Die Angst ist ansteckender als das Virus selbst
Mazda Adli ist Stressforscher an der Charité und Leiter der Fliedner Klinik, die besonders auf die Behandlung von Angststörungen und stressbasierten Erkrankungen spezialisiert ist. „Es ist wichtig, den Menschen die Angst zu nehmen, sagt er im Hinblick auf den Ausbruch des Corona-Virus. Die Angst hält er zurzeit für genauso gefährlich wie die Infektion selbst. Borwin Bandelow ist einer der renommiertesten Angstforscher Deutschlands, er rät in der Krise zu einem gesunden Fatalismus.
Mazda Adli ist Stressforscher an der Charité und Leiter der Fliedner Klinik, die besonders auf die Behandlung von Angststörungen und stressbasierten Erkrankungen spezialisiert ist. „Es ist wichtig, den Menschen die Angst zu nehmen, sagt er im Hinblick auf den Ausbruch des Corona-Virus. Die Angst hält er zurzeit für genauso gefährlich wie die Infektion selbst. Borwin Bandelow ist einer der renommiertesten Angstforscher Deutschlands, er rät in der Krise zu einem gesunden Fatalismus.
Herr Adli, kommen in diesen Tagen mehr Menschen zu ihnen die Angst haben zu ihnen?
Ja, das ist eindeutig festzustellen. Es gibt viele Menschen, die jetzt in Unsicherheit geraten. Und das ist ja auch nachvollziehbar. Und auch noch nicht bedenklich solange es sich um eine Unsicherheit handelt, die sich in Maßen bewegt. Manche treibt die derzeitige Krise allerdings in schwere Angst.
Bis vor wenigen Wochen, war die Bedrohung in China gefühlt weit weg. Wie können wir der gefühlt rapide näher kommenden Gefahr begegnen?
Wir werden nicht nur von einer Virus-Pandemie, sondern auch von einer Welle der Angst überrollt. Die Angst ist dabei genauso ansteckend wie das Virus. Emotionen sind ansteckend, Angst ist es sogar ganz besonders. Das ist in der Psychologie bekannt. Das erleben wir derzeit.
Es lassen sich gerade verschiedene Strategien beobachten, wie Menschen mit der Unsicherheit umgehen. Die einen lassen sich anstecken, die anderen leugnen eine bedrohliche Lage.
Sie dürfen die dritte Strategie nicht vergessen: Es gibt viele Menschen, die versuchen, sich eine rationale Sicht auf die Geschehnisse zu bewahren oder zu erarbeiten. Eine rationale Bewertung der Situation hilft uns, mit der Krise umzugehen.
Was machen die drastischen Einschnitte in unserem Alltag mit uns?
Der Anblick von veränderten Alltagabläufen – leere Regale, leere Plätze und Busse – verstärkt das Gefühl, dass etwas Unheilvolles bevorsteht. Er bestärkt dabei vor allem die irrationalen Ängste und ruft katastrophisierende Gedanken hervor. Man sieht: da ist etwas nicht in Ordnung. Und im Kopf braut man sich ein Katastrophenszenario zusammen, das die Ängste noch weiter verfestigt.
Wie kommt man von irrationaler Angst zu einer realistischeren Einstellung?
Sich mit anderen unterhalten ist gut, damit nimmt man einen Perspektivenabgleich vor. Das Gespräch ermöglicht eine Umbewertung, wenn man zum Beispiel sieht, dass andere gelassener damit umgehen. Ich würde außerdem davon abraten, aus Angst ständig die Nachrichtenportale zu checken. Angst stimuliert ein vermeintliches Absicherungsverhalten. Und das besteht darin, dass wir das Handy zücken und wie gebannt vor steigenden Infektionszahlen sitzen – das bestätigt die Angst statt uns abzusichern. Und das vermeintliche Kontrollverhalten führt zu einer viel steileren Angstspirale. Ich empfehle daher, den Zugriff auf Nachrichten zu begrenzen, wenn man in diesen Tagen sehr ängstlich ist. Einmal am Tag reicht . Die Angst ist im Grunde genauso ansteckend wie das Virus selbst.
Herr Bandelow, viele Menschen leben derzeit mit einer Unsicherheit. Wann werden wir uns an die Corona Angst gewöhnen?
Bei Vorfällen wie einem Terroranschlag oder der Atomreaktor-Katastrophe von Fukushima lässt nach vier Wochen die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit nach. Für den Corona-Ausbruch wird es aber erst noch einmal schlimmer. Es geht ja noch richtig los, wenn der Punkt kommt, dass es die Menschen direkt betrifft. Erst nach diesem Höhepunkt greift die vier Wochen Regel.
Wovor fürchten sich die Menschen am meisten?
Es gibt zwei Ängste, zum einen die Angst am Virus zu sterben und zum anderen die reale Angst, dass sich das eigene Leben aufgrund von Absagen zum Nachteil verändert. Keine Reise, keine Partys mehr, das trifft manche doch stärker, als sie gedacht hätten.
Warum bereiten uns die flächendeckenden Absagen von Veranstaltungen und Schulschließungen ein mulmiges Gefühl?
Der Anblick von leeren Regalen bewirkt, dass die die eigentlich keine Angst hatten nun doch beginnen zu zweifeln. Selbst die Corona-Leugner, die Witze machten, das Virus werde sich nicht lange halten wie alles, was aus China komme, bemerken nun die Einschränkungen.
Geben Sie drei Tipps, was kann man tun, damit uns Angst nicht übermannt?
Ich empfehle, einen gesunden Fatalismus. Man geht ja morgens auch nicht mit Sturzhelm los, weil man überfahren werden könnte. Das Leben bietet eben einige Gefahren. Es wird schon schief gehen.