Die Spur führt in die Türkei: So zockten falsche Polizisten ahnungslose Rentner per Telefon ab
Allein zwischen 2018 und 2021 haben kriminelle Banden in Berlin mit der Betrugsmasche „Falsche Polizisten“ mindestens 20,3 Millionen Euro erbeutet, deutschlandweit sollen es über 120 Millionen Euro sein.

Bei Anruf Betrug: Ältere Menschen in ganz Deutschland bekamen aus Callcentern im türkischen Izmir Anrufe, in denen sich Betrüger als Polizisten ausgaben. Sie erzählten von Einbrüchen in der Nachbarschaft, davon, dass ihr Vermögen schnell in Sicherheit gebracht werden muss. Dann klingelte jemand an der Tür – und das Vermögen war weg. Mithilfe des Berliner Landeskriminalamtes wurden in den letzten Monaten Banden von Telefonbetrügern ausgehoben, die von der Türkei aus ältere Menschen in Deutschland abzockten, wie report München und rbb24 Recherche berichten.
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Allein zwischen 2018 und 2021 haben kriminelle Banden in Berlin mit der Betrugsmasche „Falsche Polizisten“ mindestens 20,3 Millionen Euro erbeutet, deutschlandweit sollen es über 120 Millionen Euro sein. 154.000 Betrugsversuche wurden registriert, 10.500 davon waren erfolgreich. Die Dunkelziffer ist noch höher, weil Betroffene aus Scham oft nicht zur Polizei gehen.
Seit 2017 verzeichnet die Polizei in ganz Deutschland einen rasanten Anstieg von derartigen Betrugsfällen. In Hessen etwa stieg die Zahl der bekannt gewordenen Taten von 236 im Jahr 2016 auf 2214 im Jahr darauf. In Berlin wurden 2018 insgesamt 120 Fälle bekannt, während es im Jahr zuvor 59 waren. Solche Taten seien für Kriminelle lukrativer als der Drogenhandel, heißt es bei den Behörden.
Auf dem Display erschien die 110, doch am Telefon waren Betrüger aus der Türkei
Das Vorgehen war perfide: Denn letzte Zweifel bei den Angerufenen wurden oftmals durch die Telefonnummer ausgeräumt, die beim Opfer auf dem Display erschien: 110 – die Notrufnummer der Polizei. Um die Senioren hinters Licht führen zu können, nutzen Täter das sogenannte Call ID Spoofing. Damit können Kriminelle Telefonanschlüsse so manipulieren, dass eine beliebige Telefonnummer angezeigt wird. Eben auch die der Polizei.
Eine ältere Frau aus Bayern wurde sogar über Monate von den Kriminellen am Telefon bearbeitet. Erst gab sie einem Abholer 300.000 Euro, dann wurde ihr weis gemacht, der „Polizist“, der der Geld abgeholt hatte, sei entführt worden. Um das Lösegeld zu bezahlen, verkaufte die Frau ihr Haus und kaufte für das Geld Diamanten und eine Rolex-Uhr. Für die Übergabe fuhr extra ein Mann aus Berlin nach Bayern, wie rbb24 berichtet. Doch glücklicherweise für die Frau wurde das Gespräch, in dem die Übergabe vereint wurde, vom Berliner LKA abgehört. Der Abholer sitzt jetzt in Berlin in Haft.
LKA Berlin ermittelt gegen nächste türkische Bande
Drahtzieher des großanlegten Betruges sollen Angehörige des Miri-Clans sein, die jetzt in Izmir auf der Anklagebank sitzen. Darunter der in Deutschland mit Haftbefehl gesuchte Amar S. (33) aus Bremen, der im Dezember vor einem Jahr festgenommen wurde und das Geschäft mit den Callcentern perfektionierte. In den letzten Jahren tauchten auch immer wieder Kriminelle aus Berlin in Izmir unter, die bei den Betrügereien mitmischten.
Den Angeklagten wird die „Gründung einer Organisation zur Begehung von Verbrechen, Betrug, Geldwäsche von Vermögenswerten aus Straftaten“ vorgeworfen. Die Anklageschrift, die report München und rbb24 Recherche vorliegt, weist 24 Betrugsfälle aus, bei denen der Beute von den Opfern in Deutschland bis nach Izmir nachverfolgt werden konnte. Insgesamt geht es um 5,4 Millionen Euro. Und es gibt auch zwei Todesfälle: Ein Opfer beging Selbstmord aus Scham, ein 80-jähriger Betroffener starb vor Aufregung.
Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht in dem Prozess in Izmir einen Durchbruch bei der bislang schwierigen Polizeizusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei. Aktuelle Ermittlungen des LKA Berlin in Zusammenarbeit mit der Kripo München führen bald zur nächsten Anklage gegen eine Bande falscher Polizisten aus dem Miri-Clan. Wieder geht es um Millionen.