Trotz des schlimmen Verlustes ihrer Tochter Alissa dreht sich beim Lehrer Torsten Schubert und seiner Frau Antje alles ums Rad. 
Trotz des schlimmen Verlustes ihrer Tochter Alissa dreht sich beim Lehrer Torsten Schubert und seiner Frau Antje alles ums Rad.  Volkmar Otto

Ohne Rad dreht sich nichts bei Familie Schubert aus Panketal. Schon immer waren Torsten und Antje auf zwei Rädern unterwegs. Ihre gemeinsame Tochter Alissa steckten sie mit dem Radfahrfieber an und gemeinsam fuhren sie als Team durch die Welt. Bis am 31. Juli 2014 ein schrecklicher Unfall Alissas Leben nahm und das ihrer Eltern für immer veränderte.

Unterricht für Radprofi Jan Ulrich 

Torsten Schubert ist, wie auch seine Frau Antje, Lehrer. Schon ganz zu Beginn seiner Laufbahn hat der heute 60-Jährige die Radsportler unterrichtet. In seiner Klasse an der Ostberliner Sportschule saß der junge Jan Ulich, Ulle wie er ihn noch immer nennt. Ein eher schüchterner und introvertierter Schüler, sein Trainer habe schnell sein Talent erkannt und ihn geschont, erinnert sich Torsten Schubert.

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Das erste Mal selber auf dem Rennrad saß Schubert auf Ulles altem Rad. Die Geschwindigkeit auf diesen dünnen Reifen – „da habe ich das Radfahren lieben gelernt“, sagt Torsten Schubert. Keiner kann ahnen, dass ausgerechnet diese Leidenschaft, die auch seine Tochter packen wird, ihm das Liebste nehmen wird.

In einer Vitrine sind Erinnerungstücke ausgestellt. Alissa war eine talentierte und begeisterte Radsportlerin. 
In einer Vitrine sind Erinnerungstücke ausgestellt. Alissa war eine talentierte und begeisterte Radsportlerin.  Volkmar Otto

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Für die Schuberts beginnt zunächst eine Amateur-Radsportkarriere. Jedermann-Rennen, Velothon, Trekkingrad-Touren, Langstrecken-Rennen. Antje Schubert will schnell nicht nur an der Strecke stehen und den Beutel halten, sie steigt ebenso begeistert aufs Rennrad und fährt erfolgreich mit. Kein Wunder, dass auch die kleine Tochter Alissa schon früh ein Fahrrad-Profi wird.

„Mit zehn, elf war sie ein Pferdefan“, erinnern sich die Eltern. Sie wünschte sich ein Rennpferd, und bekam ein Rad, auf dem sie dann ausritt als wäre sie Bibi. Oder Tina.

Die Stille die Alissa hinterlässt 

In dem Haus in Panketal in dem die Eltern von der toten Tochter erzählen, ist die Stille, die Alissa hinterlässt, noch immer hörbar. Bilder stehen von ihr im Regal: dunkle volle Haare, blitzende Augen. Käme sie jetzt die Treppe herunter, sie wäre 23 und auf dem Sprung aus dem elterlichen Nest in ein eigenes Leben.

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Alissa startet als junges Mädchen bei ihren ersten Rennen und hat schnell Erfolge, die Familie fährt nach Paris, steht bei der Tour de France an der Strecke, trifft im Hotel die Stars der Szene. „Das waren unsere schönsten Jahre“, sagt Torsten Schubert. „Wir waren ein Team und Radfahren war unser Leben.“

Wie macht man weiter, wenn das Kind nicht mehr lebt? Die Schuberts haben sich entschlossen, den Weg gemeinsam zu bewältigen. 
Wie macht man weiter, wenn das Kind nicht mehr lebt? Die Schuberts haben sich entschlossen, den Weg gemeinsam zu bewältigen.  Volkmar Otto

Je mehr Alissa im Radsport wagt, je erfolgreicher sie ist, desto mehr stecken die Eltern zurück, begleiten stolz ihre Tochter. Längst hat sie die Alten leistungsmäßig überholt. Und so soll es sein, die Jungen lernen, sie wachsen und überholen einen irgendwann. Die Kinder aufwachsen sehen, stolz sein - dieser Lebenslauf, den man leichtsinnigerweise für selbstverständlich hält, er wird für die Schuberts jäh ausgebremst.

