Der klare KURIER-Kommentar

Brennender Scherbenhaufen nach Berliner Silvesternacht-Exzess: Einfache Antworten helfen nicht

Jugendliche ausbürgern, die einen ausländisch klingenden Vornamen tragen: So einfach will es sich die Opposition machen!

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Lust an sinnloser Gewalt: Jugendliche setzten diesen Reisebus in Brand, an einem Mietshaus, das von vielen migrantischen Familien bewohnt wird.
Lust an sinnloser Gewalt: Jugendliche setzten diesen Reisebus in Brand, an einem Mietshaus, das von vielen migrantischen Familien bewohnt wird.dpa/Zinken

In Berlin tobt der Wahlkampf – und vergiftet die notwendige Debatte um Ursachen und Konsequenzen aus den Silvester-Ausschreitungen. Die Berliner AfD-Abgeordnete Kristin Brinker will Jugendliche mit doppelter Staatsbürgerschaft gleich „ausbürgern“, selbst wenn sie nie woanders gelebt haben als in Kreuzberg, Wedding oder Neukölln. Die CDU fragt allen Ernstes im Innenausschuss, welche womöglich ausländischen Vornamen die Krawallmacher tragen. Türkische oder arabische Namen tragen auch viele Polizeikräfte, BSR-Mitarbeitende, Ladeninhaber und Anwohner, die von den Exzessen der Silvesternacht unmittelbar betroffen waren.

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Kampf gegen hochkriminelle Intensivtäter: Das Neuköllner Modell ist längst gescheitert

Der Vorwurf von SPD, Grünen und Linken gegen die Berliner Opposition, rechtspopulistische Vorbehalte zu bedienen, ist nicht von der Hand zu weisen. Unglücklich ist diese Polarisierung aber deshalb, weil man jetzt genauer hinschauen muss, unbequemen Fragen nicht ausweichen darf. Warum stauen sich Frust und Perspektivlosigkeit in bestimmten Milieus unserer Gesellschaft an? Warum sind es immer fast ausschließlich jüngere Männer, die in Gewaltexzessen und Provokationen gegenüber Autoritäten ein Moment der sinnlos-destruktiven Macht erleben?

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Angestachelt wurden die Aktionen mutmaßlich von Intensivtätern, wie sie bereits vor Jahrzehnten im Fokus der Debatte standen. Das frühere Neuköllner Modell der Jugendrichterin Kirsten Heisig: Es sollte Jugendliche mit harten, sofort verhängten Strafen davon abschrecken, auf die schiefe Bahn zu geraten. Innerhalb von 15 Jahren ist es in Vergessenheit geraten. Sozialarbeiter, die tagtäglich mit Intensivtätern arbeiten, berichten, dass Knallhart-Verurteilungen kriminelle Karrieren eher beschleunigen als verhindern. Wir stehen also wieder da, wo wir vor 20 Jahren standen: auf der Suche nach einfachen Antworten, tatsächlich ratlos, vor einem Scherbenhaufen.