Campen wie zu DDR-Zeiten: In Zeiten steigender Spritpreise wird Urlaub vor der Haustür immer beliebter
Draußen frühstücken, vorher ins Wasser springen und sich abends in den Schlafsack kuscheln: Die Campingsaison startet im April.

Von null auf Urlaub in 90 Minuten: Vögel zwitschern, Bäume rauschen und das Wasser des idyllischen Sees liegt glasklar vor einem. Vom Alexanderplatz bis hierher sind es gut 100 Kilometer mit dem Auto. Schon zu DDR-Zeiten war die Gegend bei Berlinern beliebt für einen kürzeren oder längeren Urlaub. Damals wie heute besonders beliebt: Campen am Schervenzsee – ein 20 Hektar großer Natursee, bis zu neun Meter tief. Gerade in Zeiten steigender Spritpreise dürften schnell zu erreichende Urlaubsziele noch beliebter werden.
Der Schervenzsee am Campingplatz im Schlaubetal liegt ganz still in der Sonne, die Badeinsel ist noch verwaist, die Ruderboote sind an Land, doch erste Camper stellen bereits Stühle und Tische vor ihre Wohnwagen. Der Platz ist aus dem Winterschlaf erwacht und die Vorfreude auf den Saisonbeginn im April spürbar.
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Nicole Fröscher und ihr Mann sind schon früh unterwegs, um mit Handwerkern letzte Reparaturarbeiten abzusprechen. Frühblüher werden eingepflanzt, Sturmschäden beseitigt, die Sanitäranlage glänzt, Hängematten und Kletternetze auf dem Spielplatz warten auf die Kinder. Zu Ostern will der Familienbetrieb aufmachen.

Seitdem die 45-Jährige 2016 mit ihrem Mann ins Unternehmen der Eltern eingestiegen ist, steigen die Buchungszahlen stetig. Die 80 Touristenstellplätze seien jedes Jahr begehrt, berichtet Fröscher. Mittlerweile hat sie zwölf Angestellte, ihr zufolge musste keiner in der Corona-Pandemie in Kurzarbeit. Der Mitarbeiterstamm sollte erhalten bleiben, Arbeitskräfte sind wie auch in anderen Branchen nicht leicht zu finden. Trotzdem hat der Campingplatz im Kreis Oder-Spree Einbußen zu verkraften, 15 Prozent weniger Umsatz schlugen 2021 wegen der Pandemiebeschränkung an Himmelfahrt und Pfingsten zu Buche.
In Zeiten steigender Spritpreise wird die Urlaubs-Kurzstrecke immer beliebter
Im zweiten Pandemiejahr haben nach einem Hoch 2020 weniger Menschen auf Campingplätzen in Brandenburg übernachtet. Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg wurde 2021 mit insgesamt 1,4 Millionen Übernachtungen ein Rückgang um rund 11,6 Prozent verzeichnet im Vergleich zu 2020. Mit 403.000 Gästen besuchten 2021 damit 13,5 Prozent weniger Menschen die Brandenburger Campingplätze. 2020 waren es 1,5 Millionen Übernachtungen, 2019 rund 1,4 Millionen.
Doch in diesem Jahr, in Zeiten steigender Spritpreise, dürften Urlaubsziele, die schnell und damit preiswerter zu erreichen sind, noch viel angesagter sein. Warum weit fahren oder sogar fliegen, wenn das Schöne so nah vor der Haustür liegt.
Auf einem kleinen Hügel mit Blick zum Schervenzsee machen Daniel Barentin und seine Frau unterdessen ihren Wohnmobil-Platz startklar als „zweites Domizil“ für die nächsten Monate. Angefangen haben sie mit ihrem Zelt und der kleinen Tochter. „Kinder wachsen so freier auf“, meint das Paar aus Frankfurt (Oder). Auf dem Campingplatz seien sie früher schon mit den Eltern gewesen und nun zurückgekehrt.

