Schüler der Eichendorff-Grundschule in Charlottenburg.
Schüler der Eichendorff-Grundschule in Charlottenburg. .Foto:  Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa

Inzwischen sind es 38 allgemeinbildende Schulen, an denen sich derzeit Schüler und Lehrkräfte in der Quarantäne befinden – der Bezirk Neukölln meldete am Freitag einen Fall an einer weiteren Grundschule, wo wegen der bestätigten Infektion eines Kindes 22 Schülerinnen und Schüler, zwei Lehrkräfte und eine Erzieherin in die Quarantäne gehen. Nachdem der Berliner Kurier am Freitag eine erste Übersicht über die Rolle des Coronavirus an allgemeinbildenden Schulen veröffentlicht hatte, überwiegt jedoch in den Reaktionen die Erleichterung: In allen bisher bekannten Fällen hatten sich die Betroffenen außerhalb angesteckt, und die Testergebnisse, die bislang vorliegen, zeigen keinen Hinweis auf Ansteckungen innerhalb einer Schule.

Valerie Kirchberger (Charité) koordiniert die Berliner Teststrategie. Zu den Corona-Schulzahlen sagt sie: „Das beruhigt mich.“
Foto:  Markus Wächter
Valerie Kirchberger (Charité) koordiniert die Berliner Teststrategie. Zu den Corona-Schulzahlen sagt sie: „Das beruhigt mich.“

Die Koordinatorin der Berliner Teststrategie Valerie Kirchberger blickt deshalb nach eigener Aussage „noch gelassen“ auf die vom Berliner Kurier veröffentlichten Zahlen: „Das sind bisher Einzelfälle und keine Ausbrüche. Das beruhigt mich“, sagte sie am Freitag. Die Kinderärztin und Charité-Forscherin sieht viel Verantwortung bei jedem Einzelnen: „Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, wir müssen alle an einem Strang ziehen und darauf achten, dass wir uns richtig verhalten – Kinder und Erwachsene“, so Kirchberger.

Die kostenlosen Screenings für symptomlose Kita- und Schulangestellte sollen zwar auch dazu beitragen, dass es weiterhin keine Coronavirus-Ausbrüche in Bildungseinrichtungen gibt. Trotzdem sieht Kirchberger die Tests eher als ein Angebot „on top“. „Wir werden es schlicht und ergreifend kurzfristig nicht schaffen, alle 30.000 Lehrerinnen und Lehrer der Stadt wöchentlich durchzutesten“, sagte Kirchberger. Sollte es jedoch irgendwann möglich sein, in Schulen und Kitas sowohl bei Angestellten als auch bei den Kindern jeden Morgen Schnelltests durchzuführen, wären Kirchberger und ihre Experten „sehr offen“, das zu diskutieren. „Ich halte Massentests nicht grundsätzlich für sinnvoll“, sagte Kirchberger, selbst Mutter von einem Schulkind und drei Kitakindern. „Aber für Schulen und Kitas könnte man sich das überlegen. Mein Mantra ist: Kinder müssen Bildung erhalten. Kitas und Schulen sind einfach der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft.“

Die Charité führt neben den Screenings derzeit auch eine Langzeitstudie an 24 Schulen und zwölf Kitas in Berlin durch, in denen in regelmäßigen Abständen immer dieselbe Personengruppe auf das Coronavirus, aber auch auf Antikörper getestet wird. Infektionsfälle, die in den Gemeinschaften anderer Kitas und Schulen festgestellt werden, werden im Rahmen dieser Studie allerdings nicht mitverfolgt. „Noch nicht“, sagte Kirchberger. „Das wäre wissenschaftlich interessant, denn da fließt viel zusammen, was wir oft noch nicht miteinander verknüpfen. Zum Beispiel wäre es interessant, die Testungen wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten, die bei einem Ausbruchsgeschehen in den Familien und im sozialen Umfeld durchgeführt werden.“

Bisher kein Infektionsgeschehen innerhalb einer Schule festgestellt

Für den Vertreter der Berliner Elternschaft Norman Heise ist die Nachricht, dass bisher kein Infektionsgeschehen innerhalb einer Schule stattgefunden hat, ebenfalls ein gutes Signal. „Positiv ist, dass die Hygienemaßnahmen zu greifen scheinen“, sagte Heise am Freitag. „Da können wir nur hoffen und appellieren, dass das auch so bleibt.“ Heise hatte Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gemeinsam mit einem Bündnis aus Bildungsgewerkschaft, Schülervertretern sowie Schulleiterverbänden wegen mangelhafter Vorbereitungen auf das neue Schuljahr vergangene Woche scharf kritisiert.

Er arbeitet aber auch im neuen „Hygienebeirat“ mit, von Scheeres gegründet, um den Vorwürfen etwas entgegenzusetzen, sie beteilige die verschiedenen schulischen Interessengruppen zu wenig oder gar nicht an der Entwicklung neuer Richtlinien. Heises wichtigstes Thema in dem neuen Gremium: schnellstmöglich die Vorbereitungen auf den bald beginnenden Herbst und Winter auf den Weg bringen. „Im Sommer ist es noch leichter zu lüften, um die Aerosole aus den Räumen zu bekommen“, sagte Heise. Für ihn ist die Ausrüstung der Klassenzimmer mit CO2-Messgeräten im Hygienebeirat genauso zu diskutieren wie eine „andere Gestaltung der Unterrichtszeit“. Ein Vorschlag, den der TU-Professor und Luftstromexperte Martin Kriegel macht, ist beispielsweise die Verkürzung der Unterrichtseinheiten auf 30 Minuten – um dann den leeren Raum 15 Minuten lang durchlüften zu können.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Paul Fresdorf, forderte am Freitag „ein gutes Testkonzept, welches darauf abzielt, dass Lehrkörper sowie Schülerinnen und Schüler jederzeit getestet werden können – auch bei Symptomfreiheit“. Dafür habe der Berliner Senat zu sorgen, so Fresdorf, denn: „Es darf unter keinen Umständen dazu kommen, dass Schulen oder Kita-Einrichtungen wieder geschlossen werden müssen.“

Der Co-Vorsitzende der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Tom Erdmann sagte dem Berliner Kurier, um Übertragungen innerhalb der Schule weiterhin zu verhindern, müssten die Schulen sich so organisieren können, dass Kontakte minimiert und Abstände gewahrt werden können. „Das wird unter den derzeitigen Vorgaben nicht funktionieren können: Wir weisen seit Jahren auf die Enge und die Raumnot hin.“ Erdmann forderte die Schulen auf, große Ansammlungen von Erwachsenen wie Gesamtkonferenzen möglichst zu vermeiden und für die Schüler „Organisationsformen mit festen Bezugspersonen“ zu schaffen. „Das alles ist aber in keinem Fall unter der Überschrift ‚Regelbetrieb‘ zu gewährleisten“, sagte Erdmann.