Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) könnte sich auch ein Alkoholverbot vorstellen.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) könnte sich auch ein Alkoholverbot vorstellen. Foto: Imago / Zensen

Mit ihrer Idee, den Ausschank von Alkohol in Gaststätten und Bars zu verbieten, stößt Berlins SPD-Gesundheitssenatorin auf massive Kritik. Dilek Kalayci will auf diese Weise die Ausbreitung der Corona-Pandemie verhindern. „Ein Alkoholverbot würde völlig übers Ziel hinausschießen und wäre eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, weil diejenigen bestraft würden, die sich an die Regeln halten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Tim-Christopher Zeelen am Montag dem KURIER. „Man muss dafür werben, dass alle verstehen, was zu tun ist. Und es muss endlich mehr kontrolliert werden.“

Die Senatorin hatte es in einem Interview mit der Berliner Morgenpost für richtig befunden, „über ein Alkoholverbot nachzudenken, wenn sich die Disziplin in den Gaststätten nicht verbessert“. Denn offenbar sorge der Alkoholgenuss dafür, dass die Menschen nachlässiger würden und kaum noch Abstand hielten. Das führe dazu, dass sich die Infektionen mehr ausbreiteten. „In den Gaststätten kommen oft viele Menschen eng zusammen, wenn dann noch viel Alkohol getrunken wird, dann wird es schwierig.“

Sebastian Czaja, FDP-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, hält von Kalaycis Idee ebenfalls nichts: „Ein generelles Alkoholverbot in Gaststätten wäre wenig zielführend. Die letzten Wochen in Berlin haben doch gezeigt: Wenn die Bar geschlossen bleibt, wird zuhause oder in den Parks getrunken. Hier haben Ordnungsamt und Polizei noch weniger Kontrolle über das Geschehen. Leidtragende wären einzig die Gastronomen, von denen viele nicht wissen, wie sie es durch die Krise schaffen sollen. Ein Öffnungsverbot durch die Hintertür wäre für viele das endgültige Aus.“

Bußgelder müssen konsequent verhängt werden.

Dilek Kalayci

Nach Einschätzung von Kalayci werden Abstands- und Hygieneregeln oft nicht eingehalten und die Dokumentationspflicht vernachlässigt. Laut Infektionsschutzverordnung des Senats sind unter anderem Gastwirte verpflichtet, Anwesenheitslisten ihrer Gäste zu führen. Diese müssen den vollen Namen, Telefonnummer, Anschrift oder E-Mail-Adresse und Anwesenheitszeit enthalten. Diese Dokumentation muss vier Wochen lang aufbewahrt und dem Gesundheitsamt auf Verlangen übergeben werden.

Bußgelder müssten konsequent verhängt werden, sagte Kalayci. „Aus meiner Sicht wird davon bisher zu wenig Gebrauch gemacht.“ Für nachlässige Wirte und Kellner habe sie absolut kein Verständnis, so die Senatorin. „Wenn sie wollen, dass die Restaurants und Biergärten offen bleiben dürfen, dann müssen sie die Abstandsregeln und Dokumentationspflicht einhalten.“ Zudem sorge der Alkoholgenuss dafür, „dass die Menschen nachlässiger werden, laut werden, kaum noch Abstand halten“.

Erst in der vorvergangenen Woche war bekannt geworden, dass sich in einer Neuköllner Bierkneipe etliche Gäste am Coronavirus angesteckt hatten. Das Gesundheitsamt des Bezirks schickte 68 Gäste und sieben Beschäftigte in Quarantäne. Allerdings waren 41 weitere Gäste nicht zu ermitteln. Sie hatten auf der Anwesenheitsliste unvollständige oder falsche Angaben gemacht, was die Kontaktnachverfolgung unmöglich machte. Nach Angaben eines Sprechers von Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) konnten die meisten dieser Unbekannten inzwischen ermittelt werden. Einige hätten sich gemeldet, nachdem das Gesundheitsamt am 28. Juli einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht habe. Auch Liecke erklärte damals: „Wer diese Verantwortung nicht ernst nimmt, trägt eine Mitschuld an der weiteren Verbreitung der Infektion, an möglicherweise schweren Krankheitsverläufen und an möglicherweise erneuten tiefen Einschnitten in unser aller Freiheit durch neue harte Eindämmungsmaßnahmen.“

Thomas Lengfelder, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes, sagte am Montag. „Wir appellieren die ganze Zeit an Gastronomen und Gäste, sich an die Vorschriften zu halten. Alles anderes schadet uns selber“, sagte er der Berliner Zeitung. Kein Wirt sei jedoch befugt, sich die Personalien seiner Gäste geben zu lassen – und das werde auch keiner wollen, schließlich wolle man seine Gäste behalten. Aber jeder Wirt möge doch wenigstens einmal auf den Gästezettel schauen und eine einfache Plausibilitätsprüfung vornehmen. Seien die Einträge offensichtlich falsch, könne er seine Gäste sehr wohl freundlich darauf ansprechen.

Mindestens so wichtig ist aus Lengfelders Sicht jedoch, dass auch die Ordnungsämter der Bezirke regelmäßig Präsenz in Lokalen zeigten. Das solle „auf Augenhöhe“ geschehen, so Lengfelder. Es müssten ja nicht sofort und jedes Mal Ordnungswidrigkeitsanzeigen geschrieben werden.

Inzwischen ruderte Dilek Kalayci zurück. „Es geht hier nicht um ein allgemeines Alkoholverbot“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag im RBB-Inforadio. „Das wäre ja auch Quatsch.“ Wenn jemand gepflegt am Tisch sitze, die Abstandsregeln einhalte und Wein trinke, könne man nichts dagegen haben. Problematisch seien trotz der frischen Luft hingegen Straßenzüge, wo sich Menschenmassen aufhielten und beim Trinken Partyatmosphäre entstehe.