Nazis, Judenverfolgung, Zwangsverkäufe

Der teuerste Kunstkrieg der Geschichte: Jüdische Erben wollen für ein Sonnenblumen-Gemälde von Vincent van Gogh 750 Millionen Dollar

Im Mittelpunkt des Streites steht ein Berliner. Paul von Mendelssohn-Bartholdy (1875–1935), Bankier und Kunstsammler.

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Vincent van Gogh, Selbstporträt mit Sonnenblumen.
Vincent van Gogh, Selbstporträt mit Sonnenblumen.imago/UIG

Seine Gemälde zählen heute zu den teuersten der Welt. Vincent van Gogh, der niederländische Maler, der von 1853 bis 1890 lebte. Er hinterließ mehr als 900 Gemälde und über 1000 Zeichnungen. Am berühmtesten: Seine Sonnenblumen, die er mehrfach malte. Und um eines dieser Gemälde ist der vielleicht teuerste Kunstkrieg der Geschichte ausgebrochen. Es geht um die Nazis, die Judenverfolgung und Zwangsverkäufe. Jüdische Erben verklagen jetzt die japanischen Eigentümer. Sie wollen entweder das Gemälde zurück – oder 750 Millionen Dollar als Entschädigung.

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Im Mittelpunkt des Streites steht ein Berliner. Paul von Mendelssohn-Bartholdy (1875–1935), Bankier und Kunstsammler. In seinem Stadtpalais Alsenstraße 3/3a (in der Nähe des heutigen Bundeskanzleramtes) und im Schloss Börnicke baute er gemeinsam mit seiner ersten Frau eine bedeutende Kunstsammlung der Moderne auf. Mit Bildern von Picasso, van Gogh, Monet, Manet und Renoir. Doch dann kam 1933 – und die Nazis in Deutschland an die Macht.

Der jüdische Kunstsammler starb 1935 – nach einer Attacke durch einen Nazi-Schläger

Der jüdische Kunstsammler, der auch viele seiner Kunstwerke ins Ausland brachte, um sie vor den Nazis zu schützen, starb im Mai 1935 im Alter von 59 Jahren in Berlin, nachdem er angeblich von einem Nazi-Schläger angegriffen worden war. Die Sonnenblumen wurden schon 1934 in Berlin verkauft.

Dieses Gemälde von Vincent van Gogh ist im Sompo Museum of Fine Art in Tokio zu sehen.
Dieses Gemälde von Vincent van Gogh ist im Sompo Museum of Fine Art in Tokio zu sehen.Wikimedia Commons/Sompo Museum of Fine Art

Heute ist eine japanische Versicherungsgesellschaft im Besitz eines berühmten Gemäldes von Vincent van Gogh. Wie The Art Newspaper berichtet, wird diese Gesellschaft jetzt den Nachkommen des ursprünglichen jüdischen Besitzers verklagt, die erklären, dass die Nazis ihren Vorfahren in den 1930er-Jahren zum Verkauf des Gemäldes gezwungen haben.

Van Goghs Sonnenblumen wurden 1987 für 39,9 Millionen Dollar versteigert

Drei Nachkommen von Paul von Mendelssohn-Bartholdy erklärten in einer im Dezember in Chicago eingereichten Klage, dass die in Tokio ansässige Sompo Holdings wusste, dass das Kunstwerk ein „Opfer der Nazipolitik“ war, als ein Vorgänger des Versicherungsunternehmens das Gemälde 1987 für 39,9 Millionen Dollar bei einer Christie’s-Auktion in London ersteigerte. Heute wird das Bild im Sompo Museum of Fine Art in Tokio ausgestellt.

Einer der Kläger in diesem Fall ist Julius H. Schoeps, Historiker, Journalist und Politikwissenschaftler. Gründungsdirektor des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam. Gegenüber der britischen Zeitung The Independent erklärte er, dass er glaube, dass sein Großonkel die Gemälde verkauft habe, um die Flucht seiner Familie aus Nazi-Deutschland zu finanzieren.

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In der 98-seitigen Klageschrift erklärt die Familie, dass Paul von Mendelssohn-Bartholdy „nie die Absicht hatte, eines seiner Gemälde zu verkaufen, und dass er nur aufgrund von Drohungen und wirtschaftlichem Druck durch die Nazi-Regierung gezwungen war, sie zu veräußern“.

Die Kläger behaupten, dass Sompo Holdings der Nazi-Vergangenheit des Gemäldes gegenüber „rücksichtslos gleichgültig“ gewesen sei und dass das Unternehmen die Herkunft des Gemäldes „ignoriert“ habe.

Vincent Gogh, ein Selbstbildnis aus dem Winter 1887/88
Vincent Gogh, ein Selbstbildnis aus dem Winter 1887/88Wikimedia Commons/Metropolitan Museum of Art

Nicht der erste Streit um die Gemälde aus der Sammlung von Paul von Mendelssohn-Bartholdy. 2008 verlangten die Erben Mendelssohn-Bartholdys mit Julius H. Schoeps als ihrem Sprecher die Rückgabe zweier Picasso-Gemälde („Junge mit Pferd“ und „Die Mühle von La Galette“), die im Guggenheim-Museum und im Museum of Modern Art in New York zu sehen sind.

Die Nachkommen fordern 750 Millionen Euro Schadenersatz

Der Verbleib in New York wurde dann durch einen Vergleich mit den Museen erst unmittelbar vor Prozessbeginn möglich. Wie viel Geld dabei gezahlt wurde, ist nicht bekannt.

Diesmal fordern die Nachkommen von Mendelssohn-Bartholdy 750 Millionen Dollar Schadenersatz oder die Rückgabe des Gemäldes. Der Versicherungsfirma Sompo bestreitet die Behauptung, man habe gewusst, dass das Kunstwerk Mendelssohn-Bartholdys von den Nazis entwendet wurde, und will sich gegen die Klage wehren.

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Seit mehr als 35 Jahren stellt das Sompo Museum of Fine Art in Tokio die Sonnenblumen aus. Ein Sprecher von Sompa Holdings erklärt, dass es „die in der Klage erhobenen Vorwürfe und Behauptungen kategorisch zurückweist und beabsichtigt, seine Eigentumsrechte an den Sonnenblumen energisch zu verteidigen.“