Diskriminierung durch Berliner Behörden: Immer mehr Fälle werden gemeldet
Immer mehr Menschen machen von ihrem Recht gebrauch, es zu melden, wenn sie in Berlin von Behörden diskriminiert werden.

Vor knapp drei Jahren, am 21.06.2020 ist das Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft getreten. Seither hat sich die Möglichkeit, Fälle zu melden, immer weiter herumgesprochen. Die Beschwerden, die bei der zuständigen Ombudsstelle eingereicht werden, sind vielfältig – und es gibt immer mehr von ihnen.
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Diskriminierung durch Berliner Behörden: So viele Beschwerden wie nie
Während es im Jahr 2022 noch 645 und 2021 613 Hinweise gab, waren es allein im ersten Quartal dieses Jahres 205 Beschwerde, wie Leiterin Doris Liebscher berichtete. Das seien 45 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, sagte die Juristin. Bei den Beschwerden gibt es nach ihren Angaben drei große Themenkomplexe: Rassismus (2022: 36 Prozent), Behinderung (24 Prozent) und Geschlecht/geschlechtliche und sexuelle Identität (12 Prozent). Diese Zahlen entsprächen den Statistiken anderer Beratungsstellen.
Derzeit verzeichne ihre Einrichtung eine „große Beschwerdelast im Bereich Bildung“, so Liebscher. „Es hat sich rumgesprochen, dass es uns gibt.“ Zudem sei sie mit den Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen sowie Beratungsstellen für Schuldiskriminierung in Kontakt. „Derzeit sind wir die einzige staatliche Stelle, die Diskriminierungen im Bereich der Bildung behandelt.“
Diskriminierung durch Berliner Behörden: Viele Beschwerden über Ämter
Die meisten Beschwerden erreichen Liebscher und ihr Team nach eigenen Angaben im Zusammenhang mit Behördenkontakt - etwa nach dem Gang zum Gesundheits-, Standes- oder Jugendamt oder der Kfz-Zulassungsbehörde. „Das sind Ämter, mit denen die Menschen im ganz Alltäglichen zu tun haben - und wo es für sie um etwas geht.“ Ein weiterer Bereich seien Sicherheit und Ordnung - also Erfahrungen mit Polizei, Ordnungsamt oder Security-Firmen etwa bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).
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Menschen mit Migrationsgeschichte erlebten bei Behörden schnell Mehrfachdiskriminierungen, so Liebscher. Aber auch bei tauben oder schwerhörigen Menschen gebe es großes Potenzial für Diskriminierung. Obwohl die Gebärdensprache eine anerkannte Sprache sei, fehle es an entsprechenden Dolmetschern bei den Behörden. „Bei den Mitarbeitenden herrscht dann viel Unsicherheit im Umgang mit den Menschen - und daraus resultiert dann Diskriminierung.“ Solche individuellen Fälle offenbarten auch strukturelle Diskriminierung. Dazu zähle die Sprache in Formularen aber auch, ob eine Behörde barrierefrei zugänglich ist.
Diskriminierung durch Behörden: Berliner geht mit Gesetz voran
Berlin ist bislang das einzige Bundesland, das ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz hat. Es soll die Menschen vor Diskriminierung seitens der Behörden schützen und Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Land Berlin ermöglichen. Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich an die betroffene Behörde wenden oder an die Ombudsstelle, die bei der Justizverwaltung angesiedelt ist. Dann wird der Vorwurf geprüft und zunächst nach Lösungen jenseits von Klagen gesucht. Betroffene werden aber auch bei Klagen unterstützt.
Der bislang prominenteste Fall ist die Entschädigungsklage einer Frau, die wegen ihres nackten Oberkörpers eines Wasserspielplatzes verwiesen wurde. Diese blieb 2022 vor dem Landgericht Berlin ohne Erfolg. Der Fall wird die Justiz weiter beschäftigen, weil die Frau Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Unabhängig davon hat die Ombudsstelle erreicht, dass der Spielplatz seine Nutzungsordnung ergänzt hat und der freie Oberkörper für alle Besucher erlaubt ist.
„Wir haben den Auftrag, außergerichtlich zu schlichten“, erklärte Liebscher. Das gelinge oft. „Viele Menschen wollen nicht klagen. Es geht um eine Entschuldigung. Um die Anerkennung, dass dem Menschen ein Unrecht geschehen ist - und dass es nicht wieder passiert.“
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Etwa gut ein Drittel der Fälle, die die Ombudsstelle erreichen, fallen nicht unter das LADG, berichtete Liebscher. Es handele sich um Diskriminierung auf der Arbeit, durch private Vermieter oder Ladendetektive, die schwarze Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollierten. Dies Menschen würden qualifiziert beraten und an entsprechende Organisationen verwiesen. „Das kostet Zeit. Aber wir wollen die Menschen an die richtige Stelle verweisen“, betonte sie.