Mit Bomberjacke im Konzerthaus: Danger Dan wurde im ausverkauften Haus von den Fans gefeiert.
Mit Bomberjacke im Konzerthaus: Danger Dan wurde im ausverkauften Haus von den Fans gefeiert. Imago/Thesing

Es besteht noch Hoffnung für alle Gangsta-Rapper. Danger Dan ist das beste Beispiel dafür, dass diese Karriere keine Sackgasse sein muss. Die seine führte ihn jetzt sogar ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

40 Jahre alt wird der Musiker in diesem Jahr und findet es deshalb albern, wenn man ihn mit Danger Dan, seinem Künstlernamen, anspricht. Und so stellt er sich im Konzerthaus vor wie in einem Stuhlkreis der Anonymen Alkoholiker, okay, der Nichtanonymen Gangsta-Rapper.

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„Ich heiße Daniel und bin eigentlich Gangsta-Rapper bei der Antilopengang.“ Aber wie das so mit dem Eigentlich ist. Inzwischen ist, sorry, Danger Dan solo größer als mit Band. Das Nummer-eins-Album „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ hat ihn zum Star gemacht. Der sogar im Konzerthaus spielt.

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Im Publikum ist alles vertreten: vom Stylo-Punk bis zum 70-jährigen Konzerthausgänger

Ein Auftritt, der Daniel zum Staunen bringt: „Wahnsinnig golden hier.“ Das Publikum ist genauso wahnsinnig gemischt. Vom Stylo-Punk bis zum 70-jährigen Konzerthausgänger im Anzug jubeln die Gäste dem vielleicht besten Geschichtenerzähler seiner Generation zu. Der Position bezieht, nicht nur mit seinen Liedern. Und das unterhaltsam.

„Wahnsinnig golden hier“: Im großen Saal des Konzerthauses lief diesmal keine Klassik.
„Wahnsinnig golden hier“: Im großen Saal des Konzerthauses lief diesmal keine Klassik. Stefan Henseke

Gleich anfangs erzählt er, dass er keine AfD-Sympathisanten im Auditorium möchte, dass auch Sexismus bei ihm keinen Platz habe. Ruft ein Zuschauer, erkennbar Fan, dazwischen: „Hör auf zu quatschen, spiel!“ Danger Dan grinst und sagt: „Dumme Zwischenrufe sind erlaubt!“ Und spielt „Lauf davon“. 

Danger Dan erzählt, das er das Konzept, Mann sitzt am Klavier und spielt traurige Lieder, nicht so mag. Wir sehen auf der Bühne: einen Mann am Klavier, der nicht ganz so traurige Lieder spielt. Er sagt, dass er eigentlich lieber Rap und Rock mag, aber dann kam die Pandemie. „Ich nahm mein Klavier nach Hause, um die Lieder zu üben, die ich immer falsch gespielt habe.“  

Elf Schulen in 15 Jahren: Mit dem Von-der-Schule-Fliegen hat Danger Dan Erfahrung

War aber langweilig, also schrieb er eigene Lieder. Der Rest ist bekannt. Am 26. März 2021 veröffentlicht Daniel Pongratz alias Danger Dan die Single „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, wo er gegen Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek, Alexander Gauland und Ken Jebsen austeilt. Innerhalb von zwei Wochen wird das Musikvideo 1,3 Millionen Mal auf YouTube aufgerufen.

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Die Lieder der Pandemie waren es auch, die im Konzerthaus gefeiert wurden. „Eine gute Nachricht“, „Nudeln und Klopapier“. Nach einer Dreiviertelstunde bekommt Danger Dan Unterstützung. Passend zum Klavier – von Streichern. Das Heck-Quartett spielt ein Lied, das Danger Dan herausgesucht hat und das in der NS-Zeit verboten war: „Mein Vater wird gesucht“. Der Text stammt von Hans Drach, die Musik von Gisela Kohlmey. Ein Lied über ein Kind, das erzählt, wie sein Vater von den Nazis verfolgt und getötet wird.  

Später singt Danger Dan noch ein Lied von Georg Kreisler: „Meine Freiheit, deine Freiheit“. Man spürt, Danger Dan ist Freiheit, das, was damals war, das, was heute passiert, wichtig. Er berichtet von seinem Konzert in Bautzen im Oktober vergangenen Jahres. Und dass die Demonstranten bei Anti-Corona-Demos vor der Konzerthalle immer noch „Merkel muss weg“ riefen. „Wirklich, ich hab es doch gehört!“, sagt er entgeistert.

Der Mann am Klavier: Danger Dan auf der Bühne im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.
Der Mann am Klavier: Danger Dan auf der Bühne im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Thesing/imago

Der Geschichtenerzähler zeigt sich auch in „Ingloria Victoria“. In dem Lied, in dem Danger Dan seine traumatischen Schulerlebnisse verarbeitet, sind so viele Worte in ein enges Versmaß gepresst, dass er sie selbst nur ganz atemlos singen kann.

Das Victoria-Gymnasium in Aachen / Schmückt sich auf Wikipedia mit meinem Namen / Bekannter Schüler dieser Schule soll ich mal gewesen sein / Das ist grundsätzlich zwar richtig, aber jetzt mal im Detail / Dass ich dort Schüler gewesen war, ist etwas übertrieben / Ich hätte mich mehr als Geschädigten beschrieben 

Danger Dan

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Danger Dan erzählt, wie sein Name nach dem Erscheinen des Liedes urplötzlich aus dem Wikipedia-Eintrag der Schule verschwand. Der 39-Jährige schrieb sich selbst wieder rein. Pingpongmäßig ging das immer weiter. Raus, rein, raus, rein. „Das retraumatisiert mich“, erklärt der Musiker dem lachenden Publikum im Konzerthaus. „Keiner ist öfter von einer Schule geflogen als ich.“ Momentan steht er übrigens wieder drin im Wikipedia-Artikel über die Viktoriaschule (Aachen). 

Mit dem Von-der-Schule-Fliegen hat Danger Dan Erfahrung. Er ist in 15 Jahren von elf verschiedenen Schulen geflogen, hat mehrere Ausbildungen abgebrochen, wie er sagt. Und: „Ich habe gefühlt: Ich will Musik machen.“ Ja, zum Glück gibt es ja den zweiten Bildungsweg Gangsta-Rapper ...