Der Getreidespeicher Gramzow. Für den Erhalt und die Umwandlung des Getreidespeichers Gramzow (Uckermark) erhalten M. Busch und F. Wiemeyer aus Schwedt in diesem Jahr den Deutschen Denkmalpreis. 
Der Getreidespeicher Gramzow. Für den Erhalt und die Umwandlung des Getreidespeichers Gramzow (Uckermark) erhalten M. Busch und F. Wiemeyer aus Schwedt in diesem Jahr den Deutschen Denkmalpreis.  Patrick Pleul /dpa 

Zehn Geschosse, in Betonskelettweise gebaut – der Speicher von Gramzow in der Uckermark ist schon von Weitem zu sehen. Mit seiner fast vollständig erhaltenen Technik gilt er als anschauliches Zeugnis der Wirtschaftsgeschichte der DDR. Dass das Gebäude von 1953/54 heute noch so hervorragend erhalten ist, verdankt das Land Manuela Busch und Frank Wiemeyer. Sie haben den denkmalgeschützten Speicher saniert und zu einem Kunst- und Kulturort gemacht.

Für ihr Engagement um das 30 Meter hohe Industriedenkmal werden die beiden Schwedter am 7. November in Hamburg mit dem Deutschen Denkmalpreis 2022 ausgezeichnet. Im letzten Jahr bekamen Busch und Wiemeyer für die Rettung des Industriedenkmals bereits den Brandenburger Denkmalpflegepreis.

30 Meter hoher Speicher denkmalgerecht saniert 

Jahrzehntelang stand das Industriedenkmal Speicher Gramzow leer. 2015 entdeckten Manuela Busch und Frank Wiemeyer das Potenzial des 30 Meter hohen Gebäudes, kauften und sanierten es denkmalgerecht.

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Von außen wirkt der ehemalige Speicher im uckermärkischen Gramzow wie ein in die Jahre gekommener alter Betonklotz. Da er mit 30 Metern Höhe alle anderen Gebäude des Dorfes weit überragt, fällt der Blick unwillkürlich auf das Bauwerk. So ging es auch Manuela Busch und Frank Wiemeyer. Seit der Wende kamen die beiden immer mal wieder an dem inzwischen leerstehenden Speicher vorbei. „2015 waren wir erstmals auch im Gebäude und erkannten sofort sein Potenzial – 2800 Quadratmeter Nutzfläche, und jeder Raum sieht anders aus“, sagt Wiemeyer.

Alte Rohrleitungen im Getreidespeicher Gramzow.  Heute finden hier Ausstellungen und Konzerte statt. 
Alte Rohrleitungen im Getreidespeicher Gramzow.  Heute finden hier Ausstellungen und Konzerte statt.  Patrick Pleul/dpa

Der Gramzower Klotz, 1953/54 erbaut, sei der Prototyp aller Speicherbauten in der damaligen DDR gewesen, recherchierten er und seine Lebensgefährtin. „Es gibt ein ziegelsichtiges Mauerwerk mit siebenfach geteilten Fensterfronten in allen Etagen, eine Bauweise, die an die Bauhaus-Architektur erinnert und so in späteren Speichern nicht mehr umgesetzt wurde“, erklärt der 58-jährige Fotograf, der vor allem den kulturhistorischen Wert des seit 1990 unter Denkmalschutz stehenden Speichers hervorhebt. Experten bezeichnen die 5000 Tonnen fassende Konstruktion als typisches Zellensilo.

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Wiemeyer und Busch kauften das Gebäude einer Handelsgenossenschaft ab, begannen es gemeinsam mit Freunden zu entrümpeln und zu sichern. Eine sechsstellige Summe inklusive einiger Fördermittel investierten sie bisher, um den Koloss wieder nutzbar zu machen.

„Kunst-Berghain in der Uckermark“

Das Magazin nannte den Speicher jüngst das „Kunst-Berghain in der Uckermark“, seit drei Jahren ist der alte Speicher  Kulturort für Ausstellungen und Konzerte – allerdings nur von Mai bis Oktober. „In den kalten Monaten müssten wir heizen, von den Kosten her wäre das nicht zu stemmen“, sagt der Speicherretter.

