Förster Gernod Heindel von der Wildtierstation Reddern und seine Schleiereule Rosalie. In dem Dorf in der Gemeinde Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz) betreibt Heindel mit Unterstützung seiner Familie eine Pflege- und Auffangstation für verletzte und kranke Wildtiere.
Förster Gernod Heindel von der Wildtierstation Reddern und seine Schleiereule Rosalie. In dem Dorf in der Gemeinde Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz) betreibt Heindel mit Unterstützung seiner Familie eine Pflege- und Auffangstation für verletzte und kranke Wildtiere. Patrick Pleul/dpa

Gernod Heindel ist der Retter in der Not. Seit vielen Jahren nimmt er verletzte Tiere auf und pflegt sie. Seine Wildtierauffangstation ist oft die letzte Adresse. Mittlerweile hat bei dem Förster und seiner Familie auch ein berühmter Bewohner seinen Platz.

Steinadler von Gojko Mitić

Tschitan sitzt in seiner Voliere und schaut mit scharfen Steinadleraugen auf jede Bewegung. Einst befreite der trainierte Greifvogel bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg Gojko Mitić als Winnetou vom Marterpfahl. Nun ist der Nebendarsteller des Defa-Schauspielers mit fast 34 Jahren Rentner und lebt in der Wildtierauffangstation von Familie Heindel in Reddern.

Lesen Sie auch: Aus dem Kübel oder Balkonkasten: Kann man alte Blumenerde noch verwenden? >>

Der Steinadler Tschitan, bekannt aus einem Winnetou-Film, lebt in einem Gehege der Wildtierstation Reddern.
Der Steinadler Tschitan, bekannt aus einem Winnetou-Film, lebt in einem Gehege der Wildtierstation Reddern. Patrick Pleul/dpa

Gernod Heindel hat den majestätischen Vogel vor einem Jahr aus Schleswig-Holstein in die Lausitz geholt, ein Falkner dort wurde Pensionär und suchte ein neues Zuhause für Tschitan, der auch schon in der ZDF-Serie „Forsthaus Falkenau“ Auftritte hatte. „Eigentlich hatten wir nach Schleiereulen gesucht, aber bei der Geschichte konnte ich nicht Nein sagen“, erzählt der Revierförster, der durchaus Respekt vor den Krallen und dem scharfen Schnabel hat, und schmunzelt. „Inzwischen haben wir aber ein recht entspanntes Verhältnis.“ Damit das Tier seine Flugmuskulatur trainieren kann, baut Heidel derzeit mit seiner Familie eine größere Voliere aus Baum-Materialien.

Lesen Sie auch: Berlins neue Regierung: Wer unter dem Regierenden Kai Wegner dazugehört>>

Mit Adler, Rehbock und Co. auf dem Hof

Dass der Förster trotz des berühmten Bewohners keine Besucherströme empfängt, liegt auch daran, dass die Pflege der aufgenommenen Tiere und Waldpädagogik mit Schulklassen für ihn im Vordergrund steht. Spricht der 61-Jährige Schleiereule Rosalie auf seiner Schulter an, wird man unwillkürlich an Doktor Dolittle aus der gleichnamigen Kinderbuchserie erinnert.

Der Tierfreund lebt mit Adler, Rehbock & Co. einträchtig auf seinem Grundstück zusammen. Er pflegt Tiere gesund, wildert sie aus, züchtet geschützte Arten oder gibt Gehandicapten ein Zuhause. „Mir ist jedes Tier gleichlieb“, betont er.

Der junge Uhu Bubi lebt in der Wildtierstation Reddern mit Hund Vero, einem Deutsch Drahthaar. 
Der junge Uhu Bubi lebt in der Wildtierstation Reddern mit Hund Vero, einem Deutsch Drahthaar.  Patrick Pleul/dpa

1986 hatte der Diplom-Forstingenieur gemeinsam mit seiner Frau Steffani begonnen, verletzte Tiere aufzunehmen. Die Richtlinien für seine Station: Tierschutzgesetz, Artenschutzverordnung, Naturschutzgesetz und Jagdgesetz.

Lesen Sie auch: Erinnern Sie sich noch an DIESE DDR-Gläser? Superfest und fast unzerbrechlich>>

5000 Tiere gesund gepflegt

Mittlerweile hat Heindel fast 5000 Tiere bei sich gehabt, darunter verletzte Störche, Kraniche, Fischotter, Schwäne, Rehböcke, Seeadler – die Liste ist lang. Seine Töchter haben Fuchsbabys und kleine Marder mit der Flasche aufgezogen und sie ausgewildert. „Die Fuchswelpen brauchen in den ersten drei Monaten eine enge Bindung, deshalb wohnten sie mit uns im Haus“, erzählt Zootechnikerin Steffani Heindel. Nicht so Wildschwein Rudi, das in Reddern 19 Jahre wurde.

