Bitteres Aus nach 52 Jahren: Berliner Gastronom muss schließen, weil der Vermieter trotz Corona-Krise viel mehr Geld will!
Flavio Lucciola ist kein Einzelfall. Dehoga-Hauptgeschäftsführer Thomas Lengsfelder sorgt sich um Restaurantsterben in Berlin.

Wie gemein: Dieser Berliner Gastronom kämpft in der Corona-Krise nicht nur um seine Existenz, sondern erhält dazu auch noch eine saftige Mieterhöhung. Das italienisches Restaurant La Buca in Steglitz muss nach 52 Jahren schließen, weil der Vermieter 2000 Euro mehr Miete haben will. Seit Beginn der Pandemie haben es viele Berliner Restaurantbetreiber schwer. Die Dehoga rechnet mit weiteren Betriebsschließungen.
Steigerungen im Gewerbemietrecht sind zulässig
Flavio Lucciola blättert in einer Speisekarte aus den 1970er-Jahren. Sein Blick bleibt an Pasta mit „Rigatoni a Piacere“, Sauce nach Wunsch und „Froschschenkel provencal“ hängen. Vor fast 50 Jahren hatte Flavios Bruder Luigi diese Karte entworfen und inzwischen ist sie längst Geschichte. So wie das La Buca bald selbst.

Am Sonnabend wird der Steglitzer Gastronom sein Restaurant wie fast immer kurz vor Mitternacht zuschließen, aber danach nicht wieder öffnen. Mitten im Lockdown lief sein Vertrag aus. „Statt 2500 Euro sollte ich auf einmal 4500 Euro zahlen“, sagt Flavio Lucciola. Er habe vergeblich versucht, sich mit dem Vermieter zu einigen.
Das Problem: Im Gegensatz zu Wohnungsmieten sind Gewerbemieten frei verhandelbar und Mietverträge oft befristet. „Verlängerungen sind meistens auch mit einer Mieterhöhung verbunden. Solche Steigerungen sind leider zulässig, da das Gewerbemietrecht leider keine Mietpreisbremse oder Wucherparagrafen vorsieht“, bestätigt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein. Sie kämen leider häufig vor, wenn der Vermieter so ein Druckmittel, also einen auslaufenden Mietvertrag, hat.
Mitten in der Pandemie soll der Gastwirt 2000 Euro mehr zahlen
„Ich kann nicht mitten in der Pandemie 2000 Euro mehr Miete bezahlen. Undenkbar“, sagt Flavio Lucciola. Die Mieterhöhung habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. „Ich müsste für eine Pizza mindestens 20 Euro nehmen, um die Kosten wieder reinzubekommen. Welcher Gast zahlt denn das?“ Der KURIER fragte bei seinem Vermieter bezüglich der Mieterhöhung nach: Ob er eine Chance sehe, dem Gastronom zu helfen. Die Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Doch nicht nur Pandemie und Mieterhöhung brachten dem Gastronom Unglück. „Vor drei Jahren schädigte eine Baustelle vor meinem Restaurant mein Geschäft“, sagt Flavio Lucciola. Damals wurde das Haus, in dem sich seit 1969 das La Buca befindet, verkauft und vom neuen Eigentümer restauriert. Ein Baustellenzaun versperrte seine Außengastronomie.
Eineinhalb Jahre später musste der 62-Jährige seinen Laden coronabedingt im März 2020 das erste Mal schließen und konnte nur noch Außer-Haus-Verkauf anbieten. „Ich hatte viele unbeschwerte Jahre und auf einmal hatte ich Umsatzeinbußen, die ich so noch nie erlebt hatte.“ Sein Laden in einer Seitenstraße des Einkaufsboulevards Schloßstraße gelegen, war immer gut besucht.
Schweren Herzens entschloss sich der Italiener jetzt, der aus der Kleinstadt Cassino, etwa eineinhalb Autostunden von Rom entfernt, stammt, sein La Buca nach all den Jahren zu schließen. Besonders traurig: Es war nicht nur sein Lebenswerk, sondern einst auch das seines Bruders. „Luigi starb vor 21 Jahren nach einer Herzoperation an einer Sepsis“, sagt er. Die Geschwister waren unzertrennlich und sein früher Tod ein schwerer Schlag für ihn gewesen. Das Aus des La Buca sei deshalb besonders schmerzhaft.
Dehoga befürchtet, dass rund 30 Prozent der Gastronomie-Betriebe in Berlin schließen müssen
Dehoga-Hauptgeschäftsführer Thomas Lengsfelder sorgt sich um weiteres Restaurantsterben in Berlin. „Wir befürchten, dass rund 30 Prozent der Gastronomie-Betriebe diese Krise wirtschaftlich nicht überleben. Umfragen lassen diese Anzahl befürchten“, sagt er dem KURIER.

Flavio Lucciola hatte viel aufgegeben, um das Unternehmen seines Bruders am Leben zu halten. Er gab seinen Job als technischer Laborant und sein Leben in der Heimat auf, um das Restaurant in Berlin fortzuführen. „Zum Glück hatte ich früher viel im La Buca ausgeholfen und kannte mich in der Gastronomie schon aus“, so der Gastronom, der auffallend oft und fröhlich lacht und sich selbst als Optimist bezeichnet.
Er könne sich vorstellen, eine neue Weinbar aufzumachen
1991, damals war er Anfang 30, erbte er nicht nur ein Restaurant, sondern gewann auch einen Sohn dazu. Sein Neffe Danilo, damals neun Jahre, war nach dem Tod seines Vaters Waise geworden. Seine Mutter war bereits vier Jahre zuvor an einer schweren Krankheit verstorben. Danilo habe ihn jetzt auch in seiner Entscheidung bestärkt, das Restaurant seines Vaters zu schließen. Auch Ehefrau Jolanta, die er 2003 heiratete und in der Lützow-Bar kennenlernte, ist stets an seiner Seite. Diese beiden Menschen gäben ihm die Kraft, in diesem Abschied auch eine Chance zu sehen. Er könne sich vorstellen, noch mal irgendwo in der Nähe eine Weinbar aufzumachen, sagt Flavio Lucciola. Aber erst einmal wolle er sich ein wenig ausruhen.
Im La Buca ist er in 52 Jahren vielen Menschen begegnet. „Ich habe Trennungen, Hochzeiten, Schwangerschaften und auch Abschiede meiner Gäste erlebt“, sagt er. Aus manchen Begegnungen hätten sich Freundschaften entwickelt, die sehr wertvoll sind, wie der Gastronom betont. Wenn er am 24. Juli die Tür hinter sich zumachen wird, werden auch vier Mitarbeiter ihren Job verlieren. Die Meisten sind so lange wie ihr Chef selbst hier gewesen und „zu einer Familie zusammengeschweißt.“ Dieser Samstag wird für alle kein leichter Tag sein. „Abschiede sind nicht schön“, sagt Flavio Lucciola. Aber vielleicht auch eine neue Chance.