DDR-Musiker gestorben

Ed Swillms: Jetzt haben Karat ihren Paul McCartney verloren

Der Musiker ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Er war die musikalische Seele der DDR-Kultband, die mit ihren Songs deutsche Rockgeschichte schrieb.

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Ed Swillms hochkonzentriert an seinem Arbeitsplatz - dem Keyboard. 
Ed Swillms hochkonzentriert an seinem Arbeitsplatz - dem Keyboard. Star Media/Imago

Die Beatles hatten John Lennon und Paul McCartney, bei den Rolling Stones waren es Mick Jagger und Keith Richards, die für die großen Hits und den unvergleichlichen Sound ihrer Band verantwortlich waren. Solche Musiker, die quasi die musikalische Seele einer Band sind, sind selten.

Die DDR-Gruppe Karat hatte das große Glück, so jemanden in ihren Reihen zu haben. Ulrich „Ed“ Swillms, der an seinem Keyboard eher unscheinbar hinten auf der Bühne stand, aber dafür sorgte, dass die 1975 gegründete Band zu einem strahlenden Juwel in der ost- und gesamtdeutschen Rockmusik wurde.

Der Mann, der der Hit-König von Karat war. Mit 76 Jahren ist der Berliner jetzt gestorben. Bereits Ende Juli. In aller Stille wurde Ed Swillms am Montag beigesetzt. So wollte es die Familie des Musikers, teilte die Band auf ihrer Facebook-Seite erst dann mit, als die Trauerfeier längst beendet war. „Unsere Gedanken sind bei Eds Familie und Freunden. Seine Lieder leben in uns für immer weiter“, schreiben die Karat-Musiker.

In der Tat: Die DDR-Band hat Ed Swillms viel zu verdanken. Als Karat 1975 aus der Vorgänger-Band „Panta Rhei“ entstand, in der Swillms Mitglied war, gehörte der Keyboarder zu den Gründungsmitgliedern der neuen Band. Und er sorgte für den brillanten, fast sphärischen Sound, der über Jahrzehnte das Markenzeichen von Karat war. Swillms war ein Meister darin, zauberhafte, ja eindringliche Melodien zu schaffen, die einem bis heute nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Karat im Gründungsjahr 1975:  Keyboarder Ulrich Ed Swillms, Gitarrist und Sänger Herbert Dreilich, Sänger Hans-Joachim Neumann, Bassist Henning Protzmann
Karat im Gründungsjahr 1975: Keyboarder Ulrich Ed Swillms, Gitarrist und Sänger Herbert Dreilich, Sänger Hans-Joachim Neumann, Bassist Henning ProtzmannGueffroy/Imago

Karat-Musiker Ed Swillms: Er schuf Melodien, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen

Songs wie das über acht Minuten lange Lied „Albatros“ gehören zu den Karat-Juwelen, die Swillms schuf. „Schwanenkönig“, „König der Welt“, Lieder, die DDR-Rockgeschichte schrieben. Dazu gehörte auch das  Album „Der blaue Planet“, das 1982 in beiden Teilen Deutschlands erschien und damals auch die Musikwelt im Westen aufmischte.

Die Band, damals noch mit Herbert Dreilich am Mikro (er starb 2004), wurde in der Bundesrepublik zu jener Zeit geradezu überhäuft mit Preisen. Mit „Der blaue Planet“ eroberte Karat die Top-Ten der Album-Verkaufscharts, erhielt als erste DDR-Band eine Goldene Schallplatte im Westen Deutschlands. City hatte dies nur mit „Am Fenster“ Jahre zuvor in Griechenland geschafft.

Die Ur-Besetzung von Karat:  Keyboarder Ulrich Ed Swillms, Sänger Hans-Joachim Neumann, Sänger Herbert Dreilich (AUT), Bassist Henning Protzmann, Gitarrist Bernd Römer, Schlagzeuger Michael Schwandt.
Die Ur-Besetzung von Karat: Keyboarder Ulrich Ed Swillms, Sänger Hans-Joachim Neumann, Sänger Herbert Dreilich (AUT), Bassist Henning Protzmann, Gitarrist Bernd Römer, Schlagzeuger Michael Schwandt.Gueffroy/Imago

Vergoldet wurde auch die Single „Jede Stunde“ aus dem „Blauen Planet“-Album. Und Karat waren damit in jeder wichtigen Musik-Sendung des Westfernsehens. In der „Disco“ (ZDF) mit Ilja Richter fing es an – und dann hatten Herbert Dreilich und Co. mit diesen Song als erste DDR-Künstler ihren Auftritt in der ZDF-Hitparade und in „Wetten, dass..?“.

