Ich mach was mit IT: Der Spott ist in Berlin nicht recht angebracht, weil die Branche boomt.
Ich mach was mit IT: Der Spott ist in Berlin nicht recht angebracht, weil die Branche boomt. Fabian Sommer/dpa

Das streichelt die Seele der Berliner und der Märker drumherum: Die Wirtschaft Berlins und Brandenburgs hat 2022 stärker zugelegt als in den Wirtschaftswunderländern Bayern und Baden-Württemberg. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Berlin stieg um 4,9 Prozent (2021: 3,3 Prozent), wie das Amt für Statistik unter Berufung auf erste Berechnungen am Donnerstag mitteilte. In Brandenburg wuchs die Wirtschaft um 3,3 Prozent. Das war der höchste Wert aller ostdeutschen Flächenländer.

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Gleichzeitig war das Wachstum stärker als in Bayern (2,1) oder Baden-Württemberg (1,4 Prozent) und auch höher als der Bundesdurchschnitt (1,8 Prozent). Allerdings liegt die Wirtschaftsleistung in den beiden Südländern pro Erwerbstätigen deutlich höher – 2021 betrug das BIP in Berlin pro Beschäftigtem beispielsweise knapp unter 78.000 Euro, in Bayern über 86.000 Euro (Brandenburg: Knapp unter 70.000).

Höchstes Wirtschaftswachstum Berlins seit 2016

Selbst für Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) war 2022 dennoch eine Überraschung: „Die 4,9 Prozent Wirtschaftswachstum haben unsere bisherigen Erwartungen deutlich übertroffen. In einem Jahr der Stapelkrisen und großer Transformationen hat Berlin das höchste Wirtschaftswachstum seit 2016 eingefahren.“ Das ließe ihn optimistisch auf das laufende Jahr blicken.

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Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) zeigt, wohin es mit der Berliner Wirtschaft geht: Aufwärts.
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) zeigt, wohin es mit der Berliner Wirtschaft geht: Aufwärts. Soeren Stache/dpa

Prozentual das größte Wachstum in Berlin gab es mit 14 Prozent in den Bereichen Information und Kommunikation sowie Finanz- und Versicherungsdienstleister mit 12,3 Prozent. Nach dem Wegfall fast aller Corona-Schutzmaßnahmen legten die Dienstleistungsbereiche um 6,2 Prozent zu.

Einen Zuwachs um 5,6 Prozent gab es in dem während der Pandemie besonders stark eingeschränkten Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe. Dagegen ging die Wirtschaftsleistung im produzierenden Gewerbe um 3,4 Prozent und im Baugewerbe um 3,5 Prozent zurück.

Viele kleinere und mittlere Unternehmen: Das macht Berlins Wirtschaft stark

„Hier zeigt sich wieder die Stärke unserer Wirtschaftsstruktur: Wir sind vielleicht kleinteiliger und haben nicht die eine dominierende Branche, aber genau das erweist sich als großer Vorteil der Hauptstadt“, sagte Schwarz. Außerdem habe Berlin eine „unglaublich agile“, wissensbasierte Wirtschaft.

„Mit 14 Prozent Plus ist der Bereich Information und Kommunikation schlicht durch die Decke gegangen und war zusammen mit dem Dienstleistungssektor auch der wesentliche Treiber auf dem Arbeitsmarkt“, sagte Schwarz. „Mit 70.800 neuen Beschäftigungsverhältnissen im Jahr 2022 und damit einem Zuwachs um 3,4 Prozent über alle Branchen hinweg steht Berlin bundesweit auf Platz eins.“ Berlin sei bundesweit am besten durch das Krisenjahr gekommen.

Industrie in Berlin im Rückwärtsgang

Der industrielle Rückgang in Berlin dürfte unter anderem der Abwanderung von Betrieben geschuldet sein. Denn in Brandenburg verzeichneten das verarbeitende Gewerbe mit 13,4 Prozent, das produzierende Gewerbe mit 5,2 Prozent deutliche Zugewinne. Die Dienstleistungsbereiche legten mit 2,7 Prozent weniger stark zu. Im Baugewerbe gab es unter anderem aufgrund gestiegener Kosten einen Rückgang um 2,8 Prozent.

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg
Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg Ralf Günther/dpa

„Die Wirtschaft in der Hauptstadtregion hat allen Widrigkeiten zum Trotz ein starkes Jahr 2022 hingelegt“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. „Angesichts von Krieg, Energiepreisschock und Lieferketten-Problemen ist das mehr als beachtlich.“

IT-Wirtschaft mit den stärksten Zuwächsen in Berlin, Brandenburg industrialisiert sich

Seit Jahren sei die Dynamik in Berlin größer als im Bundesdurchschnitt. Das Gewicht der Hauptstadtwirtschaft nehme zu. „Einmal mehr meldete die IT-Wirtschaft das höchste Plus. Hier zeigt sich, dass die Hauptstadt beim Strukturwandel erfolgreich ist.“ Die Industrie habe dagegen mit den Folgen des Ukraine-Kriegs zu kämpfen gehabt.

Brandenburg habe sich in beeindruckendem Tempo zu einem echten Industrieland entwickelt. „Die Investitionen von Tesla und vielen anderen Unternehmen aus der Elektromobilität zeigt sich deutlich in den Zahlen“, sagte der UVB-Hauptgeschäftsführer. „2023 dürfte das Wirtschaftswachstum deutlich verhaltener ausfallen. Eine Rezession bleibt uns allerdings erspart, und auch der Arbeitsmarkt verhält sich sehr robust“, sagte Amsinck. „Wir hoffen auf Wachstumsimpulse durch den Start der neuen Regierung in Berlin.“