So schick wird Berlin untenrum
In Mitte werden die Fahrgäste in edlem Ambiente einsteigen. Der Bau der Stationen geht gut voran.

Wer sagt denn, dass U-Bahnhöfe ungemütlich sein müssen? An der Verlängerung der U-Bahn-Linie U5 sind echte Perlen entstanden. „Das sind noble Bahnhöfe geworden“, sagt Jörg Seegers von der BVG Projekt GmbH. Dort werden die Fahrgäste in einem ungewohnt edlen Ambiente ein- und aussteigen.
„Wir wollen U-Bahnhöfe bauen, auf die auch die kommenden Generationen stolz sein können“ – das sagte die damalige Senatorin Ingeborg Junge-Reyer, als sie 2009 die Entwürfe vorstellte. Sie hatte gegen die BVG durchgesetzt, dass Architekten betraut werden. Die SPD-Politikerin versprach nicht zu viel.
Anthrazitfarbene Betonwerksteinplatten, geschliffen und poliert, bedecken im U-Bahnhof Rotes Rathaus die Wände – wie es der Entwurf des Architekten Oliver Collignon vorsieht. Lang war der Lieferweg nicht: Die Täfelung stammt von der Firma BNB in Potsdam-Babelsberg, wo computergesteuerte Fräsen die Teile in ihre meist rautenartige Form gebracht haben. Golden eloxierte Lettern zeigen den Namen des U-Bahnhofs an.
„Es sind rund 3000 Platten, und fast keine ist wie die andere“, so Technik-Geschäftsführer Seegers. Ihr Zuschnitt korrespondiert mit der schrägen Verglasung der Ebene, von der aus die Fahrgäste auf die beiden Bahnsteige hinunterschauen können. Es ist ein gewaltiges Puzzlespiel, zu dem jetzt nur noch rund hundert Teile fehlen. Dass es so kompliziert geworden ist, liegt auch daran, dass diese Station in einer Kurve und einem Gefälle liegt. Die Decke ruht auf sieben Pilzkopfstützen. „Alles sehr schön, unbenommen“, sagt Seegers. „Aber ein Wahnsinn, wenn man es bauen muss.“

Westlich davon, im U-Bahnhof Museumsinsel, bedeckt blauer Granit unter anderem die Wände der Treppenaufgänge. So weit wie in den anderen Stationen sind die Arbeiten aber noch nicht – weshalb sie zunächst ohne Halt durchfahren und wohl erst im dritten Quartal 2021 eröffnet wird. Auf den neuen Gleisen, die mit Dieselkraft schon durchgehend befahrbar sind, haben Bauzüge die Unterkonstruktion der Wand- und Deckenverkleidungen herangebracht. Auch die Stahlteile hatten es nicht weit: Lieferant ist die Firma Heckmann in Hoppegarten. Die künftige Attraktion des Bauwerks 16 Meter unter dem Spreekanal ist bereits erkennbar: An der gewölbten Decke prangt schon ein Großteil der künftige Lichtpunkte. Insgesamt 6662 werden im Bahnhof auf nachtblauem Himmel erstrahlen – eine Erinnerung an das Bühnenbild von Karl Friedrich Schinkel für Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ von 1816, bei dem Architekt Max Dudler Anleihen machte. Es sind die Enden von Lichtleitern, wie bei Glasfaserleuchten aus den 70er-Jahren. „Ich habe sie mit einer Taschenlampe ausprobiert – es funktioniert“, freut sich Seegers.
Unter den Linden, die dritte neue Station, soll bereits in wenigen Wochen fertig sein. Dort kreuzt die U6, von der aus Fahrgäste jetzt schon einen Blick auf die oberste der drei Ebenen werfen können, die U5. Für die Wände haben die Architekten Ingrid Hentschel und Axel Oestreich dunklen Muschelkalk aus Kirchheim in Franken ausgewählt, für den Boden weißen Terrazzo. Rolltreppen werden die Fahrgäste in 25 Meter Tiefe bringen. Die helle Umsteigestation mit der Lichtdecke wurde zum „Wissenschaftsbahnhof“ erklärt, in dem die Humboldt-Uni hinter den Gleisen Schaukästen bestückt – zunächst mit Wimmelbildern und Wortwolken zum Anthropozän, dem vom Menschen geprägten Erdzeitalter. Später sollen Bewegtbilder den Fahrgästen die Wartezeit auf die U5 verkürzen.

Wie teuer wird das alles? 2013 wurde die Kostenschätzung für die Verlängerung der U5 von 433 Millionen auf 525 Millionen Euro korrigiert. Dieses Budget wird voraussichtlich nur um wenige Prozentpunkte überschritten, hieß es. Für ein Großprojekt nicht schlecht.
Und wann fährt erstmals eine Bahn mit Fahrgästen? Hinter den Kulissen wird von Anfang Dezember gesprochen. Dann wird die U5 Hönow in 41 Minuten mit dem Hauptbahnhof verbinden. Doch bei der BVG Projekt GmbH will man nichts Genaues sagen. Nur so viel: Ende 2020 beginnt der Bahnbetrieb.