Ludwig Seeger, Initiator der Bürgergut-Genossenschaft, hockt mit frischen Eiern vor einem Hühnermobil vom Bürgergut Börnicke. Genossenschaftler finanzieren die ökologische Bewirtschaftung von etwa elf Hektar Land, ein Hühnermobil die externe Beweidung mit Rindern.
Ludwig Seeger, Initiator der Bürgergut-Genossenschaft, hockt mit frischen Eiern vor einem Hühnermobil vom Bürgergut Börnicke. Genossenschaftler finanzieren die ökologische Bewirtschaftung von etwa elf Hektar Land, ein Hühnermobil die externe Beweidung mit Rindern. Patrick Pleul/dpa

Dutzende große, braune Eier liegen fast schon malerisch auf eingestreutem Dinkelspelz. Ludwig Seeger hat von außen eine Klappe am Hühnermobil geöffnet und sammelt die Eier ein, während aus dem Inneren des Wagens vielstimmiges Gegacker zu hören ist. Die vollen Stiegen bringt er anschließend in eine Holzbaracke am Rande des Bernauer Ortsteils Börnicke (Barnim) und sortiert sie in Dutzende Schließfächer. „Unsere 340 Hühnerpaten können sich hier und am Bahnhof in Bernau wöchentlich frische Eier abholen“, erklärt der Landwirt und Gärtner.

Frische Eier für die Hühnerpaten

Die Hühnerpatenschaften waren das erste Projekt, mit dem das Bürgergut Börnicke vor vier Jahren als Genossenschaft gestartet ist, gegründet nicht von Bauern, sondern von Konsumenten landwirtschaftlicher Produkte. „Uns eint, dass wir einerseits ökologisch produzierte Nahrung direkt vor der Haustür wollten und andererseits einen nachhaltigen Umgang mit der Kulturlandschaft“, erläutert Seeger, Initiator der Bürgergut-Genossenschaft.

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Frische Eier würden sich regional gut vermarkten lassen, so die ersten Überlegungen. Inzwischen gibt es 340 Hühnerpatenschaften: Der Pate zahlt einen Jahrespreis und wird jede Woche frisch beliefert.

17 Galloway-Rinder werden auf dem Bürgergut Börnicke gehalten.
17 Galloway-Rinder werden auf dem Bürgergut Börnicke gehalten. Patrick Pleul/dpa 

Das Hühnermobil wird alle drei Wochen umgesetzt. „Dadurch haben die Tiere immer frisches Grünzeug und verseuchen mit ihrem Kot nicht das Grundwasser. Nach einem Jahr werden die Tiere geschlachtet und als Suppenhühner verkauft, von dem Geld neue Legehennen angeschafft“, erläutert Seeger.

Bürger nehmen Landwirtschaft selbst in die Hand

Der vierfache Vater hat an der Eberswalder Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNEE) unter anderem auch Grundlagen der Landwirtschaft studiert und betreibt in Börnicke eine Gärtnerei. Das Bürgergut startete mit 40 Genossenschaftlern und gut einem Hektar Land. „Wir wollten nicht einfach auf die kommerzielle Landwirtschaft schimpfen oder dagegen protestieren, sondern es selbst in die Hand nehmen.“

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Wer Mitglied werden will, kauft Geschäftsanteile zu je 150 Euro. Mit dem Geld werden Projekte und Anschaffungen bezahlt – das Hühnermobil mit aktuell 350 Legehennen, die 17 Tiere zählende Galloway-Rinderherde und die Pacht für mittlerweile etwa zehn Hektar Grünland und extensive Weidehaltung.

Das Bürgergut hat inzwischen rund 80 Genossenschaftler, nach Einschätzung von Seeger könnten es weitaus mehr sein. „Es geht darum, Verantwortung zu tragen und gemeinsam etwas zu besitzen. Diese andere Form des Wertesystems muss man wollen, Mitglied wird man bei uns aus Überzeugung“, sagt der 47-jährige Bürgergut-Chef.