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Eine alte Getreideprobe vom Raps aus dem Jahr 1991 steht im Getreidespeicher Gramzow.
Eine alte Getreideprobe vom Raps aus dem Jahr 1991 steht im Getreidespeicher Gramzow. Patrick Pleul / dpa

„So einen Preis für ein Industriegebäude aus DDR-Zeiten zu bekommen, ist schon bemerkenswert“, meint Wiemeyer. Der Denkmalstatus des Speichers sei schon eine Herausforderung gewesen. „Du beginnst mit Leidenschaft und musst später mental stark sein“, sagt er schmunzelnd. Sie hätten den richtigen Riecher gehabt, als sie 2015 erstmals im Speicher standen.

„Doch das war uns damals nicht bewusst“, ergänzt Busch. Dass sich ihre Bemühungen lohnen, hatten die beiden Speicherretter bereits im vergangenen Jahr bestätigt bekommen – mit dem Brandenburger Denkmalpflegepreis und dem Vorschlag des Landes an das Nationalkomitee für den Deutschen Denkmalpreis.

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„Über viele Jahre haben sich Besucher der Region gefragt, was mit dem beeindruckenden Objekt wohl passiert“, erinnert sich Anet Hoppe, Geschäftsführerin der tmu Tourismus Marketing Uckermark GmbH. Im Spannungsfeld zwischen Industriedenkmal und einer Neuinterpretation von einem Kunstort sei das Gebäude öffentlichkeitswirksam wiederbelebt worden, lobt sie.

Leuchtturm-Projekt für die Region 

„Denkmalschutz polarisiert. Der Speicher Gramzow könnte Mutmacher für weitere Projekte in der Uckermark sein“, hofft sie. Mit Ausstellungen und Konzerten, bei denen Musiker die besondere Akustik loben, locken die Speicherliebhaber nicht nur Kunstinteressierte aus ganz Deutschland an. „Wir wollten auch immer etwas für die Region tun“, betont Wiemeyer.

Manuela Busch und Frank Wiemeyer stehen in ihrem Getreidespeicher. 
Manuela Busch und Frank Wiemeyer stehen in ihrem Getreidespeicher.  Patrick Pleul/dpa

So sei die Veranstaltungsreihe „Techno und Beton“ inzwischen bei jungen Leuten aus der Uckermark beliebt. Beim Tag der offenen Tür seien rund 1000 Besucher aus der näheren Umgebung gezählt worden. Inzwischen müsse man Künstler für Ausstellungen nicht mehr suchen.

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„Die melden sich inzwischen bei uns und wollen sich hier präsentieren“, betont Wiemeyer. Die Berliner Fotografin Isabel Kittler, die gemeinsam mit 22 anderen Künstlern schon in Gramzow ausstellte, ist „voller Bewunderung“ für das Projekt. „Das Gebäude hat Industriecharme und ist trotzdem nicht total steril oder aalglatt gestaltet, Busch und Wiemeyer sind professionell und gleichzeitig einfühlsam, mit ansteckendem Enthusiasmus“, lobt Kittler, die sich als Künstlerin wahrgenommen und verstanden fühlte.

Überwältigender Panaromablick in die Uckermark

Noch immer recherchieren die Speicherretter zur Geschichte des Gebäudes, in dem zu DDR-Zeiten neben Getreide auch Raps und Hülsenfrüchte in insgesamt 28 Silos gelagert wurden. Die beiden Schwedter haben dazu Kontakt zur ehemaligen technischen Leiterin des einst volkseigenen Erfassungs- und Ankaufbetriebes der Getreidewirtschaft Prenzlau (Uckermark).

„Wir machen ja auch Führungen und wollten den Leuten erklären, wie der Speicher funktionierte und welche ingenieurtechnische Leistung dahinter steckt“, sagt die studierte Germanistin Busch. Viele Besucher seien überwältigt, nicht zuletzt vom Panoramablick in die malerische uckermärkische Landschaft, der sich durch die Fenster in den oberen Etagen bietet, freut sich die 58-Jährige. Wer eine Eintrittskarte für den Speicher kauft, kann diese während der gesamten Saison nutzen, so oft er will.