Radiomoderator Rik De Lisle wird am 25. Februar 75 und ist weiterhin gut gelaunt auf Sendung.
Radiomoderator Rik De Lisle wird am 25. Februar 75 und ist weiterhin gut gelaunt auf Sendung. Sabine Gudath

Geburtstag feiern ist eigentlich gar nicht sein Ding. Die Mega-Sause mit Promis live on Air zum 50. war eine Ausnahme. Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, zum 75. Geburtstag an diesem Freitag, ist das größte Geschenk für Rik De Lisle eine gesunde Familie und die Tatsache, dass er immer noch sendet. Der Rest ist ihm „schnörrrrrrz“, sagt er und grinst. So klingt es eben, wenn das Berliner Urgestein, die Radiolegende heute beim Berliner Rundfunk 91.4, der last man sending mit nie abtrainiertem amerikanischem Akzent schnurz sagt. Diese Mischung aus Berliner Icke und Coolness, die kann nur er. Hi, icke bins, der alte Ami. Der Slogan funktioniert bis heute.

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Im Studio des Radiosenders 91.4, für den De Lisle jeden Werktag von 10 bis 12 on air ist, erkennt man den großen Mann mit Basecap und Bart schon von Weitem. Sein Gang ist federnd. Keine Spur von Müdigkeit, als wir ihn nach der Sendung treffen.

Jede Menge Geschichten aus dem geteilten Berlin

Rik De Lisle ist wie ein Koffer voller Berlin-Geschichten und dabei hat er nicht einmal einen deutschen Pass. Mit seiner Ankunft 1978 beginnt eine neue Radio-Ära. Mit 17 heuert er beim US-Militär an, wird erst Sanitäter, später Radio-DJ beim Soldatensender AFN. Einsätze in Thailand, Portugal folgen, dann die Versetzung nach Frankfurt/Main. Von dort sendete er bereits 1977 für die US-Soldaten in Berlin. 1978 ließ er sich nach Berlin versetzen. „Schlimmer als Frankfurt kann es nicht kommen, dachte ich.“ Kam es auch nicht – es wurde besser, viel besser. „Ich wusste gleich in den ersten Tagen, Berlin ist eine geile Stadt, hier bleibe ich.“

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Kein Wunder, in der alten AFN-Villa in Dahlem gehen die Musikgrößen der Zeit ein und aus. Als Bonny Tyler im weißen hautengen Anzug hereinschneit wie John Travolta, ist selbst einer wie De Lisle sprachlos.

Kaum hat er sich heute in den grauen Sessel in der vierten Etage des Einkaufszentrum „Das Schloss“ in Steglitz gesetzt, wo das 91.4-Studio sich befindet, sprudeln sie auch schon, die Geschichten. Berlin als geteilte Stadt ist voll davon.

Rik De Lisle im Steglitzer Studio. Jeden Tag ist er von 10 bis 12 Uhr on air.
Sabine Gudath
Rik De Lisle im Steglitzer Studio. Jeden Tag ist er von 10 bis 12 Uhr on air.

Haben nie gedacht, dass wir unsere Hörer jemals sehen würden

Als Rik De Lisle 1984 zu Rias 2 wechselt, ohne ein Wort deutsch zu sprechen, hört Ostberlin ihm genauso zu, wie der Westteil. Seine ersten Moderationen  schreibt er phonetisch auf einen Zettel: Es ist fear oor swanzig. Es funktioniert. De Lisle wird eine Marke. „Rias 2 war ein Sender für Ostberlin, wir haben nie gedacht, dass wir unsere Hörer jemals sehen würden“, sagt er. Damit die Hörer aus dem Osten ihre Musikwünsche schreiben konnten, gab es eine ganze Liste von Deckadressen, die sie im Radio ansagten. „Kufsteinstraße 27 – gab es nicht. Bei der Post wussten sie, das war wieder ein Brief an Rias 2.“

Als die Mauer fiel, ging der DJ abends früh zu Bett und stand für die Morning Show um halb eins auf. Ungewöhnlich viele Autos auf den Straßen zum Sender, denkt er. Ostautos. Im Studio dann treffen hunderte Hörer aus dem Osten ein. Mit ihnen zusammen macht er die Morgensendung.

Ob er je einen Deutschkurs gemacht hat? Niemals! Deutsch lernte De Lisle mit Hilfe seines Gemüsehändlers. Der stellte ihm jeden Tag eine Aufgabe. „Ich hätte gern ein Kilo Möhren“, musste er dann etwa sagen. Ansonsten galt es, den Amiakzent für die Zuhörer zu pflegen.

Dabei ist Rik De Lisle deutscher als man denkt. In Brandenburg, wo er nach der Wende ein altes Haus kaufte und sanierte, macht er bei der Freiwilligen Feuerwehr mit, beherbergte Nachbarn bei großen Oder-Hochwasser. Auch beim Bürgermeister stellte er sich artig vor. „Die Russen gehen, die Amis kommen“, sagte der.

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In Kreuzberg kaufte er mal einen ganzen Plattenladen. Später spendete er die tausenden von LPs an eine Schule in Tempelhof. Die außergewöhnliche Musikbibliothek gibt es noch heute. „Ich bin in Berlin alt geworden“, sagt De Lisle. Und ganz schön deutsch. Pünktlich, ehrlich. Und mit Herz und Schnauze. Das wirklich Amerikanische an ihm sei seine Entspanntheit. Mr. Chill nennen ihn seine Enkelkinder, die English mit dem Opa sprechen. Sein Deutsch sei zu schlecht.

Der letzte Berliner

„Ich habe manchmal das Gefühl, ich bin der letzte Berliner“, lacht De Lisle. „Ja, ich vermisse die Berliner. Das ganz spezielle Zusammengehörigkeitsgefühl von damals, das gibt es nicht mehr.“ In US-Uniform mit Punks und Hausbesetzern trinken – das ging nur in Berlin, auf der Insel, auf der alle miteinander klarkommen mussten.

Foto Rik De Lisle bei AFN von 1978 – Photocredit: Rik De Lisle
Foto Rik De Lisle bei AFN von 1978 – Photocredit: Rik De Lisle Rik De Lisle

Was er spielt, wenn er wirklich einmal aufhört? Darüber mag ich nicht nachdenken. Die Stars in meiner Sendung sind die Hörer. Auf der Straße erkennen die ihn aber nur, wenn er den Mund aufmacht  und wenn er sein Käppi trägt. „Meine Frau sagt immer, wenn wir das Haus verlassen – du hältst die Klappe! Wir stehen beide nicht gern im Mittelpunkt.“ Wat soll ick machen? Ein Ritual oder einen Tick, wenn er morgens ins Studio kommt hat Rik De Lisle übrgens nicht. „Ick versuche nur, immer gute Laune zu haben “– für den immer noch geilsten Job jenseits des Atlantiks.