Das wird riesig, es gibt Skepsis und Widerstand: In Rummelsburg ist ein gewaltiges Gewerbegebiet geplant
In einem Wettbewerb wurden Vorschläge für eine Bebauung in Rummelsburg zwischen Spree und Köpenicker Chaussee gemacht, für Büros und Gewerbe, aber ohne Wohnungen

Köpenicker Chaussee, Rummelsburger Landstraße. Das klingt nach Weite, Grün, Alleebäumen. Tatsächlich versperren umzäunte Brachen, eine Baustoff-Recyclinganlage, das alte Kraftwerk Rummelsburg und einige wenige Hallen und Gewerbegebäude den Zugang zur Spree, am Tor zum Funkhaus Nalepastraße macht ein Schild deutlich, dass Spaziergänger zur Spree eigentlich nicht erwünscht sind. Senat und die Bezirksämter Lichtenberg und Treptow-Köpenick wollen nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einen Zugang zur Spree und gleichzeitig Büro- und Gewerbeflächen schaffen. Wie immer in Berlin: Es gibt Kritik und Widerstand.
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„Spreeküste“ heißt das Stichwort, unter dem ein sogenanntes Werkstattverfahren durchgeführt wurde: Architekten und Landschaftsplaner sollten vorschlagen, wie das rund 30 Hektar große Areal zwischen Köpenicker Chaussee / Rummelsburger Landstraße im Osten, Spree im Westen, Rummelsburger Stichkanal im Norden und Laubenkolonie Wilhelmstrand im Süden gestaltet werden könnte.
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Zwei Architektenbüros teilen sich den ersten Platz, und der Entwurf der Architekten „Ortner & Ortner“ mit den Landschaftsplanern „capattistaubach urbane landschaften“ soll auf einem kleinen Teil der „Spreeküste“ auch umgesetzt werden: Gegenüber der historischen Gaswerksiedlung will die Projektentwicklungsfirma Archigon unter dem Namen Spreewerk auf 3,2 Hektar mehrere Gebäude für Gewerbebetriebe und Büros errichten, darunter ein 28geschossiges Hochhaus. Mit 108.000 Quadratmetern Geschossfläche und Kosten von etwa 550 Millionen Euro.
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Beim offenen „Kiezforum Rummelsburg“ ist man gegen die Pläne. Sprecher Hans Pagel: „Wenn das gesamte Projekt Spreeküste umgesetzt wird, sollen dort 8000 Menschen auf fast 500.000 Quadratmetern Geschossfläche arbeiten.“ Das hätte mehrere Konsequenzen.
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Kiezforum Rummelsburg fürchtet mehr Staus und eine überlastete Straßenbahn
Die Straßenbahn vor der Tür könnte die Massen nicht bewältigen, selbst, wenn 2024 die vorhandene Linie 21 um die Linie 22 ergänzt würde. Mehr als 600 Leute pro Stunde könnte man vom Ostkreuz nicht heranschaffen. Das bedeute mehr Autoverkehr, schon jetzt gebe es gerade stadteinwärts häufig Stau vor dem Ostkreuz.
Und selbst wenn zwischen den Neubauten und der Spree eine öffentliche Grünanlage entstünde, würden die Baumassen von „Spreewerk“ und „Spreeküste“ das von Natur geprägte Gegenüber „erschlagen“ – den Plänterwald mit dem Eierhäuschen auf der anderen Spreeseite.
Schließlich sei in dem gesamten Bereich keine einzige Wohnung geplant. Nach Feierabend, so sagt es Pagel, würde dort Ödnis einziehen. Dabei wäre das Areal eine großartige Wohnlage.
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Das Argument der Verwaltungen, in dem vom Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet definierten Areal dürfe man keine Wohnungen errichten, lässt er nicht gelten. Insbesondere das 2017 auf Gas umgestellte Kraftwerk Klingenberg werde es nicht dauerhaft geben und Wohnungsbau verhindern.
Anlieger hoffen auf Bezirksverordnete: Sie könnten die Bebauungspläne stoppen
Pagel hofft, dass die Bezirksverordnetenversammlungen von Lichtenberg und Treptow-Köpenick die notwendigen Bebauungspläne zu Fall bringen, auch von der Linken im Abgeordnetenhaus erwartet er Unterstützung.
Die Problematik der abendlichen Verödung sieht auch Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD), der mit der knappen Versorgung Berlins mit Gewerberaum für das Projekt wirbt. Er hofft, dass die bildenden Künstler und Musiker, die in der Gaswerksiedlung arbeiten (gewohnt wird dort praktisch nicht mehr), die Kultur auf die andere Straßenseite bringen. Veranstaltungsorte und Lokale könnten die Bewohner der rund 2000 Wohnungen in der nahegelegenen, neuen „Parkstadt“ am Blockdammweg anlocken.
Die ersten Häuser der „Spreeküste“ könnten 2027 fertig sein
Hönicke hofft mit dem Projektentwickler, dass das vorhabenbezogene Bebauungsplan-Verfahren für das Archigon-Projekt 2024 abgeschlossen sein, Ende 2024 oder Anfang 2025 mit dem Bau begonnen werden kann. Laut Archigon könnten die ersten Gebäude 2027 fertiggestellt sein.
Rolf, Tischler und Messebauer aus der Gaswerksiedlung, sieht für die Zeit danach schwarz: Dann würden die Mieten in den Altbauten steigen, und die kleinen Firmen an den Rand der Stadt oder das Umland verdrängt.
Anne Werner, die seit anderthalb Jahren mit zwei Kolleginnen das Café Muschkebart Blockdammweg Ecke Köpenicker Chaussee betreibt, ist zwiegespalten: „Das Hochhaus stelle ich mir gewöhnungsbedürftig, eigentlich hässlich vor.“ Gut dagegen sei, dass man bei der Realisierung der Pläne an der Spree spazieren gehen könne.

