Click & Meet: Wie viel Spaß macht das neue Einkaufserlebnis?
Seit Dienstag darf wieder geshoppt werden in Berlin, wenn auch mit Termin. Vor einigen Geschäften stehen Schlangen, in anderen gähnt die Leere.

Endlich hat Tchibo wieder auf! Die 99-jährige Berlinerin Ursula Feitsch will mit ihrem Rollator sofort in das Kaffee-Geschäft am Alexanderplatz. Die Verkäuferinnen halten sie auf, erklären ihr, dass sie zunächst einen Termin machen und ihren Namen eintragen muss. Die frisch Geimpfte ist extra mit der U-Bahn vom Strausberger Platz gekommen. „Ich kaufe Kaffee sonst im Laden, aber hier schmeckt er am besten“, sagt Feitsch. Das mit dem Anmelden lässt sie dann und erwirbt zwei Packungen frisch gemahlene Eigenröstung am Draußen-Verkaufsstand neben dem Eingang. Der 100. Geburtstag in vier Wochen scheint also gerettet.
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Seit Dienstag dürfen die Berliner wieder zum Einkaufen in die Geschäfte. Einen Tag später als in Brandenburg, wo der Montag schon ladenoffen war, wird nun auch in der Hauptstadt das Prinzip Click and Meet angewendet: Die Kunden buchen online, per Telefon oder vor Ort einen Termin. Dann darf eine Person pro 40 Quadratmeter ins Geschäft kommen. Am ersten Shopping-Tag nach fast drei Monaten hartem Lockdown herrscht aber zunächst nicht überall in Berlin viel Betrieb.

Vor dem Galeria Kaufhof am Alexanderplatz etwa stehen um die Mittagszeit nur wenige Menschen in zwei Schlangen, eine für Kunden mit bereits gebuchtem Termin und eine mit Empfangsschalter für Spontankunden. Vormittags ließen sich noch Termine für vormittags buchen. „Aktuell bekommt man offline etwas schneller einen Termin“, sagt ein Sicherheitsmann an der Tür, aber es sei nicht viel los. „Einzelbetreuung“, scherzt er.
Tatsächlich steht auf einigen Etagen mehr Verkaufspersonal als Kundschaft herum. Die Ware wird nochmal sortiert und arrangiert, ein Schwätzchen gehalten. „Es ist schön, endlich einmal die Kollegen wiederzusehen“, sagt eine Verkäuferin. Zwei Mitarbeiter begrüßen sich und wünschen sich ein frohes neues Jahr. Seit dem Beginn des harten Lockdowns am 16. Dezember hatte der Einzelhandel nicht mehr geöffnet, 83 lange Tage.

Nun kaufen die Kunden vorsichtig ein, viele Mütter sind mit Kindern unterwegs, probieren Frühlingsjacken an oder Fußballschuhe, Jugend-Training ist ja bald wieder erlaubt. Ein Shopping-Erlebnis, wie es auf der Webseite für die Buchungen in der Galeria heißt, ist das alles aber noch nicht. „Es macht keinen Spaß“, sagt die 67-jährige Marina Komander und zeigt auf leere Gänge. „Es ist ein bisschen trostlos. Vielleicht pendelt sich alles noch ein.“ Sie wollte nach Sofakissen schauen, am Ende hat sie nur ein Bügeleisen gekauft.
Viele Menschen stehen dagegen vor C&A, direkt gegenüber von Galeria Kaufhof. Eine von fast 50 Wartenden ist Dorina Turcan. Die 29-jährige Moldawierin ist vor einem Monat Mutter geworden und will ihrer kleinen Tochter etwas zum Anziehen kaufen. „Ich habe auch viel online geshoppt während der Corona-Zeit, aber jetzt gibt es hier eine Aktion, 70 Prozent Rabatt auf alle reduzierten Waren“, sagt sie. Den Termin hat sie extra um drei Uhr in der Nacht gebucht, für 12.30 Uhr, doch um 13.15 steht sie immer noch in der Schlange. In Brandenburg waren tags zuvor die Geschäfte fast noch voller, viele Berliner fuhren am Feiertag zum Shopping ins Umland.
Insgesamt scheinen die großen Ketten die Umstellung auf Wiederöffnung und Terminvergabe online etwas schneller geschafft zu haben. Die meisten kleineren Geschäfte bieten eher Call and Meet in Kombination mit sofortiger Terminbuchung an der Tür an. Ketten arbeiten häufig mit QR-Codes zum Einscannen für das Handy.
Schlangen bilden sich vor den kleinen Boutiquen um den Hackeschen Markt am Dienstag zunächst keine, viele haben noch gar nicht geöffnet. Im Taschen- und Accessoireladen Liebeskind haben dagegen einige Kunden schon eine dreiviertel Stunde Shopping am Nachmittag gebucht. Das Schuhgeschäft Recrafted bietet noch kürzere Shopping-Erlebnisse an. „Die Slots sind eine halbe Stunde lang, aber wenn jemand länger braucht, werden wir ihn nicht rausschmeißen“, sagt der Verkäufer. Der nächste Kunde müsse dann Verständnis haben. Einige Läden bleiben dunkel, doch eine Telefonnummer hängt an der Tür, falls etwas im Schaufenster gefällt.

„Für eine Maßschneiderei mag eine Terminvergabe sinnvoll sein, aber für den sonstigen Handel ist das Unfug“, sagt Beate Lemcke, die seit 25 Jahren das Geschäft Irish Berlin in der Nähe des Rosenthaler Platzes betreibt. Sie verkauft vor allem dicke Pullover, aber auch andere Kleidung, Schmuckstücke und Whiskey. Ihre Waren erhält die Solo-Selbstständige von kleinen Betrieben in Irland. Einen Onlineshop hat sie bereits seit Jahren, aber jedes Stück habe eine Geschichte zu erzählen, die sich am besten im persönlichen Gespräch wiedergeben lasse. Dann erklärt sie die Bedeutung einzelner Strickmuster und Anhängerformen, beispielsweise für die Ehe oder Fischerei. Lemcke bedauert vor allem, dass das Flanieren verloren ginge. „Die Hemmschwelle einen Termin zu buchen, ist sehr hoch, weil der Druck, etwas zu kaufen, dann wächst“, sagt sie.
So sieht das auch Gonhild Poprawka, die Inhaberin des kleinen Schuhgeschäfts Luccico. Mit der politischen Lösung ist sie unzufrieden. „Für uns wäre es besser, einfach zu öffnen und dann die Anzahl zu begrenzen“, sagt sie. Wegen zwei Kunden am Tag lohne es sich nicht, jemanden zu beschäftigen, deshalb bietet sie zunächst nur freitags und samstags Termine an.
Dennoch freuen sich viele Menschen, einfach wieder in einem Laden zu stehen. „Es ist ungewohnt, aber schön, es hat sehr gefehlt“, sagt Tchibo-Verkäuferin Sarah Junghans. Die 19-Jährige hat eben noch die 99-jährige Kaffeekäuferin Ursula Feitsch bedient. „Es ist nicht schlimm, wenn die Leute nur gucken, aber nichts kaufen“, sagt Junghans. „Hauptsache man hat wieder Kontakt, wenn auch auf Abstand.“ Das tue beiden Seiten gut, Kundschaft und Ladenpersonal.