Immer mehr Berliner sind pflegebedürftig, müssen in einem Pflegeheim leben.
Immer mehr Berliner sind pflegebedürftig, müssen in einem Pflegeheim leben. Imago/Phototek

 Immer mehr Berliner und Brandenburger sind pflegebedürftig - und die müssen für ihre Betreuung in einem Heim auch immer mehr Geld aufbringen. Die selbst zu zahlenden Anteile stiegen in Berlin auf durchschnittlich 2128 Euro pro Monat, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen (vdek) mit Stand vom 1. Januar 2022 hervorgeht. Anfang 2021 lag der Eigenanteil noch bei 2047 Euro im Monat. In Brandenburg stiegen die Kosten von 1729 auf 1838 Euro. Können sich gute Pflege bald nur noch Reiche leisten?

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Laut Daten des Amts für Statistik erhalten über 158.400 Berliner und 153.900 Brandenburger Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Das entspricht 4,3 % an der Berliner und 6,1 Prozent an der Brandenburger Bevölkerung. Tendenz steigend. Die Mehrheit der Pflegebedürftigen sind in beiden Ländern mit 61 % Frauen.

Durchschnittlich 2128 Euro pro Monat müssen die Heimbewohner selbst pro Monat bezahlen

Das Risiko pflegebedürftig zu sein, steigt mit zunehmendem Alter. So sind 77,1 % der Berliner Pflegebedürftigen 65 Jahre und älter (Brandenburg: 80,6 %) und fast jeder Dritte 85 Jahre und älter.

Rund 80 Prozent aller Berliner und Brandenburger Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Davon wiederum erhalten 81.519  Pflegebedürftige in Berlin und 78.245 Pflegebedürftige in Brandenburg ausschließlich Pflegegeld und werden allein durch Angehörige versorgt. Und das dürfte auch damit was zu tun haben, dass für viele die Pflege in einem Heim zu teuer ist. Denn trotz Pflicht-Pflegeversicherung ist die Pflege in einem Heim ja nicht umsonst. 

Durchschnittlich 2128 Euro pro Monat müssen die Heimbewohner oder aber ihre Angehörigen selbst pro Monat bezahlen. Die Kosten für Heimplätze liegen damit den Angaben des vdek zufolge ungefähr auf Bundes-Niveau: Von 2068 Euro auf 2179 Euro pro Monat stiegen die Kosten für Pflegebedürftige im Schnitt in Deutschland. Am teuersten sind Heimplätze erneut in Nordrhein-Westfalen (2542 Euro), am günstigsten ebenfalls erneut in Sachsen-Anhalt (1588 Euro).

Die Pflege im Heim wird immer teurer: Die selbst zu zahlenden Anteile stiegen in Berlin auf durchschnittlich 2128 Euro pro Monat.
Die Pflege im Heim wird immer teurer: Die selbst zu zahlenden Anteile stiegen in Berlin auf durchschnittlich 2128 Euro pro Monat. Imago/Photothek

In den Summen ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen daneben aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen dazu. Der Eigenanteil allein für die reine Pflege stieg im bundesweiten Schnitt auf 912 Euro, nachdem es zum 1. Januar 2020 noch 831 Euro gewesen waren. In Berlin stieg der Eigenanteil ebenfalls von 1034 auf 1090 Euro - der zweithöchste Wert in Deutschland nach Baden-Württemberg.

Das privat angesparte Geld entscheidet, wie man im Alter lebt.

Und natürlich: Je besser ausgestattet und besser gelegen das Heim ist, umso höher sind auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Je mehr mehr hat, desto mehr Annehmlichkeiten und Luxus kann man sich im Alter kaufen. Auch hier entscheidet also das privat angesparte Geld, wie man im Alter lebt.

Experten vom RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen rechnen damit, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von aktuell rund 4,1 Millionen auf 4,9 Millionen im Jahr 2030 und 5,6 Millionen im Jahr 2040 steigen wird. Dementspre­chend würden bis 2040 weitere 322.000 stationäre Pflegeplätze benötigt. Derzeit leben rund 820.000 Menschen in einer solchen Einrichtung. In Berlin sind es knapp 30.000, in Brandenburg knapp 25.000.

Doch die immer weiter steigenden Kosten bringen auch die Pflegeheime in eine wirtschaftliche Schieflage. Laut Daten des RWI befanden sich  Jahr 2019 rund 20 Prozent der Einrichtungen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 38 Prozent im „grünen Bereich“ mit geringer Insolvenzgefahr und 42 Prozent dazwischen im „gelben Bereich“. Verschlechtert habe sich auch die Ertragslage: Schrieben 2016 rund zehn Prozent der Pflegeheime einen Jahresverlust, waren es im Jahr 2019 bereits 26,5 Prozent.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Pflege

Wann sollte man einen Pflegegrad zu beantragen? 

Wenn man dauerhaft auf Unterstützung angewiesen ist, also ab einer Pflegedauer von mehr als sechs Monaten. Der Antrag muss bei der Pflegekasse gestellt werden. 

Wie wird die Höhe des Pflegegrades bestimmt?

