Corona-Fehlalarm durch Rotznasen und Huster
Ein Corona-Fall im Ferienhort und Vorsicht in den Kitas geben einen bitteren Vorgeschmack auf den Herbst.

Kleine Schnupfnasen und Huster wirbeln derzeit die Abläufe in Kitas und auch den Ferienhortbetrieb einzelner Schulen in Berlin gehörig durcheinander. Ein bestätigter Corona-Fall im Ferienhort der Pankower Elizabeth-Shaw-Grundschule etwa zeigt deutlich, worauf wir uns im Herbst einstellen müssen: Einer hustet, alle stöhnen. Bei einem positiven Corona-Befund eines Kindes muss im Zweifelsfall die ganze Kontaktgruppe zwei Wochen lang in Quarantäne.
In der Ferienbetreuung der Pankower Grundschule waren alle angemeldeten Kinder gemeinsam betreut worden, zunächst hieß es, alle Kinder müssten 14 Tage ihrer großen Ferien isoliert zu Hause verbringen. „Bei einem Kind, das die Sommerschule besucht, wurde ein positives Test-Ergebnis gemeldet“, sagt eine Sprecherin der Schulverwaltung. In diesem Fall seien die Umstände besonders unglücklich gewesen: Alle Schüler sowie Fachkräfte hielten sich im Freien auf, als ein Wetterumschwung einsetzte. Daraufhin wurden die Angebote in die Schule verlegt und die Gruppen durchmischt. „Da damit die Kontaktkette nicht nachvollziehbar war, hat das Gesundheitsamt in diesem Fall entschieden, nicht nur eine Gruppe, sondern die Schule vorübergehend zu schließen“, so die Sprecherin weiter. Von 400 Schulen in Berlin seien derzeit zwei weitere von Schließung betroffen. In der einen hatte eine Erzieherin ein positives Ergebnis, die Schule war in der vergangenen Woche zu. In einer weiteren Grundschule stand eine einzelne Gruppe bis Freitag unter Quarantäne.
Oft vergehen Tage, bis auf Corona getestet wird
In Pankow und anderswo haben die Eltern daraufhin ihre Urlaubsreisen storniert, Einkommenseinbußen in Kauf genommen. Dennoch zeigen sie zum großen Teil Verständnis für die Maßnahme. Erst nachdem bei den Hortkindern Tage später ein negatives Testergebnis vorlag, wurde die Quarantäne zum Teil wieder aufgehoben.
Doch auch wenn sich ein Hüsteln als Fehlalarm und als normale saisonale Erkältung herausstellt, vergehen oft Tage für die Testung, an denen alles stillsteht – so geschehen bei einem, von einem privaten Anbieter organisierten Ferien-Waldcamp, ebenfalls in Pankow. Auf Nummer sicher gehen, heißt die Devise allerorten.
Doch reichen die Bausteine, die bereits installiert sind, aus, um das Infektionsgeschehen in Schulen und Kitas auch im Herbst bei Volllast im Blick zu behalten?
Ein Mittel, um Kenntnis über das Infektionsgeschehen in Bildungseinrichtungen zu erhalten, ist die Berliner Corona-Teststrategie. Seit Mitte Juni wurden zunächst an 24 Grund- und Sekundarschulen je 20 Kinder und Jugendliche und fünf Erwachsene getestet. Die Kitas folgen noch. Konkrete Zahlen kann die Wissenschaftsverwaltung, unter deren Regie die Testungen laufen, bisher noch nicht nennen. Nur so viel: Im Rahmen der einjährigen Schulstudie BECOSS sind mobile Teams der Charité an 24 zufällig ausgewählte Grund- und Oberschulen gefahren und haben die Testungen vor Ort durchgeführt. „Fast 600 Probanden haben sich im Rahmen der ersten Testreihe beteiligt“, so eine Sprecherin. Die wissenschaftliche Leitung der Schulstudie an der Charité werte diese Beteiligung als sehr positiv.
Für mehr Sicherheit bei den Beschäftigten soll außerdem das flankierende Screening, ein Angebot, sich auch ohne Symptome testen zu lassen, sorgen. Für Kitabeschäftigte gilt das Angebot an den Teststellen Charité Campus Virchow-Klinikum, Vivantes-Klinikum Prenzlauer Berg, Vivantes Wenckebach-Klinikum und Vivantes-Klinikum Spandau bereits seit Ende Juni. Die Beschäftigten an den Schulen werden in Kürze informiert. „In der zweiten Julihälfte sollen sich in Abstimmung zwischen der Senatskanzlei, der Bildungsverwaltung und der Charité auch symptomfreie Beschäftigte aller Schulen testen lassen können.“
Beim geringsten Naselaufen oder Niesen schicken Kitas Kinder nach Hause
Wie blank die Nerven bei vielen Beteiligten dennoch liegen, zeigt eine neu um sich greifende Praxis von Kitas, die Kinder schon beim geringsten Naselaufen oder Niesen nach Hause schicken und eine Gesundschreibung vom Arzt fordern. Eltern und Kinderärzte stellen den Sinn solcher Maßnahmen infrage. Auch hier wird in den kommenden Wochen mit Informationsschreiben aus der Verwaltung nachgesteuert werden.
Bisher klärt der Musterhygieneplan der Senatsverwaltung, welches Prozedere gilt, sollte ein leicht erkältetes, aber fieberfreies Kind in der Schule oder Kita erscheinen. Es gilt: Kinder mit Erkältungssymptomen sollen zu Hause bleiben. Realistisch betrachtet finden leicht erkrankte Kinder dennoch den Weg in die Einrichtungen. Viele Eltern haben wegen der bisherigen Schließungen schlicht alle Kinderkranken- und freien Tage aufgebraucht und sind auf Betreuung angewiesen. „Wenn im Herbst weiterhin so streng vorgegangen wird, wird das für Eltern sehr schwierig“, so Corinna Balkow vom Landeselternausschuss Kita.
In der Bildungsverwaltung arbeitet man daher an einer neuen Information für die Kitas und Schulen und stimmt sich mit medizinischen Fachleuten ab. „Die Handreichung wird weitere Empfehlungen geben – mit dem Ziel, Infektionsschutz und den Anspruch der Familien auf Kinderbetreuung möglichst sorgsam und zugleich mit Augenmaß abzuwägen“, so die Sprecherin der Senatsschulverwaltung.
Unter den 2700 Kitas Berlins gäbe es nach wie vor nur einzelne, in denen wegen Corona Gruppen oder die Einrichtung vorübergehend geschlossen seien. „Die Gesamtzahl liegt derzeit im einstelligen Bereich“, so die Sprecherin weiter.
Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Nachdenken über weitere Maßnahmen, um gut durch die kalte Jahreszeit zu kommen. Der Landeselternausschuss fordert etwa einen schnelleren Zugang zu Corona-Tests auch für Kitakinder und ihre Eltern. Laut Auskunft der Senatsgesundheitsverwaltung ist das derzeit allerdings nicht geplant. Eltern werden die zu erwartenden Mikro-Lockdowns nun punktuell und eher im Verborgenen vor große Herausforderungen stellen. Sie brauchen einen langen Atem für den anstehenden Schnupfenmarathon, der schlimmstenfalls bis Ostern anhält.