Gernod Heindel begutachtet einen verletzten Weißstorch, der nur noch einen halben Schnabel hat. Das Tier soll eine Prothese bekommen.
Gernod Heindel begutachtet einen verletzten Weißstorch, der nur noch einen halben Schnabel hat. Das Tier soll eine Prothese bekommen. Patrick Pleul/dpa 

„Bis zu 370 Tiere im Jahr kommen zu uns, am Tag manchmal fünf bis sechs“, berichtet Gernod Heindel, der die Tiere neben seiner Arbeit als Revierförster ehrenamtlich betreut. Es berührt ihn, wenn Igel gebracht werden, deren Beinchen von Rasenrobotern abgefahren wurden, oder zwei auf einem Auge blinde Uhus Nachwuchs bekommen.

2000 Euro Kosten für kranke Tiere

Zahlreiche Tiere kann der Förster wegen ihrer Behinderung nicht mehr in die Natur zurücklassen, die Tier-WG wächst. Doch die Pflege ist kostspielig. Heindel bezahlt den größten Teil selbst, darunter Futter wie Küken für Greifvögel und Störche, Mehlwürmer und Medikamente. Tierarztbesuche werden auf ein Minimum reduziert, die Familie nutzt ihre Erfahrung – trotzdem kämen monatlich bis zu 2000 Euro zusammen, sagt Heindel, der auch aus Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen Tiere aufnimmt. Mit den vier südlichen Kreisen arbeitet er gut zusammen.

Lesen Sie auch: Radfahren für Prämien: Für 30 Kilometer gibt es einen Kaffee>>

Laut dem Förster gab es in Ostdeutschland in den 1990er-Jahren zehn solcher Auffangstationen. Inzwischen seien solche Einrichtungen eher selten. „Es hängt nur an der Finanzierung“, schätzt er ein. Steigende Kosten für Futter und Energie, aber auch älter gewordene Falkner oder Betreiber, die zunehmend ihre Stationen aufgeben, machten die Suche nach einem Pflegeplatz für die Tiere schwieriger. Manchmal reichten die Anforderungen an solch eine Station nicht.

Reddern: Eine Wildtier-Klappe am Grundstück der Wildtierstation Reddern.
Reddern: Eine Wildtier-Klappe am Grundstück der Wildtierstation Reddern. Patrick Pleul/dpa

Wildtierauffangstationen haben unterschiedliche Standards 

So gab es in der Prignitz bis vor einigen Monaten bei Meyenburg eine Auffangstation für geschützte Wildtiere. Nach entsprechenden Hinweisen hatte das Veterinäramt die Schließung verfügt, weil „die artgerechte Tierhaltung nicht gewährleistet“ war. Der Verein Wildtier in Not e.V. will nun Bildungsangebote anbieten.

Lesen Sie auch: In der DDR war die Jugendweihe Pflichtprogramm – und heute?>>

Die wenigen häufig privat geführten Wildtierauffangstationen hätten sehr unterschiedliche Standards, weiß Nabu-Landesgeschäftsführerin Christiane Schröder. Einige seien mit der Nachfrage nach Unterbringungsmöglichkeiten überfordert. Zudem fehlten Schulungen für Betreiber solcher Einrichtungen. Schröder sieht die Verantwortung hierfür beim Land.

Wildtierklappe für verletze Tiere

Förster Heindel hat mittlerweile eine Wildtierklappe nach dem Babyklappen-Vorbild am Eingang des Areals installiert. Er beruhigt einen Storch mit einem abgebrochenen Schnabel. Seine Tochter fing ihn auf einem Spielplatz in Lübbenau, wo er hilflos umherirrte. Heindel vermutet, dass Adebar in eine aufgestellte Falle geraten war. Damit das Tier wieder fressen kann, hat er eine provisorische Schnabelprothese mit Reparaturkitt gebastelt. Die Idee sei, mit einem 3D-Drucker eine richtige Prothese für den Storch zu bauen.

Sabine Lehmann und Tochter Sonja aus dem Kreis Elbe-Elster haben einen Jungstorch vorbeigebracht, der eine Fehlbildung am Flügel hat. „Herr Heindel ist immer Retter in der Not, er sagt nie Nein“, lobt die 55-Jährige, die Weißstörche im Altkreis Herzberg betreut.

Lesen Sie auch: Schneller Snack fürs Abendbrot? Hier kommt das Rezept für Pizza-Schnecken>>

Froh sind die Heindels, wenn Tiere gesund in die Natur zurückgelassen werden können, denn dann wird Platz für nächste Bewohner frei. Aufgezogene Schwanenkinder oder ein zwei Jahre aufgepäppeltes Fischotterweibchen fanden am nahen Gräbendorfer See ein Zuhause.

Unterdessen stakst ein Schwarzstorch den Weg entlang. Das Tier aus Niedersachsen ist zu Zuchtzwecken in der Auffangstation. „Wir wollen Schwarzstörche als Kulturflüchter wieder ansiedeln, sie leben eigentlich in unberührten Waldgebieten, die es so nicht mehr gibt.“