Nicht auf unserem Pausenhof!
Schulwahnsinn in Berlin: Dringend benötigter Neubau wieder auf der Kippe
An der Oberseeschule in Alt-Hohenschönhausen soll ein „modularer Ergänzungsbau“ gebaut werden. Der Bezirk braucht dringend Schulplätze, aber Eltern wehren sich gegen den Standort.

Die einen wollen den modularen Schulneubau unbedingt, die anderen auf gar keinen Fall. Jedenfalls nicht auf dem eigenen Schulhof, nicht, wenn alte Linden gefällt werden müssen. In Alt-Hohenschönhausen schwelt seit langem ein Streit um einen modularen Ergänzungsbau (MEB), der dringend benötigten Platz für Grundschüler im Bezirk schaffen würde. Nach der Neuwahl in Berlin stellt die neue CDU-Schulstadträtin den bisher beschlossenen Bau nun wieder infrage.
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Darum geht’s: Die drei Grundschulen Brodowin-Schule, Orankeseeschule und Schule am Wilhelmsberg im Lichtenberger Ortsteil Alt-Hohenschönhausen platzen aus allen Nähten.
Seit Jahren erhöhen sich die Zahlen der Schüler und Schülerinnen. Horträume wurden in Klassenräume umgewandelt, Klassen werden größer und größer. Manchmal lernen bis zu 27 Kinder in einer Klasse. An den drei Schulen sind derzeit jeweils mindestens eine Klasse mehr untergebracht als ursprünglich geplant.
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Die Grundschule am Wilhelmsberg gibt ihre gesamte obere Etage an die Gutenberg-Oberschule ab, weil sonst dort Kinder in anderen Bezirken zur Schule müssten.
450 Hortkinder in sechs Räumen
Was diese drangvolle Enge bedeutet, weiß Anja Paasch. Ihre Zwillinge gehen in die dritte Klasse der Grundschule am Wilhelmsberg. „Wenn die Schulen immer voller werden, ist keine gute Bildungsarbeit möglich“, sagt sie und schildert die alltägliche Situation im Hort an Regentagen. Dann teilen sich 450 angemeldete Hortkinder sechs Räume und vier Toiletten im MEB auf dem Schulhof, der bei Regen noch dazu wegen eines volllaufenden Drainagebeckens weiter verkleinert wird.
Auch das Bezirksamt Lichtenberg schreibt auf seiner Website: Alle Schulen in der Schulplanungsregion 2 haben bereits jetzt mehr Schüler aufgenommen, als sie Kapazitäten haben. Der Bedarf an Schulplätzen werde in den kommenden Jahren weiter sehr stark steigen. Den Bedarf verdeutlicht auch eine weitere Grundschule in der Schleizer Straße. Sie eröffnet im Sommer 2023 neu, eigentlich waren drei Klassen geplant, nun startet sie mit fünf ersten Klassen.
Fast 1000 Schulplätze fehlen 2024 in Lichtenberg
Ohne die neue Schule in der Schleizer Straße und ohne das noch zu bauende hölzerne MEB an der Oberseeschule werde es bis zum nächsten Schuljahr 2023/24 rund 740 Schulplätze zu wenig geben, ist auf der Seite des Bezirksamts zu lesen. Im Schuljahr 2024/2025 erwartet man ein Defizit von nahezu 930 Plätzen. Nun ist es mit Zahlen und Prognosen immer so: Der Senat rechnet stets mit einem niedrigeren Bedarf, die Bezirke mit mehr Schülern. Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, in der Mitte.

