Das große Fischsterben in der Oder – geht es schon wieder los?
Eine Hauptursache ist eine giftige Algenart, deren Wachstum durch die nun ansteigenden Temperaturen wieder gefördert wird.

Das Fischsterben in der Oder: Es zählt zu den größten Umweltkatastrophen des vergangenen Sommers in unserer Region. Für Aale, Zander, Hechte, Störe, Welse und Muscheln wurde damals der Fluss zum Massengrab. Nun schlagen Forscher Alarm, dass sich die Umweltkatastrophe in diesem Jahr wiederholen könnte.
Friedlich zeigt sich derzeit der deutsch-polnische Grenzfluss. Kaum etwas erinnert an das große Sterben vor einem Jahr. Fischer, Helfer und Forscher hatten damals mindestens 360 Tonnen toten Fisch aus der Oder geholt.
Die Katastrophe kann in diesem Jahr wieder passieren, befürchten Wasser-Biologen wie Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Er und sein Team untersuchen in einem vom Bund bis 2026 geförderten Forschungsprojekt die Folgen des massenhaften Fischsterbens.
Fischsterben in der Oder: Zu viel Salz im Fluss fördert erneut das Wachstum der Killer-Alge
Als Verursacher der Katastrophe von 2022 steht eine bisher nie dagewesene hohe Salzkonzentration in der Oder fest. Sie entstand durch Industrie-Abwässer, die vor allem von Firmen auf der polnischen Seite in den Fluss eingeleitet wurden. Der hohe Salzgehalt lässt den Ökohaushalt im Wasser „kippen“, wie Experten sagen. Denn das Mineral in hoher Konzentration sorgt dafür, sich eine Alge in der Oder massenhaft ausbreiten kann, deren Gift die Fische tötet.
Gerade jetzt könne mit den wieder zunehmenden Temperaturen und dem geringen Wassertand der Oder das Wachstum dieser Alge erneut gefördert werden. Wie schlimm dies geschehen kann, hängt davon ab, wie stark sich die Brackwasseralge Prymnesium parvum in diesem Jahr ausbreitet, wenn es wärmer wird. „Die Oder ist voll mit der Alge“, sagt Wolter. Sie sei ein echter Tausendsassa, von der man noch zu wenig weiß. Daher will das IGB die Alge, die einen erhöhten Salzgehalt braucht und Toxine bilden kann, genauer untersuchen.

Eine große Gefahr für eine Wiederholung der Katastrophe ist, dass nach dem Fischsterben im vergangenem Sommer die Salzkonzentration, die das Algen-Wachstum beschleunigt, noch immer nicht abnahm. Das beweisen Wasserproben, die die Forscher des IGB Ende November 2022 aus dem Fluss entnommen hatten. Dabei stellten sie fest, dass die Salzgehalte in der Oder noch viel zu hoch waren.
Fischsterben in der Oder: Jetzt ist die Politik gefordert
Gewässerökologe Wolter fordert daher, dass die Verringerung der Konzentration eine unmittelbar notwendige Maßnahme sei, die nun rasch umgesetzt werden muss. „Wenn viel Salz im Fluss ist, muss man wenige einleiten“, sagt er.
Die Politik ist nun gefragt. Bei einer deutsch-polnischen Oder-Konferenz am Montag in Frankfurt (Oder) befassen sich daher unter anderem Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und zahlreiche Experten mit den Folgen der Umweltkatastrophe im vergangenen August und wie man eine Wiederholung verhindern kann.
Zu klären gibt es noch einen weiteren Streitpunkt zwischen Deutschland und Polen: Der auf beiden Seiten vereinbarte Ausbau der Oder, den vor allem Polen weiter vorantreibt. Forscher warnen, dass ein Ausbau und eine Vertiefung des noch recht naturnahen Flusses Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten zerstören kann.
Ausrichter der Oder-Konferenz sind die Fraktionen der Grünen im brandenburgischen Landtag und im Bundestag. Auch polnische Politiker werden dabei sein. Zuletzt wurden Bauarbeiten zum Ausbau der Oder von einem Gericht in Polen vorerst gestoppt. Geklagt hatten deutsche Umweltorganisationen und das Land Brandenburg.