Bauarbeiten im Gange

Graefekiez in Kreuzberg: 80 Parkplätze für Grünflächen abgerissen

Die Ankündigung des Modellprojekts in Kreuzberg sorgte für Aufsehen. Inzwischen laufen die Arbeiten im idyllischen Kiez – was sagen die Bewohner?

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Parkplätze für Autos werden im Kreuzberger Graefekiez zu Grünflächen und Fahrradparkplätzen umgewandelt.
Parkplätze für Autos werden im Kreuzberger Graefekiez zu Grünflächen und Fahrradparkplätzen umgewandelt.Britta Pedersen/dpa

Es ist ein Modellprojekt, das polarisiert: Privatautos sollen im Graefekiez inmitten Kreuzbergs nicht mehr geparkt werden können. Rund 80 Parkplätze sollen in der Graefestraße weichen und Platz machen für Grünflächen und Carsharing. Auch Fahrradparkplätze sollen geplant sein. Tatsächlich werden jetzt Nägel mit Köpfen gemacht: Seit Ende Juli laufen die Arbeiten, und jetzt sind die Parkplätze weg! Somit ist es den Kiezbewohnern nun schon seit ein paar Wochen nicht mehr möglich, vor der Tür  zu parken. Zusätzlich sieht der sonst so hübsche Kiez mit den herumliegenden Pflastersteinen derzeit ganz schön wild aus …

Was sagen die Anwohner zum Parkplatzschwund für Pflanzen?

„Wo parke ich denn jetzt?“ Mit dieser Frage müssen die Nachbarn aus dem Graefekiez sich seit Ende Juli beschäftigen. Die Antwort: In den umliegenden Straßen oder in einem Parkhaus in der Hermannstraße, das aber zehn Gehminuten entfernt liegt und auch noch 50 Euro kostet.

Wenig überraschend sind nicht alle Anwohner begeistert von der Neuerung in ihrem Kiez. Uhrmacherin Brigitte Göring ärgert sich gegenüber B.Z.: „Es gab eine große Versammlung vom Bezirk zu dem Projekt. Nur drei Tage später haben sie aber schon die Straße aufgerissen. Da war also eigentlich schon alles entschieden. Für junge Menschen mag das ja ganz schön sein. Meine Kunden sind aber etwas älter, kommen mit dem Auto aus Lankwitz oder Spandau und sind nicht mehr so gut zu Fuß.“

Wie Brigitte korrekt vermutet hat, fallen die jungen Stimmen zum Thema Modellprojekt positiver aus. Nachbarin Veronica freut sich: „Für die Leute, die hier wohnen, ist mehr Ruhe und Grün schön. Es wird vielleicht ein gemeinsamer Ort, wo man zusammenkommen kann.“

Der Graefekiez ist wegen der Umbau-Arbeiten mit Baustellen gespickt.
Der Graefekiez ist wegen der Umbau-Arbeiten mit Baustellen gespickt.Britta Pedersen/dpa

Auch im Netz wird fleißig über den „neuen“ Graefekiez diskutiert

Der beliebte Kiez mit seinen zauberhaften Cafés und begeisterten Anwohnern hat natürlich seine eigene Social-Media-Präsenz. Auf der Instagram-Seite „hey_graefekiez“ werden gerade Stimmen zu den Bauarbeiten und den geplanten Veränderungen gesammelt. Diese fallen überwiegend positiv aus! So schreibt eine Nutzerin: „Ich wohne im Graefekiez und freue mich darüber. Der Verkehr und das echt wilde Parken waren hier ja völlig außer Kontrolle geraten.“

Doch die Graefekiez-Nachbarin gibt auch zu bedenken: „Ich frage mich nur, was die Anwohner in den umliegenden Straßen davon halten. Die Autos aus dem Graefekiez lösen sich ja nicht in Luft auf, sondern werden auf die umliegenden Straßen ausweichen müssen. Die Anwohner tun mir schon ein bisschen leid.“

Kritik von Franziska Giffey an autofreien Kiezen

Ganz ähnliche Sorgen äußerte auch Franziska Giffey 2022. Autofreie Kieze in Berlin sieht sie skeptisch: „Wenn man einen Kiez vor Autoverkehr oder vor Parken schützt, muss man sich fragen, was passiert um den Kiez herum.“ Dort lebten schließlich auch Menschen.

„Manche werden es als Befreiung verstehen, manche als Belastung. Wir haben nun mal Menschen, die auf das Auto angewiesen sind“, betonte Giffey. Es reiche jedenfalls nicht, einfach nur die Autos rauszunehmen. Wichtig sei zu überlegen, was dort als Alternative möglich sei. „Wenn man sagt, hier soll eine Fußgängerzone entstehen, dann müssen dafür auch Gelder bereitstehen, und dann muss das konzeptionell geplant werden.“

Giffey appellierte daran, mit solchen Vorschlägen sehr sorgsam umzugehen und gut abzuwägen, ob das im Gesamtkontext wirklich helfe. „Es reicht nicht, zu sagen, den einen Kiez machen wir schön und was drumherum passiert, das ist dann Kollateralschaden. Das darf nicht sein.“