Die Autobahn-App soll Autofahrern beim Navigieren auf der Autobahn helfen. Doch sie ist keine große Hilfe.
Die Autobahn-App soll Autofahrern beim Navigieren auf der Autobahn helfen. Doch sie ist keine große Hilfe. dpa/Schackow

Vor einem Jahr wurde die Autobahn-App der Berliner Autobahn GmbH des Bundes mit großem Tamtam vorgestellt. Sie wurde als „Meilenstein der Digitalisierung des Verkehrswesens“ verkauft. Die Entwicklung der App hat 1,2 Millionen Euro an Steuergeldern gekostet. Geld, das wohl in den Sand gesetzt wurde. Denn die App ist, glaubt man den Nutzern, kompletter Murks. Schon kurz nach dem Start hagelte es in den App-Stores Negativbewertungen: „absolut sinnbefreit“, „Verschwendung von Steuergeldern“. Schaut man nach einem Jahr auf die App, kann man nur konstatieren: Ganz schwach begonnen und dann noch stärker nachgelassen ... 

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Das Konzept der Autobahn-App klingt erst mal schlüssig: Die Autobahn GmbH des Bundes soll ihren Datenschatz über die aktuelle Verkehrslage auf den Bundesautobahnen nicht für sich behalten, sondern über eine Smartphone-App mit den Fahrern teilen. Schließlich kennt die staatliche Gesellschaft jede Baustelle und weiß auch, wann diese wieder aufgelöst werden soll. Auch über größere Staus oder gefährliche Unfallstellen kann die Autobahngesellschaft zuverlässig informieren.

Klingt wirklich gut. Doch in der Praxis zeigt sich, dass die App-Entwickler nicht richtig verstanden haben, was den Mehrwert für den Nutzer ausmacht. Das ist wohl die erste App, bei der nicht auffällt, was sie kann – sondern was sie nicht kann.

Die Autobahn-App ist nicht in der Lage, dynamisch Abbiege-Hinweise zu geben

Navigation funktioniert nicht: Bei einer grundlegenden Funktion, die andere Karten-Apps beherrschen, musste die Autobahn-App von Anfang an passen, nämlich bei der eigentlichen Navigation. Das ist auch ein Jahr nach der Vorstellung der ersten App-Version am 20. Juli 2021 und nach 750.000 Downloads noch so. Wer beispielsweise nach dem Weg von Berlin nach Bremen sucht, bekommt zwar die Wegbeschreibung für die übliche Route über Magdeburg und Hannover angezeigt, inklusive aller Störungen entlang des Weges. Die Informationen sind aber nur vor dem Antritt der Reise relevant. Die App ist nämlich nicht in der Lage, während der Fahrt dynamisch Abbiege-Hinweise („Turn by turn“-Befehle) zu geben.

Die Autobahn-App wurde vor einem Jahr als „Meilenstein der Digitalisierung des Verkehrswesens“ präsentiert.
Die Autobahn-App wurde vor einem Jahr als „Meilenstein der Digitalisierung des Verkehrswesens“ präsentiert. dpa/Young

Keine Ersatzrouten: Die App kann auch keine Ersatzrouten in Echtzeit vorschlagen, um beispielsweise auf eine Vollsperrung der A2 bei Magdeburg wie kürzlich zu reagieren. Statt die Route neu zu berechnen und die Alternative über die A24 via Hamburg anzuzeigen, wies die App im konkreten Fall nur darauf hin, dass auf der Strecke über die A2 eine Verzögerung von über drei Stunden einzuplanen sei. Bei den Karten von Google, Apple, TomTom und anderen Anbietern wurden die Nutzer dagegen richtig auf die Alternativstrecke gelotst.

