BVG - du nervst!
Die Autorin war bislang eine treue Nutzerin der öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Begegnung der anderen Art könnte das nun ändern.

Vor einigen Wochen schrieb ich an dieser Stelle sehr betrübt über die sinkenden Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr. Mein Herz war schwer, nicht nur wegen der Blechketten, die wieder die Straßen verstopfen und verschmutzen, seit die Stadt aus dem Stillstand erwacht ist. Mir war auch bang um die BVG, die viel mehr ist für mich als Mobilität. Tram, Bus und Bahn fahren bedeuten ein Lebensgefühl: das Unterwegssein mit anderen, sich tummeln auf Rädern und Schienen. Heute kann ich mit dem öffentlichen Gewimmel der Verkehrsbetriebe nicht viel anfangen. Im Gegenteil. Es nervt. Denn während das Land sich noch reichlich zerzaust und verstört in der neuen Realität zurechtzufinden versucht, ist die BVG schon voll angekommen. Und gibt den harten Hund.
Das Teenagerkind hat vor drei Wochen sein Schülerticket zu Hause vergessen. Ein Ticket, das es viele Wochen nicht vorzeigen musste. Deswegen hat es auch nicht mitbekommen, dass es abgelaufen ist. Aber dazu später. Für den Kontrolleur zählte nur, dass er es nicht bei sich trug. Er gab ihm eine Woche Zeit, es vorzuzeigen. Vor Ablauf dieser Woche kommt jedoch bereits das Schreiben eines Inkasso-Unternehmens, in dem man dem Teenager mit weiteren Mahnungen, Pfändungen und ähnlichen Schreckens-Szenarien droht, sollte er nicht binnen zwei Wochen die 60 Euro bezahlen.
Ich beruhige den verwirrten Lulatsch. Niemals, so erkläre ich, wird die BVG riskieren, weitere treue Kunden zu verlieren, nur weil einer mal seinen Fahrschein nicht dabei hat. Schließlich leben wir in besonderen Zeiten, wie man uns nimmermüde jeden Tag einbläut. Gemeinsam gegen Corona, nicht wahr? Der Teenager stellt sich also in die Schlange des Kundenservice und versucht so erwachsen, wie er kann, das Ungemach abzuwenden. Doch nicht mit den Berliner Verkehrsbetrieben! Die haben es sich nun auf die Fahnen geschrieben, verspulte Pubertierende zu klaren Köpfen zu erziehen, und beharren auf dem Strafgeld. Und zwar nicht gerade freundlich, wie das Kind berichtet.
Also gehe ich noch mal hin, mit dem Ticket und dem Inkassoschreiben und reichlich auf Krawall gebürstet. Eine wasserstoffblonde Frau mit starrem Blick erläutert mir mantraartig, dass sich strafbar mache, wer ohne Ticket ein Fahrzeug der BVG benutze. Und dass der Ausweis abgelaufen sei. Obwohl mir fast schwindlig ist vor Wut, bleibe ich freundlich und versuche, ihr klarzumachen, dass ja nicht nur bei meinem Sohn in den letzten Monaten einiges drunter und drüber gegangen und vor allem über den Rand gefallen sei. Aber nix da: Fehlverhalten wird bestraft.
Wenn das eine Imagekampagne sein soll – Weil wir Dich lieben, hoho –, geht sie hoffentlich nach hinten los. Ich würde meine Fahrten in Tram, Bus und Bahn schmerzlich vermissen, überlege aber doch, ob man nicht schon einen gebrauchten Kleinwagen kaufen kann für die 8oo Euro, die mein Abo kostet. Wir leben wirklich in besonderen Zeiten, wenn hartgesottene ÖPNV-Tümmlerinnen wie ich solche Gedanken auch nur zulassen.