Verbraucher wollen Produkte aus der Region

„Ich finde hochspannend, was die dort in Börnicke machen. Das für Berlin und Brandenburg bisher einmalige Projekt passt in die Zeit“, sagt Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) und verweist auf den Megatrend Regionalität. „Verbraucher wollen nicht die billige Ware von irgendwo, sondern Produkte, bei denen sie wissen, wo und wie sie entstehen. Auf dem Bürgergut wird der Verbraucher selbst zum Landwirt“, erklärt er. Allerdings: „Du brauchst jemanden, der das organisiert und managt, damit so ein Modell funktioniert, jemanden wie Ludwig Seeger als identitätsstiftenden Anker“, sagt Wimmer.

Ein Genossenschaftsmodell hatten seinen Angaben nach auch die Begründer der Potsdamer Firma Havelmi ausprobiert. Mit ihren frischen Haferdrinks seien sie jedoch pleitegegangen, so Wimmer. Der Bürgergut-Initiator hat seit der Genossenschaftsgründung vergeblich versucht, auch ausgebildete Landwirte als Mitglied zu gewinnen.

Das Hühnermobil vom Bürgergut Börnicke eG zieht regelmäßig um, damit Böden und Grundwasser nicht so stark belastet werden.
Das Hühnermobil vom Bürgergut Börnicke eG zieht regelmäßig um, damit Böden und Grundwasser nicht so stark belastet werden. Patrick Pleul/dpa

„Ich wollte auch Fachleute mit im Boot haben“, sagt der Börnicker, der gemeinsam mit Luise Pastrik, ebenfalls HNEE-Absolventin, Tausende Stunden in seiner Freizeit auf dem Bürgergut verbracht hat, um Hecken und Obstbäume anzupflanzen, Zäune zu ziehen, Kleegras als Futterpflanze anzusäen und zu mähen oder einen Teich zu renaturieren.

Er habe das Projekt Bürgergut durchziehen und zum Laufen bringen wollen, erklärt Seeger, der zugibt, dabei manchmal auch an seine Grenzen zu kommen. „Ich erwarte von keinem Genossenschaftler, dass er ebenso ehrenamtlich ackert. Aber bei gemeinsamen Arbeitseinsätzen können alle mithelfen“, meint er. Immerhin: Seit diesem Jahr kann die Genossenschaft sogar drei Saisonarbeitskräfte bezahlen.

400 Verbraucher mit Gemüse versorgen

Da landwirtschaftliches Fachpersonal aus den eigenen Reihen in der Genossenschaft jedoch fehlt, nutzt Seeger Wissen, Erfahrung und – gegen Bezahlung – schwere Landmaschinen-Technik von Bauer Jürgen Giese aus Tempelfelde (Barnim). „Der Mann ist ein aufmerksamer Zuhörer, wissbegierig, detailgenau“, sagt Giese, der selbst 500 Hektar Feld in seinem eigenen Betrieb konventionell bewirtschaftet. Er finde es „schon mutig, was die da auf ihrem Bürgergut machen und es scheint ja zu funktionieren, sonst wären die nicht mehr da“, sagt er.

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Perspektivisch soll auf dem Bürgergut auch Gemüse angebaut werden. „Aber dafür brauchst Du ausgebildete Gärtner“, sagt Seeger, der überlegt, seine eigene Gärtnerei in die Genossenschaft zu überführen. Das seien 3,5 Hektar und Gemüse zur Versorgung von rund 400 Verbrauchern, rechnet er vor. Doch zunächst gelte es, das Bürgergut zu konsolidieren, die Tierhaltung zu vergrößern, Umsätze zu stabilisieren und eine Kühlkammer zu bauen.

Einmal monatlich wird auf dem Bürgergut ein Hoftag veranstaltet. „Da kommen im Schnitt so 30 bis 60 Interessierte“, erzählt der Bürgergut-Chef, der hofft, bei diesen Gelegenheiten weitere Genossenschaftler zu gewinnen.