„Es findet gerade ein Generationenwechsel statt, viele Ältere geben auf, Kinder kommen nach“, bestätigt Campingplatz-Mitinhaberin Fröscher und fügt schmunzelnd hinzu: „Wir sagen immer: Kinder können ihre Eltern und Großeltern mitbringen.“ Kinderbasteln und Wanderungen seien organisiert, das Eis im Strandcafé werde wieder ein Hit werden.
Auch Steffen Krautz setzt seit Jahren auf Familienfreundlichkeit. Sein kleiner Campingplatz am Deulowitzer See im Kreis Spree-Neiße hat 40 Stellflächen. Erlaubt seien eigentlich 100 Plätze, doch er wolle den Gästen mehr Raum lassen, sagt Krautz. Die vergangenen Monate beschreibt er als „nicht einfach“. Der letzte Sturm ließ nicht nur zahlreiche Bäume umstürzen, sondern zerstörte vier seiner Mietwohnwagen. Doch Krautz schaut nach vorn, hat vier kleine Holzwagen mit Seeblick aufgestellt, den Familienraum mit einem Frischeautomaten aufgestockt, es gibt ein Kino und Spielplätze.
Der Familienpark Senftenberg ist der beste Campingplatz in Brandenburg
Selbst bei großen Playern wie dem „Königlichen Campingpark Sanssouci“ in Potsdam wurde im vergangenen Jahr die Luft etwas dünner, weil in der Vorsaison coronabedingt geschlossen war. „Wir haben ein blaues Auge bekommen, aber keinen der 19 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt“, erzählt Betreiber Dieter Lübberding. Auf seinem Platz am Templiner See mit 170 touristischen Plätzen tummeln sich seit Jahren Gäste „aus aller Welt“. Wassersport, ein Restaurant mit regionaler Küche und die Nähe zu Berlin ziehen an. Für diese Saison rechnet Lübberding damit, dass Gäste wegen der hohen Spritpreise länger bleiben, weil Urlaub an immer anderen Orten deutschlandweit zu teuer werde. „Keiner fährt mehr für zwei Tage Hunderte Kilometer.“
Der Familienpark Senftenberg, 2021 ausgezeichnet als bester Campingplatz in Brandenburg, musste im vergangenen Jahr für viele der 130 Mitarbeiter Kurzarbeit anmelden. Das Areal ist mit 160 Stellplätzen, 340 Dauercampern und 300 Ferienhäusern sehr groß. Da werde wegen der Personalkosten sowohl Vor- als auch Nachsaison gebraucht, erklärt Dana Hüttner, Referentin für Marketing. Mit fünf Prozent Umsatzverlust sei man noch gut bedient gewesen.

Die Senftenberger haben sich darauf spezialisiert, Familienleben auch im Urlaub einfacher zu machen – vieles, was für Kinder gebraucht wird, ist „inklusive“, wie Hüttner beschreibt. Babywannen und Hochstühle könnten kostenlos ausgeliehen werden, Kinder bezahlen fürs Campen nichts, zudem sind die Sandstrände des Senftenberger Sees breit.
13 Campingplätze in Brandenburg haben ein EcoCamp-Zertifikat
Dass der Ferienpark in Senftenberg und auch die anderen Campingplätze durch ihre Nähe zum Wasser erst attraktiv werden, darüber sind sich die Betreiber einig. Gerade deshalb sehen sie, dass Wassermangel durch fehlende Niederschläge zu einem immer größeren Problem werden könnte. Der Schervenzsee etwa verliere immer mehr kostbares Nass, zeigt sich Nicole Fröscher besorgt. Sie wird ab April aufmerksamer messen. Im Senftenberger See rutschte im September des trockenen Jahres 2018 das Stück einer Insel ab. Die ehemalige Tagebaugrube Niemtsch, schon zu DDR-Zeiten ein See, musste für eine Sanierung teilweise gesperrt werden. Den Strandbereich auszubauen, sei wegen Behördenauflagen schwieriger geworden, berichtet Referentin Hüttner.
Der Helenesee, eine ehemalige Tagebaugrube bei Frankfurt (Oder), ist nach einem Uferabbruch aus Sicherheitsgründen seit Mai 2021 komplett gesperrt – katastrophal für den angrenzenden Campingplatz.
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Was tun die Betreiber, um zumindest auf den Campingplätzen Wasser zu sparen und nachhaltig zu wirtschaften? Am Schervenzsee werden auf dem Wirtschaftshof Tonnen aufgestellt, die Wasser sammeln sollen, das unter anderem zum Gießen genutzt wird.
Die Plätze in Senftenberg und Potsdam haben wie viele andere seit langem wassersparende Armaturen in den Sanitärbereichen. Eine Duschkarte limitiert den Wasserverbrauch. Laut Tourismus Marketing Gesellschaft Brandenburg haben viele Plätze eine Qualitätsauszeichnung. „Umwelt- und Naturschutz liegen den Betreibern dabei häufig besonders am Herzen“, sagt Marketingleiter Knospe: 13 Plätze hätten bereits ein „EcoCamp-Zertifikat“, viele weitere investierten in Nachhaltigkeit.