Abgeordnete Clara West (SPD) möchte aus dem Berliner Polit-Karussell aussteigen.<br>
Abgeordnete Clara West (SPD) möchte aus dem Berliner Polit-Karussell aussteigen.
Foto: imago images/Seeliger

Sie kämpfte gegen den Müll auf den Straßen, gegen zu hohe Mieten und für die Menschen in ihrem Heimatkiez Weißensee.  Sie saß aber auch bis in die Nacht im Hauptausschuss, machte Bürgersprechstunden am Wochenende und war genervt vom parteiinternen Zoff.  SPD-Talent Clara West (38) schmeißt hin. Im nächsten Jahr ist Schluss mit der Politik. Eine junge Frau gibt ihren Herzensberuf in frühen Jahren plötzlich auf. Warum?

„Ich habe mich entschieden, mich nicht wieder für eine Aufstellung zur kommenden Abgeordnetenhauswahl zu bewerben und im nächsten Herbst ins normale Berufsleben zurückzukehren“, schreibt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD am Montagabend auf Facebook. Ein Mandat sei eben kein normaler Job. Es könne nie Selbstzweck sein. Man sei in einer bestimmten Rolle mit bestimmten Aufgaben  „Und das kann nie für die Ewigkeit so bleiben. Niemand ist unersetzlich. Gewählt ist nicht erwählt“, heißt es weiter.

Nun stellen alle Parteien ihr Personal für die kommende Wahl im nächsten Jahr neu auf. So ein kompletter Rückzug kommt allerdings völlig überraschend-auch für enge Parteikollegen von ihr.  Zumal die Pankowerin schon seit Schulzeiten in der Politik aktiv ist. Seit 2011 sitzt sie im Abgeordnetenhaus, gilt als engagiert. Die angeschlagene SPD hat Nachwuchs-Frauen wie sie bitter nötig. Da wundern sich sogar Oppositionspolitiker, zu denen Clara West stets einen guten Draht hat.  

Clara West (SPD) am Rednerpult im Abgeornetenhaus Berlin.
Clara West (SPD) am Rednerpult im Abgeornetenhaus Berlin. Foto: dpa/Jörg Carstensen

Zum Nachwuchs gehöre sie ja nun nicht mehr, beschwichtigt Clara West am Dienstag am Telefon. Clara West liegt gerade am Badesee. Die Tochter (6) will, dass sie mit ins Wasser kommt und drängt sie. 

Sie meint: „Ich war noch ziemlich jung, als ich in die Politik gegangen bin. Aber mir war schon damals klar, dass das kein Ponyhof ist. Politik ist ein Geschäft, in dem es nicht immer nett zugeht.“ 

Sie sei ein Familienmensch, hatte sie früher häufiger geantwortet, als man sie nach ihren Ambitionen fragte. „Ich will mich weiterentwickeln und auch mal wieder etwas anderes machen. Diesen Schritt habe ich mir gut überlegt“, meint sie jetzt.

Einen neuen Job hat die 38-Jährige noch nicht.  Es wäre nicht schlecht, die Familie häufiger zu sehen. „Pause mache definitiv ich nicht“, erklärt sie. SPD-Mitglied möchte sie bleiben.

Das, was sie am Badesee erklärt, klingt harmonisch. Ist es aber nicht ganz. Sie ist schon einmal geschieden. 2016 wurde ihr jetziger Ehemann auf einer Wahlkampfveranstaltung angegriffen und verletzt. Die kleine Tochter musste alles mit ansehen.  Die Attacke ging an die Nerven. Nächstes Jahr ist wieder Wahlkampf. Gut möglich, dass Clara West auf solche Szenen verzichten möchte. Immer wieder gab Angriffe gegen ihr Bürgerbüro. Die Menschen nahmen sie für SPD-Entscheidungen im Bundestag in Sippenhaft.

Langer Ärger mit Fraktionschef Raed Saleh

Zudem gibt es hinter den Kulissen schon lange Ärger mit ihrem Fraktionschef Raed Saleh. Und manchmal auch vor den Kulissen: West unterzeichnete Ende 2017 mit anderen SPD-Kollegen einen offenen Brief gegen ihn, ging Salehs Stil hart an. Einer der 13 Unterzeichner: Bettina Domer, Abgeordnete aus Spandau. Auch sie wird zur kommenden Wahl nicht mehr antreten. Der Kreisverband in Spandau entscheidet über die Kandidatur. Vorstandschef in Spandau: Raed Saleh. Auch Fraktionsvize Susanne Kitschun, die den Brief damals unterschrieben hatte, möchte hinschmeißen, heißt es intern.

Darüber hinaus hat Clara West in der Pankower SPD viel Konkurrenz. Jugendstadträtin Rona Tietje (auch 38) kandidiert momentan als Kreischefin. Einen Posten, den auch West mal haben wollte. Und ihn nicht bekam. Ebenfalls in Pankow beheimatet ist der SPD-Kollege Torsten Schneider. Er gilt als linke Hand des Fraktionschefs: Raed Saleh. Jener Saleh eben, der schon seit Jahren gegen den Regierenden Michael Müller schießt und  zusammen mit Familienministerin Franziska Giffey (42)  Landeschef der Berliner SPD werden möchte. Will er sogar Regierender Bürgermeister werden?

Die Koalitionspartner von Grünen und Linken rollen über die Grabenkämpfe bei den Sozialdemokraten nur noch mit den Augen. „Die kriegen doch nichts mehr auf die Reihe. Die stimmen sich untereinander nicht ab, Entscheidungen werden aus dem Bauch heraus gefällt“, sagt eine Abgeordnete genervt.

Konflikte gehören in der Politik nun mal dazu, meint Clara West. Das kann auch etwas Positives sein. Sie selbst sei auch kein konfliktscheuer Mensch, gibt sie zu.