einer Webcam. In den letzten fünf Jahren sind dort insgesamt 35 Turmfalkenkinder flügge geworden, einige wurden dieses Jahr auch schon auf dem Tempelhofer Feld beobachtet“, berichtet Vivantes-Referentin Astrid Steuber.
Berliner Stadtfalken erschließen sich erfolgreich den Lebensraum Großstadt
„Stefan Kupko konnte durch seine Markierungsarbeit, die die Vögel individuell wiedererkennbar macht, schön zeigen, dass die Berliner Stadtfalken nicht nur die Abgedrängten aus anderen Lebensräumen sind, sondern dass die Art sich sehr erfolgreich den Lebensraum Großstadt erschließen und hier einen gesunden Bestand aufbauen konnte, der sich offensichtlich auch alleine trägt“, sagt Wolfgang Fiedler von der Zentrale für Tiermarkierung „Vogelwarte Radolfzell" vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. Außerdem lasse sich mit den Berliner und anderen Daten gut belegen, dass Turmfalken durchaus wanderfreudig sein könnten: „Während ein Großteil der Vögel ganzjährig im selben Gebiet lebt, wandern einige im Winter nach Südwesten ab, manche bis Nordafrika“, so Fiedler.
Doch es lauern auch Gefahren in der Stadt: durch die zunehmende Verdichtung etwa. Am gefährlichsten seien Häuser mit Glasfronten, so Kupko. Erst kürzlich sei wieder ein Turmfalke gegen eine Glasfront geflogen und habe sich das Genick gebrochen. „Wir machen uns Sorgen, dass es durch die zunehmende Verdichtung der Stadt für Turmfalken auch schwerer werden könnte, Nahrung zu finden“, ergänzt Wildtierexpertin Katrin Koch vom Naturschutzbund.