Ibrahim G. (20, Mitte) musste sich wegen des Unfalls und seiner Fahrerflucht vor Gericht verantworten. Jetzt muss er 60 Stunden Freizeitarbeit leisten. Dahinter sitzt sein Verteidiger, links die Dolmetscherin.
Ibrahim G. (20, Mitte) musste sich wegen des Unfalls und seiner Fahrerflucht vor Gericht verantworten. Jetzt muss er 60 Stunden Freizeitarbeit leisten. Dahinter sitzt sein Verteidiger, links die Dolmetscherin. Pressefoto Wagner

Der Roller-Rowdy kachelte mit dem E-Scooter bei Rot über eine Kreuzung, machte sich dann feige aus dem Staub. Vor Gericht saß Ibrahim G. (20) mit gesenktem Kopf.

Er war am 11. Juli in Wilmersdorf unterwegs. An der Kreuzung Badensche Straße hätte er stoppen müssen. G. aber ignorierte gegen 6.05 Uhr die für ihn rote Ampel, stieß seitlich gegen ein Motorrad. Für den Biker stand die Ampel auf Grün. Der Mann stürzte, erlitt einen Armbruch.

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Nach der fahrlässigen Körperverletzung beging G. Unfallflucht: Er ließ den Scooter fallen und lief davon. Zeugen konnten ihn nicht aufhalten.

Seine Ausrede vor dem Jugendrichter: „Ich bin abgehauen, weil ich Angst vor Abschiebung hatte.“ Der habe eine Duldung, so der im Libanon geborene Angeklagte. Er habe dann seine Betreuerin angerufen, alles erzählt. G.: „Sie sagte, dass ich zur Polizei muss.“

2022 gab 1144 E-Roller-Unfälle mit 123 Schwerverletzten

E-Scooter sind leise und recht flink – und spielen in der Berliner Unfallstatistik leider eine immer größere Rolle. Danach hat die Polizei in der Hauptstadt im vorigen Jahr fast 41 Prozent mehr Verkehrsunfälle mit E-Scootern registriert als 2021. Die neuesten Zahlen: 1144 Unfälle mit 700 Leicht- und 123 Schwerverletzten im letzten Jahr – nach 813 im Jahr 2021 und 320 im Jahr 2020.

Die Polizei schlägt Alarm. „Aus unserer Sicht müssen wirksame Möglichkeiten für mehr Sicherheit geprüft werden, darunter höhere Bußgelder, intensivierte Belehrungen oder ein Alkoholverbot“, sagt Michael Mertens, Vizevorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Und: „E-Scooter sind zu schnell“, warnt er. „Ein Teilerfolg wäre es, die Geschwindigkeit der Scooter auf prinzipiell 15 km/h zu drosseln.“

Die Scooter sind in Deutschland seit knapp vier Jahren als sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge erlaubt, sie dürfen maximal 20 Kilometer pro Stunde schnell sein. Der Radweg muss benutzt werden, soweit vorhanden, ansonsten die Fahrbahn, der Bürgersteig ist tabu. Das Fahren zu zweit ist ebenfalls untersagt.

Rund 40.900 Leihroller werden inzwischen von vier großen Anbietern bereitgestellt. Die kleinen Roller mit Elektroantrieb werden oft nicht ordnungsgemäß abgestellt und blockieren Bürgersteige und Radwege.

Ibrahim G. kam mit 17 nach Deutschland

Ibrahim G. fiel erstmalig als Roller-Rowdy auf. Eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe bescheinigte G.: „Ibrahim bereut den Vorfall, hätte sich gern persönlich bei dem verletzten Mann entschuldigt.“ G. sei auf einen guten Weg: „Alkohol und Drogen spielen bei ihm keine Rolle, er hat eine Ausbildung zum Elektroniker begonnen.“

Die Familie schickte erst seinen Bruder, dann ihn nach Europa. Mit 17 kam er nach Deutschland, ist in Obhut des Jugendamtes Reinickendorf, bekommt Unterkunft und Unterhalt. Vorstrafen hat er keine. Es war die erste Anzeige gegen ihn.

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Der Unfall und die anschließende Flucht führten im Fall von G. zu einer milden Entscheidung: Er erhielt die Weisung, einen Erste.-Hilfe-Kurs mit Tat-Aufarbeitung zu absolvieren. Außerdem soll er 60 Stunden Freizeitarbeit leisten – „um Schmerzensgeld zu erarbeiten“. Dann: Verfahren endgültig eingestellt.