Auch Anne Werner sieht die Gefahr der Verdrängung, für ihr Geschäft allerdings wäre es gut, wenn gegenüber viele Menschen arbeiten würden.
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Die freie Journalistin Maren Reusch, die gerade einen Arbeitsraum in der Gaswerksiedlung bezieht, spricht sich eindeutig dafür aus, dass hier Sozialwohnungen errichtet werden, „und wenn schon gebaut wird, dann bitte klimaneutral“. Außerdem reiche der 20-Minuten-Takt der Straßenbahn nicht aus.
„Bitte keine Geisterstadt!“
Tanja und Philipp, die mit ihrem kleinen Sohn in die Parkstadt gezogen sind, halten das Projekt zunächst einmal für wünschenswert, weil es besser sei als das Nichts jetzt. Philipp formuliert allerdings, dass keine Geisterstadt entstehen dürfe, Tanja präzisiert, es müsse beispielsweise wegen Restaurants abends etwas los sein.

Seitens der Firma Archigon gibt es Ideen zur abendlichen Belebung. Mit der Möglichkeit für „Wohnen auf Zeit“, durch Lokale und Veranstaltungen, und mithilfe einer Art Campus-Struktur: Neben Büros und Gewerbe, das seine Produkte in „Showrooms“ vorführen könne, setze man auf Kultur und auch auf Forschung und Entwicklung – Bereiche, in denen in der Regel nicht um 17 Uhr Feierabend gemacht wird.
Wie die Häuser des „Spreewerks“ und der „Spreeküste“ am Ende aussehen werden, ist noch nicht fix. Im Wettbewerbsverfahren sollten erst einmal nur die Größen und Orte der vorgesehenen Bebauung festgelegt werden.
Mitreden erwünscht: Bürger können ihre Meinung sagen
Die insgesamt sieben Wettbewerbsbeiträge für die Spreeküste sind noch bis Mittwoch, 5. April, von 14 bis 19 Uhr im Stadtbad Lichtenberg (Hubertusstraße 47) ausgestellt.
Parallel zur Ausstellung der Entwürfe im Stadtbad Lichtenberg werden die Ergebnisse des Werkstattverfahrens bis zum 27. April digital auf „mein.berlin.de“ (https://mein.berlin.de/projekte/stadtebauliches-werkstattverfahren-spreekuste/) gezeigt.
Hier kann man die prämierten Siegerentwürfe kommentieren, die jetzt überarbeitet werden. „Alle analog und digital eingereichten Stellungnahmen und Kommentare werden im Rahmen der Überarbeitung berücksichtigt“, verspricht das Bezirksamt und erhofft sich dabei auch Ideen zur Belebung.