Autorin Gisela Steineckert an ihrem Arbeitstisch: Dort entstand auch der der Text zum Lied „Als ich fortging“, das Dirk Michaelis komponierte und seit 1987 singt.
Autorin Gisela Steineckert an ihrem Arbeitstisch: Dort entstand auch der der Text zum Lied „Als ich fortging“, das Dirk Michaelis komponierte und seit 1987 singt. dpa

Sie ist eine Frau mit Hit-Garantie. Gisela Steineckert, ohne deren Texte es viele der schönsten Lieder der DDR-Musikgeschichte nicht geben würde. Für über 3000 Songs schrieb sie die passenden Worte. Wie „Clown sein“ für Jürgen Walter, „Weihnachten in Familie“ für Frank Schöbel oder das berühmte Lied „Als ich fortging“, das Dirk Michaelis seit 1987 singt. Der Hit wäre beinah nie entstanden. „Ich wollte den Text dazu eigentlich nicht machen“, sagt die Schriftstellerin im KURIER-Gespräch. Sie wird am 13. Mai 90 Jahre alt. 

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Wer in der DDR einen sehr guten Text für ein Lied brauchte, ging oft zu Gisela Steineckert. So tat es auch Dirk Michaelis, der damals frischgekürte Sänger der Rockband Karussell. Die Autorin weiß noch genau, wie er eines Tages bei ihr vor der Tür stand. „Ich hatte die Maler, kaum Zeit, als dieser junge Mann mir einen Umschlag mit einer Kassette mit der Melodie von ,Als ich fortging‘ überreichte“, sagt sie. Der Titel stand da noch nicht fest. „Ich wusste auch nicht, wer Michaelis war. Er bat mich, einen Text zu seiner Komposition zu schreiben – und da war er auch schon wieder weg.“

Der Hit von Dirk Michaelis: In 35 Minuten war der Text zu „Als ich fortging“ fertig

Etwa sechs Wochen ließ Steineckert den Umschlag auf dem Schreibtisch liegen. „Ich war fest entschlossen, dieses Lied nicht zu machen“, sagt sie. „Doch ich wollte nicht unhöflich sein, packte dann irgendwann die Kassette aus.“ Als die Texterin die ersten Töne hörte, fiel ihr sofort die erste Zeile ,Als ich fortging‘ ein. „Ich schrieb immer weiter. In 35 Minuten war der Text fertig.“

Beste Freunde: Gisela Steineckert und Dirk Michaelis bei einem Auftritt im vergangenem September in Pirna (Sachsen). 
Beste Freunde: Gisela Steineckert und Dirk Michaelis bei einem Auftritt im vergangenem September in Pirna (Sachsen).  Imago/Daniel Schäfer

Der Song wurde im Herbst 1989 zur Wende-Hymne in der DDR. Den Titel interpretierten die Menschen als Kommentar auf die Fluchtwelle der DDR-Bürger in Richtung Westen. Zeilen wie „nichts ist unendlich, so sieh es doch ein“ wurden als Abgesang auf den SED-Staat verstanden. „Dabei ging es mir im Text um zwei Menschen, die sich trennen und einer überlegt, ob sie das Richtige machen“, sagt Steineckert. „Aber so ist es mit Liedern. Sie gehen einfach ihre eigenen Wege.“

So wie die Texterin selbst. Über Umwege kam sie in den 1950er-Jahren zum Schreiben, fing damit bei der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel an, schrieb Gedichte, Hörspiele, Drehbücher, war Mitbegründerin der DDR-Singebewegung um den „Oktoberklub“ und Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst. Letzteres brachte ihr manche Kritik ein. „Dabei habe ich mich für die Künstler eingesetzt, wo ich es nur konnte“, sagt Steineckert.

1987 erschien das Karussell-Album „Café Anonym“, auf dem der Song „Als ich fortging“ zu hören ist.<br>
1987 erschien das Karussell-Album „Café Anonym“, auf dem der Song „Als ich fortging“ zu hören ist.
privat

Mit Dirk Michelis ist sie heute gut befreundet. Die Autorin hofft, dass sie bald mit dem „Als ich fortging“-Sänger wieder auftreten oder mit ihrem jüngsten Buch „Langsame Entfernung“ (Neues Leben) auf Lesereise gehen kann. Denn an Ruhestand denkt die fast 90-Jährige noch lange nicht- ihren Geburtstag will sie mit ihrer Familie (fünf Kinder, eine Enkelin und eine Urenkelin) verbringen. 

Derzeit arbeitet Steineckert mit dem Musiker und Komponisten Arnold „Murmel“ Fritzsch (Gruppe Kreis) an neuen Songs, bereitet schon ihr nächstes Buch vor. „Ich habe mit dem Arbeiten nie aufgehört“, sagt sie. „Einen Stift und ein Blatt Papier trage ich immer bei mir.“