Die Friedrichstraße ist wieder für den Autoverkehr geöffnet. So richtig nutzen die Berliner das aber noch nicht. 
Die Friedrichstraße ist wieder für den Autoverkehr geöffnet. So richtig nutzen die Berliner das aber noch nicht.  BK/ Markus Wächter

Der etwa 500 Meter lange Abschnitt der Friedrichstraße zwischen Französischer und Leipziger Straße in Berlin-Mitte ist seit Mittwoch wieder für den Autoverkehr freigegeben. Er war zunächst im August 2020 im Rahmen eines Modellprojektes für Autos gesperrt worden. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte entschieden, dass die Sperrung wieder aufgehoben werden muss. Die Weinhändlerin Anja Schröder aus der benachbarten Charlottenstraße hatte sich vor dem Verwaltungsgericht gegen das Land Berlin durchgesetzt.

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An diesem Mittwochnachmittag sind es noch nicht viele Autos, die die Straße entlangfahren. Taxis nutzen den direkten Weg in Richtung Linden, nur zwei Parklets stehen noch auf der Fahrbahn – und der Weihnachtsbaum des Russischen Hauses.

Nur vor dem Russischen Haus  steht noch etwas auf der Fahrbahn. Seit Mittwoch ist die Friedrichstraße wieder regulär für Autos befahrbar.
Nur vor dem Russischen Haus  steht noch etwas auf der Fahrbahn. Seit Mittwoch ist die Friedrichstraße wieder regulär für Autos befahrbar. Carsten Koall/dpa

Auch die rot-weißen Absperrgitter lehnen nun zusammengeräumt am Straßenrand. Kaum etwas zeugt noch von dem Experiment, welches hier stattfand. Viele in der Stadt freuen sich, dass man nun wieder durch die Friedrichstraße mit dem Auto fahren kann. Aber es gibt auch andere Stimmen:

Schade, dass die Flaniermeile weg ist 

„Wir finden es schade, dass die Flaniermeile weg ist“, sagt Jenny Seidler, die bei Einstein Kaffee für das Marketing zuständig ist, am Mittwoch der Berliner Zeitung. „Schließlich haben wir von ihr profitiert.“ Das Kaffeehaus betreibt Filialen auf der Friedrichstraße.

In den noch vorhandenen Parkletts sitzen auch am Mittwoch noch Menschen und trinken Kaffee. An ihnen vorbei rauschen nun wieder Autos.  Im Alltag vieler Berliner spielt die Friedrichstraße als Einkaufsmeile keine große Rolle, daran hatte auch die eingerichtete Fußgängerzone nichts geändert. Problem: auch Fahrräder durften hier entlang fitzen, schlendern war so oft nicht möglich.

Zeitweise standen Bäume in Kübeln auf der Straße, die besonders gern von Radfahrern genutzt wurde. 
Zeitweise standen Bäume in Kübeln auf der Straße, die besonders gern von Radfahrern genutzt wurde.  Paul Zinken/dpa

Zudem war der Versuch die Mobilitätswende in der Friedrichstraße umzusetzen nicht billig: Allein die Anschaffung von Bänken, Tischen und Stühlen für den Verkehrsversuch autofreie Friedrichstraße hat fast 156.200 Euro gekostet. Insgesamt lagen die Kosten für sogenannte Stadtmöbel plus Vitrinen am Straßenrand bei rund 338.735 Euro. Das geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt und Mobilität hervor auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Felix Reifschneider an den Senat hervor.

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Für die Reinigung insbesondere der Sitzmöglichkeiten sowie Müllentsorgung und Entfernung von Vandalismusschäden fielen weitere gut 37.200 Euro an. Für den Abbau der Sitzgelegenheiten wurden rund 36.000 Euro veranschlagt, wie der Antwort der Mobilitätsverwaltung zu entnehmen ist.

Der Plan ist dennoch, die Umwidmung der Friedrichstraße auf rechtlich sicherere Beine zu stellen, 2023 soll sie wieder für Autos gesperrt werden dann dauerhaft. Die Stadtmöbel könnten dann wieder zum Einsatz kommen.

Die Zukunft der Friedrichstraße 

Die Sitzgelegenheiten sollen den Angaben zufolge wieder in die Friedrichstraße kommen, wenn die von der Senatsverwaltung geplante dauerhafte Fußgängerzone Wirklichkeit geworden ist. Die 14 Showcases genannten Glasvitrinen im Rahmen des Projektes „Flaniermeile Friedrichstraße“ haben Kosten in Höhe von rund 88.980 Euro verursacht, Transport und Aufbau, Beleuchtung, Reparaturen und Abbau inklusive. Zwölf Showcases müssen wegen Vandalismusschäden überarbeitet und danach für eine weitere Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Für die zwei weiteren Vitrinen hat das Bezirksamt Mitte schon Interesse angemeldet.

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Die Zukunft der Friedrichstraße ist also weiter in der Diskussion:

„Erst Auto-Herrschaft, dann Radweg mit Straßenmöbeln, bald entspannte Meile zum Gehen, Plaudern, Sitzen und Spielen – so geht urbaner Fortschritt“, sagt Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr (FUSS) der Berliner Zeitung. „In den letzten zwei Jahren war die Straße schon belebter als vorher; das dürfte sich bald weiter steigern.“ Es geht um mehr Raum, Sicherheit und Komfort zum Gehen, meint er. „Die jetzt geplante Fußgängerzone sollte der Impuls sein, die Friedrichstraße und ihre Umgebung insgesamt zu dem großstädtischen Flanierbereich zu machen, den Berlin und seine Gäste verdienen.“

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Der Mobilitätsforscher Andreas Knie sagte dem Blatt: „Die Idee, bislang von Autos okkupierten Raum in eine Flaniermeile umzuwandeln, ist gut. In vielen anderen Städten ist es längst Standard, Straßenraum neu zu verteilen – zulasten von Autos, zugunsten von Fußgängern.“ Mit der Friedrichstraße sei aber der falsche Bereich ausgewählt worden.