Während der Fahrt nicht zu bedienen: Die App wurde so gebaut, dass man sie während der Fahrt quasi nicht bedienen kann. Dafür fehlt eine Sprachsteuerung. Auch eine Integration in die Systeme CarPlay von Apple oder Android Auto von Google, die Smartphone-Apps sicher auf die Infotainment-Bildschirme moderner Autos bringen, ist nicht vorgesehen. Wenn man die Autobahn-App beim Fahren bedienen möchte, benötigt man einen Beifahrer oder muss auf einem Parkplatz anhalten, um in der App sicher stöbern zu können. Die Vorbehalte der Nutzerinnen und Nutzer kann man auch an den Bewertungen ablesen. Im App-Store erhält die Anwendung 2,4 von fünf Sternen, im Play-Store von Google immerhin 2,9 von fünf Sternen.

Der Zugriff auf Webcams entlang der Autobahn wurde abgeschaltet

Die wichtigste Funktion, der Zugriff auf Webcams entlang der Autobahn, wurde abgeschaltet: Bei den jüngsten Bewertungen wird aber oft nur noch ein Stern vergeben, weil die Autobahn GmbH eine populäre Funktion abgeschaltet hat. Nutzer konnten sich zu Beginn noch über Hunderte Webcams entlang der Autobahnen selbst ein Bild über die Verkehrslage machen. Nun erscheint nur noch eine Fehlermeldung: „Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Europa haben wir uns dazu entschlossen, die Webcam-Bilder bis auf Weiteres zu deaktivieren.“ Damit sei die App „unnütz geworden“, heißt es in einer Rezension.

Die Autobahn-App im App-Store von Apple auf einem iPhone. Die Anwendung wird von den Nutzern vergleichsweise kritisch gesehen und erhält nur eine Bewertung von 2,4 Sternen.
Die Autobahn-App im App-Store von Apple auf einem iPhone. Die Anwendung wird von den Nutzern vergleichsweise kritisch gesehen und erhält nur eine Bewertung von 2,4 Sternen. dpa/Dernbach

Die Kritik in den Stores an der Autobahn-App ist auch beim Digitalverband Bitkom angekommen. „Die Autobahn-App des Bundes hat die Erwartungen nicht erfüllt“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Sie bietet gegenüber vorhandenen Angeboten etwa zur Vermeidung von Staus oder der Anzeige der nächsten Tankstelle keinen erkennbaren Mehrwert. Das zeigen auch die Bewertungen der Nutzerinnen und Nutzer in den App-Stores.“

Wie es in Zukunft mit der App weitergeht, ist unsicher

Dabei sei es grundsätzlich zu begrüßen, dass die öffentliche Hand Digitalangebote entwickle, sagte Rohleder. „Diese sollten sich aber an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und vor allem dort ansetzen, wo es keine entsprechenden privaten Angebote gibt.“ Anstatt ein Endkundenprodukt wie eine App von Anfang bis Ende zu entwickeln, wäre es vielversprechender, die zugrunde liegenden Daten wie Baustellen, Lademöglichkeiten für E-Autos oder den aktuellen Verkehrsfluss so für Dritte bereitzustellen, dass diese Informationen leicht in bestehende Angebote integriert werden könnten. „Davon würden mehr Bürgerinnen und Bürger direkt profitieren.“

Die Autobahn GmbH will aber das Konzept einer App nicht aufgeben und hat sich eine neue Zielgruppe ausgesucht: „Für alle Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer bietet die App viele Möglichkeiten für eine schnelle und effiziente Navigation“, sagt Immo von Fallois, Leiter Kommunikation. Für die „Brummis“ wurde zum Start der Sommerferien ein schneller Überblick in die App integriert. Die Anwendung gibt Hinweise darauf, welche Strecken von Ferienfahrverboten an Sonnabenden im Juli und August betroffen sind und welche Alternativrouten es gibt, sie soll außerdem bei der Stellplatzsuche helfen.

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Ob das stark kritisierte Konzept der App noch einmal grundsätzlich verändert wird, bleibt aber offen: „Nachdem die App seit mehr als einem Jahr verfügbar ist, überprüfen wir sie derzeit auf die zukünftige Aufstellung des Angebotes“, erklärt die Autobahn GmbH. „Die Neuauflage der Autobahn-App erfolgt bis Ende des Jahres.“