In dieser Show kam der Mann, der sonst auf der Bühne nur an der Seite, ja schon fast im Hintergrund agierte, nun endlich in das verdiente Rampenlicht. Der damalige „Wetten, dass..?“-Moderator Frank Elstner hatte Swillms nach vorne geholt, als er dem Publikum Karat vorstellte. Denn es galt einen Irrtum aufzuklären. Elstner sagte, als er am Keyboard von Karat-Legende Ed Swillms stand: „Ed ist der Komponist des wunderschönen Liedes ,Über sieben Brücken musst du geh'n‘.“ Den Karat-Song hatte 1980 Peter Maffay gecovert und im Westen zum Hit gemacht. Doch nur wenige wussten, dass das Lied eigentlich von der DDR-Band stammte.

Bei der Ost-Rock-Klassik-Tour stand 2009 Ed Swillms (2. v. re.) mit den Karat-Kollegen  Bernd Römer, Sänger Claudius Dreilich , Bassist Christian Liebig, Schlagzeuger Michael Schwandt und Keyboarder Martin Becker auf der Bühne.
Bei der Ost-Rock-Klassik-Tour stand 2009 Ed Swillms (2. v. re.) mit den Karat-Kollegen Bernd Römer, Sänger Claudius Dreilich , Bassist Christian Liebig, Schlagzeuger Michael Schwandt und Keyboarder Martin Becker auf der Bühne.Star Media/Imago

Karat-Hit „Über sieben Brücken“: Das Meisterwerk von Ed Swillms

„Über sieben Brücken“ ist bis heute ein Meisterwerk der deutschen Rockmusik, der eigentlich für einen Film des DDR-Fernsehens entstand.  Weltstars wie Chris de Burgh oder René Kollo haben diesen einmaligen Song aufgenommen. „Ich finde diesen Text genial. Auch die Melodie, die schon fast klassisch ist und weit über einen Schlager oder einer Rocknummer hinausgeht“, schwärmte Opernsänger René Kollo über das von Swillms komponierte „Sieben Brücken“ in einem KURIER-Interview.

1987 entfernte sich Ed Swillms von Karat, der offiziell die Band nie verlassen hatte. Nur ab und zu war der Keyboarder noch bei Karat-Auftritten dabei. Sein Verschwinden war schon fast geheimnisvoll. Im Buch „Das vermutlich allerletzte Ostrock-Buch“ des Berliner Musik-Journalisten Christian Hentschel, das 2020 erschien, erklären die Karat-Musiker Claudius Dreilich und Bernd Römer, warum Ed Swillms nicht mehr in der Band so mitwirkte, die eigentlich sein Lebenswerk war.

Und wieder gibt es Gold: Ed Swillms, Bernd Römer und Christian Liebig nehmen bei einem Konzert in der Wuhlheide die Auszeichnung entgegen (2008).
Und wieder gibt es Gold: Ed Swillms, Bernd Römer und Christian Liebig nehmen bei einem Konzert in der Wuhlheide die Auszeichnung entgegen (2008).Kai Horstmann/Imago

„Uns hat er gesagt, dass er sich in eine ganz andere Richtung entwickelt hat“, sagte damals Claudius Dreilich in dem Buch. Und Bernd Römer ergänzte: „Und er sagte, dass er alles geschrieben hat. Wir hatten ,Albatros‘, ,Sieben Brücken‘ und ,Schwanenkönig‘ – so etwas will er nun nicht mehr. Es soll jetzt mehr Soul und Blues sein, und er hat in dieser Richtung auch schon einiges gemacht. Natürlich ist fraglich, ob es einmal herauskommt.“

Wenn es um Veröffentlichungen von Liedern ginge, sei Swillms „nicht so hinterher“, meinte Dreilich in dem Buch. „Ihm ist die unmittelbare Arbeit an der Musik wichtiger als alles, was danach kommt. Seine neuen Kompositionen sind wirklich gut, aber sie haben mit Karat nichts mehr zu tun“, sagte der Sänger. „Zudem denkt Ed dabei an englische Liedtexte. Wir würden also alles, was wir an Karat-Werten haben, über Bord werfen. Das wollen wir logischerweise nicht.“

Und auch Swillms wollte das nicht. Auch wenn er neue musikalische Wege ging, Karat war ihm immer eine Herzenssache. Er verfolgte bis zuletzt aufmerksam die Geschehnisse in der Gruppe. Und es gab nicht nur Lob.

Anfang des Jahres kritisierte er im KURIER das überraschende Ausscheiden von Karat-Bassist Christian Liebig („An Christians fachliches Können kann es nicht gelegen haben“) und Karat-Schlagzeuger Michael Schwandt. „Mir tut es richtig weh“, sagte damals Swillms. „Was da in der Band passiert, gefällt mir gar nicht. Das letzte Juwel der deutschen Rockmusik ist gerade dabei, sich abzuschaffen.“

Es waren harte Worte. Ed Swillms sagte sie, weil er Karat liebte. Seine grandiose Musik, die er für dies Band schuf, werden für immer unvergessen bleiben. In der Tat: Mit dem Tod von Ed Swillms haben Karat nun ihren Paul McCartney für immer verloren.