Karibik
Corona-Flucht aus dem Paradies
Gerald Ost und Martina Waltner mussten mitten in der Corona-Krise die Trauminsel Bonaire verlassen und segelten über den Atlantik nach Hause. Erst in Cuxhaven erlebten die Berliner die Überraschung ihres Lebens.

Das Schlimmste auf der ganzen langen Reise kam zum Schluss. Als Gerald Ost und Martina Waltner bereits 39 Tage auf hoher See hinter sich hatten, als sie nach der Atlantiküberquerung den Corona-Test auf den Azoren überstanden und schließlich der Heimathafen auf Rügen schon fast in Sichtweite war, erwies sich die Begrüßung in Cuxhaven als das kuriose i-Tüpfelchen auf einer Seereise, die die Berliner Segler so schnell nicht vergessen werden. Doch von vorne.
Gerald Ost und Martina Waltner verbringen seit elf Jahren ihre Winter nicht in Berlin-Kladow, wo sie ein Reihenhaus besitzen, sondern auf der Sonnenseite der Erdkugel. Mit ihrem elf Meter langen und sechseinhalb Meter breiten Katamaran „Tanoa“ schippern sie in den blauen Wassern der Karibik. Doch in diesem Jahr vertrieb Corona sie aus dem Inselparadies. Im Januar, als Martina Waltner noch einmal in Berlin ist, um nach dem Rechten in ihrem Steuerbüro zu sehen, ist Corona noch fern, eine Meldung aus China. „Vielleicht waren wir naiv, aber wir haben uns lange keine Sorgen gemacht“, sagt sie.

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Im Februar fliegt sie wieder zu ihrem Mann, sie wollen im März die British Virgin Islands besegeln, dann weiter zu den Spanischen Jungferninseln Culebra und Vieques. Doch die Nachrichten, die sie im Frühjahr an Bord der „Tanoa“ erreichen, werden besorgniserregend. Bisher gibt es hier in der Karibik nur vereinzelte Corona-Fälle. Am Freitag, den 13. März, starten sie von Culebra nach Bonaire. Und während der vier Tage langen Überfahrt beginnt der Lockdown im Paradies. Die ABC-Inseln, Aruba, Bonaire und Curaçao machen dicht, keiner darf mehr an Land, kein Flieger geht mehr nach Hause.
Aus dem geplanten Heimflug nach Berlin von Aruba im April wird nichts. Gerade noch so schaffen es die beiden Berliner in den Hafen von Bonaire. „Wir waren geschockt, keiner hätte sich so ein Szenario vorstellen können“, sagt Gerald Ost. Sie waren die letzten, die per Schiff einreisen durften. Schnell wird der 57-jährigen Steuerberaterin und ihrem Mann klar: „Wir sind hier dennoch am besten Ort der Welt.“
Die Segler dürfen an Land und sich mit Bargeld und Lebensmitteln versorgen. „Wir haben gebunkert, Toilettenpapier und haltbare Waren.“ Die Berliner befürchten, auf der Insel könnte es zu einem Anstieg der Kriminalität kommen, wenn Einnahmen aus dem Tourismus wegbrechen. Und während in der Berliner Heimat die Menschen in ihren Wohnungen sitzen, schauen Gerald und Martina aufs blaue Meer an einem der schönsten Tauchspots der Karibik.

Von den gut 50 Jachten, die mit ihnen in Bonaire gestrandet sind, bleiben die meisten einfach vor Ort, warten den Corona-Sturm entspannt ab. Keine Jacht außer der „Tanoa“ macht sich auf den Weg nach Europa. Denn Bleiben ist keine Option für Martina und Gerald. Der einzige Weg nach Hause für Mannschaft und Schiff führt über den Atlantik. Kein Katzensprung. Mit sechs Wochen ohne Landgang rechneten die beiden. Alle drei Stunden werden sie sich nachts abwechseln, alle vier Stunden am Tag.
Die langen Stunden während der Wache verbringen sie mit Gitarrespielen, Hörbüchern, Staunen. Die Sterne über dem Atlantik, das Meeresleuchten, Delfine und Wale, die ihren Weg nach Hause kreuzen, entschädigen für raue See und Wind von vorn. Auf den Azoren dürfen sie Zwischenstopp machen, der Corona-Test nach gut drei Wochen auf See ist wie erwartet negativ. Das Schlimmste ist geschafft. Keiner ahnt zu dem Zeitpunkt, dass nun der anstrengende Teil der Reise beginnt.

Nebel, Kälte, Windparks, die in den veralteten Karten der beiden Segler nicht eingezeichnet sind, fordern die volle Aufmerksamkeit. Von 27 Grad Wassertemperatur rauscht das Thermometer auf 12 Grad im englischen Kanal. Gerald Ost zieht mehrere Jogginghosen übereinander, wenn er Wache schiebt. Auf Bonaire hatten sie in einem HipHop-Shop noch eine Wollmütze ergattert. Gold wert in kalten Nächten auf der Nordsee. In Cuxhaven an der Elbemündung dann der Schockmoment. Ein Hubschrauber kreist um „Tanoa“, ein Polizeiboot geht längsseits, Gerald und Martina sollen folgen. „Ich habe noch freundlich gewunken“, sagt Martina, doch das Lachen soll ihr bald vergehen.
Mit klopfendem Herzen lassen sie die Beamten an Bord. Der Vorwurf: Sie sollen 45 Kilo Kokain aus Kuba an Bord haben, es gebe ein Amtshilfeersuchen aus Holland, der Drogenhund sei schon unterwegs. So hatten sich die Segler ihre Ankunft in Deutschland nicht vorgestellt. Natürlich haben sie keine Drogen an Bord. Doch was wenn jemand unbemerkt etwas an Bord geschmuggelt hat? Auf Bonaire kommt die gesamte Frischware per Schiff aus Kolumbien und die herkömmlichen Handelswege sind allesamt wegen Corona unterbrochen. „Da habe ich schon angefangen kurz nachzudenken“, erinnert sich Gerald Ost. Doch nach Stunden der Ungewissheit werden die Beamten freundlicher und die Segler entspannter. Ohne Waffen, ohne Drogen und ohne große Bargeldmengen dürfen sie schließlich weiter nach Rügen.

Mittlerweile haben sich die Berliner Weltenbummler damit abgefunden, dass es dieses Jahr wieder einmal klassische deutsche Weihnachten geben wird. Und unter dem Baum werden Reisepläne geschmiedet – für die übernächste Saison im Paradies.