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ermittelt bei einem Hausbesuch den Pflegebedarf, aus dem sich der Pflegegrad und die Höhe der Pflegegeldes ableiten. Angehörige sollten bei dem Termin unbedingt dabei sein. Viele neigen dazu, ihre eigene Leistungsfähigkeit besser darzustellen, obwohl sie schon auf Hilfe angewiesen sind. Bei dem Hausbesuch stellen die Gutachter fest, wie selbstständig der Pflegebedürftige seinen Alltag gestalten kann und wobei er Hilfe benötigt.

Was tue ich, wenn ich mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden bin?

Dann kann innerhalb von vier Wochen schriftlich Widerspruch eingelegt werden. Dabei sollten Sie die Gründe für Ihre unterschiedliche Bewertung der Pflegesituation im Vergleich zum Gutachten des MDK darlegen.

Wie viel zahlt die Pflegeversicherung je Pflegegrad bei einer Unterbringung im Heim?

Bei Pflegegrad 1 gibt es nur 125 Euro pro Monat. 770 Euro gibt es bei Pflegegrad 2, 1262 Euro bei Pflegegrad 3, 1775 Euro bei Pflegegrad 4 und 2005 Euro bei Pflegegrad 5. 

Woraus setzen sich die Heimkosten zusammen? 

Dazu gehören neben den Pflege-, Ausbildungs- und Investitionskosten im Pflegeheim die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Die Pflegekassen beteiligen sich laut Verbraucherzentrale mit pauschalen Leistungsbeträgen je nach Pflegegrad an den Pflege- und Ausbildungskosten. In aller Regel reichen diese Beträge aber bereits nicht aus, um die entstehenden Kosten zu decken, sodass hier ein Eigenanteil an den Pflege- und Ausbildungskosten zu zahlen ist. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten muss der Pflegebedürftige immer selbst bezahlen.

Wer muss zahlen, wenn die Rente und das Vermögen der zu pflegenden Person nicht ausreichen?

Erst einmal muss natürlich der zu Pflegende selbst zahlen. Auch das angesparte Vermögen muss bis zu einem Schonbetrag von 5000 Euro verbraucht werden. Reicht dann das Geld nicht mehr aus, müssen Angehörige mit ihrem Vermögen für die Heimkosten  einstehen. Zuerst der Ehe- und Lebenspartner und dann die Kinder. Die Kinder der pflegebedürftigen Person können aber vom Elternunterhalt befreit werden. Haben die Kinder der zu pflegenden Person laut dem im Januar 2020 eingeführten Angehörigen-Entlastungsgesetzes ein Jahresbruttoeinkommen von weniger als 100.000 Euro (je unterhaltsverpflichteter Person), übernimmt das Sozialamt die Zuzahlung der Pflegekosten. Wer mehr verdient (inkl. Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Wertpapierhandel), muss zahlen. Selbstbehalt: 2000 Euro netto. Jeder Cent darüber wird zu 50 Prozent für die Pflege- und Heimkosten der Eltern herangezogen.

Was bringt die neue Pflegereform?

Für die Pflegegrade 2 bis 5 gibt es seit dem 1. Januar einen Leistungszuschlag zu den Pflege- und Ausbildungskosten, der Eigenanteil an den Pflege- und Ausbildungskosten wird schrittweise verringert. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen werden nach wie vor nicht bezuschusst. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich nach dem Zeitraum, in dem Leistungen der vollstationären Pflege bezogen werden. Der Eigenanteil soll so im ersten Jahr im Heim um fünf Prozent sinken, im zweiten um 25 Prozent, im dritten um 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 70 Prozent. Doch schon jetzt zeige sich, dass die gerade erst in Kraft getretenen Änderungen der Pflegeversicherung den 820.000 Heimbewohnern in Deutschland kaum etwas bringen werde, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Auch in den nächsten Jahren müsse mit Erhöhungen gerechnet werden. Die verdiente faire Bezahlung von Altenpflegekräften gehe damit zu Lasten der Hilfsbedürftigen. Die Pflegeversicherung müsse endlich generationsgerecht und zukunftssicher durchfinanziert werden.

Viele Ältere werden auch zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt.
Viele Ältere werden auch zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt. Imago/Photothek

Gibt es auch auch finanzielle Erleichterungen bei der Pflege zu Hause?

Ja, auch hier ab Pflegegrad 2 für alle diejenigen, die zu Hause durch einen Pflegedienst versorgt werden. Seit dem 1. Januar 2022 wurden die Beträge für Pflegesachleistungen um fünf Prozent und für Kurzzeitpflege um zehn Prozent erhöht. Für Pflegesachleistungen gibt es nun 724 Euro (Pflegegrad 2), 1363 Euro (Pflegegrad 3), 1693 Euro (Pflegegrad 4) oder 2095 Euro (Pflegerad 5). Die Leistungen für die Kurzzeitpflege stiegen von 1612 Euro auf 1774 Euro pro Kalenderjahr gestiegen. Um die Anhebung zu erhalten, müssen pflegebedürftige Menschen keinen separaten Antrag stellen.