Klar ist, dass volle Schulen von einer Entlastung im Einzugsgebiet schon jetzt profitieren würden. Denn auch die 190 Kinder, die in Unterkünften für Geflüchtete leben und auch beschult werden sollen, sind noch gar nicht mit eingerechnet. Dennoch steht der Neubau des MEB an der Oberseeschule auf der Kippe.
Wieder einmal muss man sagen, denn das Hickhack um den Standort, für den auch eine Reihe alter Linden gefällt werden müsste, zieht sich schon über Jahre hin.
Nicht auf unserem Schulhof – Kampf gegen MEB
2015 hatte die Oberseeschule den modularen Neubau selber beantragt, die Schülerzahlen stiegen. Dann machte man an der Schule im Einfamilienhausviertel einen Rückzieher. Seitdem kämpft der Förderverein der Oberseeschule gemeinsam mit der CDU, die hier Wählerstimmen einheimsen konnte, gegen den MEB auf dem eigenen Schulhof.
Im letzten Jahr hatte die Grünen-Stadträtin Filiz Keküllüoğlu den Bau des MEB in die Wege geleitet. Die neue Schulstadträtin Dr. Catrin Goksch will den Bau nun erneut ergebnisoffen prüfen und stellt das Grünen-Projekt aufs Abstellgleis. Die Leidtragenden sind Grundschüler in Alt-Hohenschönhausen, die wegen der ungerechten Verteilung unter Platznot ächzen.

„Die Obersee-Grundschule, Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, 2006 modernisiert, neue Mensa, großer Sportplatz, Klassenräume mit Corona-Belüftungen, der Schulhof so schön wie ein Park, mit Spielplätzen, Tischtennisplatten und mehr als hundert Jahre alten Linden. Ein Kinderparadies“, schrieb die Berliner Zeitung schon im vergangenen Jahr. Die Oberseeschule sei eine kleine Insel im rauer werdenden Großstadtmeer. Die Eltern hier wollen das für ihre Kinder erhalten. Verständlich. Doch dass sich dafür Kinder an anderen Schulen stapeln, nehmen sie in Kauf.
Laut Schulgipfel im Februar 2022 ist die Oberseeschule die einzige Schule ohne fatale Überbelegung in Alt-Hohenschönhausen bis zum Schuljahr 2025/26. Sie sei jetzt dran mit Verdichtung, wie sie überall stattfindet, heißt es von den Eltern der anderen Grundschulen im Bezirk. Die Ungleichverteilung empfinden sie als ungerecht, ebenso, dass die Finanzierung von drei Schul-Gesundheitsfachkräften an den Schulen zum Dezember eingestellt werden soll.
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Diese Stellen seien wichtig für die Kinder, die ohne Brotdose in die Schule kämen, die über Bauchschmerzen und Unwohlsein klagen, weil sie es zu Hause schwerer haben. Die Probleme im Bezirk sind so ungleich verteilt wie die Schulplätze. Und sie sind jetzt real.
Erst in 17 Jahren sinken die Schülerzahlen
Die neue Stadträtin argumentiert indes mit Zahlen, die weit in die Zukunft schauen. Der Senat habe unveröffentlichte Zahlen, wonach die Schülerzahlen bis 2040 – also in 17 Jahren – wahrscheinlich abnehmen. Heute aber brauchen Grundschüler im Umkreis von zwei Kilometern zum Wohnort einen Schulplatz, ebenso die Kinder, die in neuen Willkommensklassen lernen.
In der letzten BVV-Sitzung ging zwar ein Dringlichkeitsantrag von Linke/SPD/Grünen („Ja zum MEB Obersee-Schule“) mit knapper Mehrheit durch, dennoch fürchten die Eltern an den drei vollen Grundschulen, dass der Bau, der Platz für 216 Kinder schaffen würde, nicht realisiert wird.
Eltern wollen endlich ein klares Bekenntnis zu dem Bau, nicht weitere Prüfungen
Norman Wolf, Fraktionschef der Linken in Lichtenberg sagt: „Die CDU will einen einen Schulbau verhindern , der dringend nötig wäre, weil sie die Anwohner und ihre Wählerschaft am Obersee nicht verärgern will. Das ist völlig verantwortungslos.“
Anja Paasch und ihre Mitstreiter wollen endlich ein klares Bekenntnis zu dem Bau, nicht weitere Prüfungen. „Sonst rutschen wir auf der Prioritätenliste wieder ganz nach unten“, fürchten sie. Auf der Unterschriftenliste sind in wenigen Tagen fast 1800 Stimmen zusammengekommen.