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Der 31. Juli 2014, ein Donnerstag, den Antje und Torsten Schubert im Urlaub in Brandenburg verbringen, während Alissa im Trainingscamp in der Sächsischen Schweiz ist, verändert alles. Alissa ist mit 70 Kilometern pro Stunde unterwegs als sie in einer Rechtskurve zu weit auf die linke Fahrbahn gerät, Ein Kollege ruft noch, Alissa bremst und rutscht, sie prallt mit einem LKW zusammen. Alissa ist 15 Jahre alt, als sie noch am Unfallort stirbt.

Die Nachricht vom Tod der Tochter: wie im Film – nur viel schlimmer 

In der Nacht klopft die Polizei bei Antje und Torsten. Wie im Film sei das gewesen, nur viel schlimmer, erinnern sie sich. „Erstmal muss man sich entscheiden, dass man sich nicht sofort umbringt“, sagt Antje Schubert acht Jahre und einen Sommer später an ihrem Esstisch im Wohnzimmer.

Sie sagt es mit fester Stimme, sie hat sich damals nicht das Leben genommen. Da waren ja Menschen, die sie weiter brauchten. Vielmehr haben Torsten und Antje ihr Leben in den Dienst dessen gestellt, was Alissa so liebte.

Im Keller hängt noch Alissas Unfallrad an der Wand, Medaillen bedecken den verbogenen Rahmen.
Im Keller hängt noch Alissas Unfallrad an der Wand, Medaillen bedecken den verbogenen Rahmen. Volkmar Otto

Antje und Torsten Schubert vermeiden zu emotionale Worte, wenn sie über ihre Tochter sprechen. Doch auch für Torsten stellte sich nach dem Tod der Tochter zunächst die Frage: Fahre ich überhaupt jemals wieder Rad? Schnell ist klar: Wir müssen fahren, damit es überhaupt irgendwie weiter geht. Die Radsport-Community ist Halt und Aufgabe zugleich. Hier sind sie Alissa nah.

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In einer Vitrine neben dem Esstisch sind all die Erinnerungen an das Leben mit Alissa aufbewahrt. Medaillen, Bilder, der Text, den Torsten zur Beerdigung seines Kindes vorgelesen hat, treibt einem noch jetzt die Tränen in die Augen.

Wie soll man weiter leben, wenn das eigene Kind tot ist? 

Doch irgendwann, wenn der Schmerz dumpfer wird, die Fragen nach dem Unfall seltener, die Blumen auf dem Grab weniger, stellt man fest, dass man sein Leben weiter leben, ihm in einem neuen Rahmen weiter Sinn geben muss.

Um die Erinnerung an ihre Tochter wach zu halten, haben die Schuberts den Alissa Schubert Nachwuchspreis ins Leben gerufen, schon wenige Monate nach Alissas Tod haben sie einen Verein gegründet. Jedes Jahr bekommt die beste Nachwuchssportlerin unter 15 Jahren einen Pokal und 500 Euro. Der Verein BURN (Berliner Verein zur Unterstützung des Radsportnachwuchses) sammelt Spenden und fördert seitdem  Radsportprojekte für Kinder und Jugendliche.

Weiter fahren, alles andere war keine Option für Torsten und Antje Schubert. Beide setzten sich unermüdlich für den Radsportnachwuchs ein. 
Weiter fahren, alles andere war keine Option für Torsten und Antje Schubert. Beide setzten sich unermüdlich für den Radsportnachwuchs ein.  Volkmar Otto

Torsten Schubert hat an der Bucher Hufelandschule einen Wahlpflichtkurs Mountainbike initiiert. „Radfahren ist das Fortbewegungsmittel der Zukunft“, sagt er seinen Schülern. Und: „Träumt nicht von Autos.“

Der Spruch „In guten wie in schlechten Zeiten“ ist für Antje und Torsten Schubert nicht nur irgendeiner. „Wir gehen da jetzt gemeinsam durch“, haben sie sich nach dem Tod ihres Kindes versprochen. An Alissas Unfallfahrrad im Keller hängen heute die Medaillen, die die Familie zusammengetragen hat. Torstens, Antjes und Alissas.