In Pankow kann man die Welt mit Kinderaugen sehen – DAS verraten die Betonwände voller Poesie
In Pankow bemalt Street-Art -Künstler Rico Mau Brandwände mit Kindermotiven, die zum Nachdenken anregen

Foto: Markus Wächter / BK
Wer in Pankow die Stadt in Richtung Autobahn verlässt, oder via Damerowstraße in die City fährt, der kann die beiden auffälligen Wandbilder an zwei Mauern im Vorbeifahren kaum übersehen. Seit einiger Zeit prangen an den Brandwänden von Nummer 19 und Nummer 59 überlebensgroße Kinder. Emma und ihr Kindergartenkumpel sind das. Gemalt auf grauen Beton hat sie Emmas Vater, Rico Mau.
Der 39-Jährige ist Pankower, heißt eigentlich Enrico und er malt, seit er einen Stift sicher halten kann. Aus den Kritzeleien in der Schule ist dann irgendwann ein Beruf geworden. Als Fassadenmaler arbeitet Rico Mau normalerweise für Wohnungsbaugesellschaften, für den Tierpark und den Zoo, vor allem aber bringt er mit Werbung graue Berliner Brandwände zum Leuchten. Auf VOX lackiert er für das TV-Format „Die Tuning Profis“ regelmäßig Autos – was ihm unter die Lackdose oder die Farbrolle kommt, wird bunt.
200 Quadratmeter großes Street-Art-Kunstwerk
So auch das 200 Quadratmeter große Street-Art-Kunstwerk in der Damerowstraße. Hoffnung und Mut soll es denen, die es im Vorbeigehen sehen, machen. Schon lange vor Corona gab es die Idee zum Bild, doch in Zeiten, in denen vieles ins Wanken geraten ist, spricht die Botschaft, die das Bild transportiert, Passanten noch vehementer an.
Das Motiv: ein Junge in den Ästen eines Baums, wach blickt er auf das, was ist, und das, was kommt. „Ich schaue auf das Morgen mit Hoffnung und Liebe“ hat Rico Mau unter das Bild geschrieben.

Foto: Markus Wächter
Nur ein paar Meter weiter auf der anderen Straßenseite hat Rico Mau zuvor schon einmal seine Tochter verewigt. Das Bild zeigt Emma, auf ihrer Hand ist ein Eisvogel gelandet, wieder so ein Moment der Stille im vorbeirauschenden Großstadtverkehr. „Die große Emma“ nennen Vater und Tochter das Bild immer, wenn sie hier vorbei kommen. „Ob ihr das Bild irgendwann peinlich ist?“, fragt Rico Mau sich. „Wir schenken unseren Kindern das Leben, sie schenken unserem Leben einen Sinn“ hat er neben das Gesicht seiner Tochter geschrieben.
Mit seinem Kunstprojekt „Die Kinder von Pankow“ will er sichtbar machen, was wirklich zählt im Leben. „Viele Künstler äußern sich mit ihren Werken politisch oder kritisch“, sagt Mau. Er sei eher ein Herzensmensch und spreche die Emotionen der Betrachter an. Mit seinem Künstlernamen „demut“ signiert er seine Werke und natürlich ist diese Haltung ein Programm fürs Leben.

Foto: Markus Wächter
Die persönliche Umgebung zum Positiven verändern, und sei es auch nur im Kleinen, das ist Maus innerer Motor. „Naja, die Welt ein bisschen schöner machen, eben“, grinst er. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Eine Woche auf der Hebebühne
Maus Motive symbolisieren die Unschuld, die in der Welt der Erwachsenen oft verloren scheint. Blicke von Kindern auf das Morgen sind immer zuerst voller Zuversicht, bevor die Welt sie eintrübt. Gerade jetzt, wo vielen Kinder zu viel abverlangt wird, erinnern die Bilder daran, dass Kinderaugen glänzen müssen.
Für sein großes Kunstwerk hat Rico Mau eine Woche lang in luftiger Höhe auf einer selbst gesteuerten Hebebühne gestanden und Raster für Raster vom Ausdruck seines Entwurfs auf die Wand kopiert. Ganz klein sahen die Menschen, die ihm von unten winkten und etwas zuriefen, aus. Nachdem das Bild fertig war, haben viele Anwohner sich bei Rico Mau bedankt. Auch das Wohnungsunternehmen Vonovia ist glücklich über die Gestaltung der Mauer. Ein wenig verlegen blickt Mau auf die Farbkleckse auf seinen Schuhen. Dann hebt sich sein Blick – schon wieder auf der Suche nach einer neuen guten Wand. Wenn es nach ihm geht, sollen es in der ganzen Stadt noch viel mehr Kinder auf grauen Brandmauern werden.